SPIEGLEIN politisches Jahrbuch 2020. Thomas Röper

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ich, was ich habe“. Und wenn in Russland im Laufe des Jahres ein Gouverneur – warum auch immer – aus dem Amt scheidet, ernennt der Kreml einen kommissarischen Gouverneur, der sich dann im nächsten September zu Wahl stellen muss. Der hat mit dem Amtsbonus natürlich einen Vorteil, und wenn er in den Monaten zuvor einen halbwegs guten Job gemacht hat, wird er in der Regel auch gewählt.

      So kann der Kreml durchaus einen gewissen Einfluss nehmen. Aber das bedeutet nicht, dass alle Gouverneure der „Kreml-Partei“ Einiges Russland angehören. Der Kreml hat ein großes Interesse daran, dass die Leute im Land zufrieden sind, und wenn ein geeigneter Kandidat von einer anderen Partei kommt, wird er zum kommissarischen Gouverneur ernannt – Hauptsache, den Menschen in der Region geht es gut und sie sind zufrieden. Unruhen und Proteste findet keine Regierung der Welt gut, auch der Kreml nicht.

      Und so werden viele Gouverneure von anderen Parteien gestellt, und die Gouverneurswahlen haben kaum eine Aussagekraft über die Zufriedenheit mit der Politik der russischen Regierung. Übrigens haben bei den Gouverneurswahlen die Amtsinhaber alle mehr oder weniger deutlich gewonnen.

      Anders ist es mit den Regionalparlamenten. Auch wenn die Kandidaten direkt gewählt werden, schauen die Leute durchaus darauf, welcher Partei sie angehören. Aber es ist denkbar schwierig, hier die Wahlen zu 13 Regionalparlamenten und 22 Stadtparlamenten kurz zusammenzufassen. Insgesamt kann man sagen, dass die Regierungspartei Einiges Russland stärkste Partei geblieben ist und dass die Kommunisten ihren zweiten Platz in der politischen Landschaft wieder sicher bestätigt haben. Es gab also keine großen Überraschungen, und auch Protestwahlen haben keine sichtbare Rolle gespielt. Im Großen und Ganzen haben die Kandidaten der „etablierten“ Parteien gewonnen.

      Aber in einigen Regionen wurde die Regierungspartei Einiges Russland auch abgestraft und kam kaum über zehn Prozent.

      In Moskau, das in den letzten Wochen Schlagzeilen gemacht hat, gingen 25 der 45 Sitze im Stadtparlament an Kandidaten von Einiges Russland. Die Kommunisten bekamen 13 Sitze, und die pro-westliche und wirtschaftsliberale Partei Jabloko erhielt vier Sitze. Einen davon bekam übrigens der zunächst abgelehnte Kandidat Mitrochin, der gegen die Entscheidung der Wahlkommission, die seine Kandidatur ablehnte, erfolgreich Einspruch erhoben hatte. Die Partei Gerechtes Russland bekam drei Sitze.

      Was nach einem Wahlsieg für Einiges Russland in Moskau klingt, ist in Wahrheit eine Klatsche, denn sie haben in Moskau 13 Sitze an die anderen Parteien verloren. Das ist jedoch nicht überraschend, denn die Großstädte gelten nicht als Hochburgen der Regierungspartei.

      Aber die regionalen Unterschiede bei den Wahlergebnissen sind groß, ähnlich wie auch in Deutschland die Bundesländer oft sehr unterschiedlich wählen, was eine übergreifende Einordnung der Wahl schwierig macht.

      „Zehn Bewerber wurden nicht zugelassen, weil Unterlagen fehlten. (…) Nicht dabei sind die Freien Wähler. Die Partei hatte ihre Landesliste nicht fristgerecht beim Landeswahlleiter eingereicht. Damit kann die Partei nicht mit Zweitstimme gewählt werden. (…) Landeswahlleiter Günter Krombholz hatte MDR THÜRINGEN vor der Sitzung gesagt, über das Thema Freie Wähler werde nicht weiter gesprochen. Wer nicht fristgemäß abgegeben habe, sei automatisch raus.“

      Regeln über die Einreichung der nötigen Unterlagen für eine Kandidatur sind also kein russisches Phänomen, aber die Medien in Deutschland zeichnen ein anderes Bild. In Russland sind einige Kandidaten wegen fehlerhafter Unterlagen nicht zugelassen worden, aber sie hatten wenigstens noch ein Einspruchsrecht, und das Beispiel von Mitrochin, der das Recht als einziger Kandidat in Moskau genutzt hatte, zeigt, dass es auch funktioniert.

      In Deutschland sind die Regeln strenger, da wurde eine ganze Partei (die Freien Wähler) wegen fehlender Unterlagen gar nicht erst zur Wahl zugelassen, und sie hat kein Recht, das anzufechten.

      Nun noch etwas zu Unregelmäßigkeiten bei Wahlen. In Russland werden alle gemeldeten Unregelmäßigkeiten veröffentlicht und verfolgt. In allen Wahllokalen besteht Kameraüberwachung, die Bilder werden auch live ins Internet übertragen, jeder kann also jedes Wahllokal beobachten. Darüber hinaus waren über 10.000 Wahlbeobachter im Einsatz – sowohl Bürgerrechtsgruppen als auch Parteien schicken ganze Armeen von Beobachtern los. Hinzu kommen noch Beobachter ausländischer Organisationen wie der OSZE. Es sind jedoch keine nennenswerten Unregelmäßigkeiten bekannt geworden, obwohl kurz nach der Wahl 3.654 Beschwerden dazu eingegangen sind und elf Strafverfahren eröffnet wurden. Jedoch hatten diese keinen Einfluss auf die Wahlergebnisse.

      2018 war das anders. Da hatte, nachdem es zu Unregelmäßigkeiten gekommen war, die Chefin der Wahlkommission, Ella Pamfilowa, die Wahlsiege von Kandidaten der Regierungspartei annulliert und neu wählen lassen.

      Bleibt noch die Wahlbeteiligung. Die ist in Russland bei solchen Wahlen generell niedrig und schwankt auch sehr stark. In einigen Regionen lag sie bei kaum über 20 Prozent, in anderen war sie jedoch weit höher. Russlandweit lag sie bei etwas über 41 Prozent, was im Vergleich zum letzten Jahr ein Anstieg um 3,5 Prozent ist. Diese großen Unterschiede sind auch darin begründet, dass die Wahlbeteiligung bei Wahlen von Gouverneuren höher ist als zum Beispiel bei Stadtparlamenten. In Moskau, das angeblich so heftig protestiert hatte, lag die Wahlbeteiligung bei der Wahl zum Stadtparlament bei nur 21,77 Prozent.

      Und von den tausenden Demonstranten, die nach Angaben der deutschen Medien verhaftet worden sind, wurde nur gegen weniger als 20 Anklage erhoben, weil ihnen Sachbeschädigung, Widerstand gegen die Staatsgewalt oder andere Straftaten zur Last gelegt wurden, die auch in Deutschland strafbar sind.

      Für die meisten anderen war die Sache nach der Zahlung eines Bußgeldes erledigt.

      19 https://www.spiegel.de/politik/deutschland/afd-in-sachsen-mit-nur-noch-18-listenplaetzen-was-bedeutet-das-a-1276019.html

      20 https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-wie-bei-der-wahl-in-moskau-gegen-oppositionelle-vorgegangen-wird-a-1277466.html

      21 https://ovdinfo.org/about/our-partners

      22 https://www.anti-spiegel.ru/2019/wie-das-russische-fernsehen-ueber-die-proteste-in-moskau-berichtet/

      23 https://www.spiegel.de/politik/ausland/russland-opposition-spaziert-in-moskau-gegen-die-regierung-a-1280350.html

      24 https://tass.ru/obschestvo/6730371

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