Metamorphosen. Ovid
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Pyreneus
Zu ihr sprach eine der Schwestern: »O Tritonia, hätte dich nicht deine Tüchtigkeit zu höheren Aufgaben berufen, [270] so hättest du unserem Chor angehören können! Du sagst die Wahrheit, lobst mit Recht unsere Künste und diesen Ort, und wir haben wirklich ein liebliches Los – wenn wir nur in Sicherheit lebten! Doch – soviel darf sich der Frevelmut erlauben! – noch immer erschreckt alles und jedes unsere jungfräulichen Herzen, der grausame Pyreneus steht uns vor Augen, [275] und ich habe mich immer noch nicht ganz gefaßt. Dieser Wüterich hatte die Ländereien von Daulis und Phocis mit seinem Thracerheer an sich gebracht und herrschte dort zu Unrecht als König. Wir waren gerade unterwegs zum parnassischen Tempel; da sah er uns wandern, erwies unserer Gottheit mit heuchlerischer Miene seine Ehrerbietung und sprach: [280] ›Ihr Töchter der Erinnerung‹ – er hatte uns nämlich erkannt –, ›bleibt bitte stehen und zögert nicht, unter meinem Dache vor dem schlechten Wetter und dem Regen‹ – es regnete in der Tat – ›Schutz zu suchen. Oft haben himmlische Götter bescheidenere Hütten besucht.‹ Seine Worte und die Witterung bewogen uns, ja zu sagen, und wir betraten die Vorhalle seines Palastes. [285] Der Regen hatte aufgehört, Nordwinde hatten den Südwind besiegt, und gelblich flüchteten die Wolken vom reingefegten Himmel. Wir wollten gehen – da schließt Pyreneus sein Haus ab und schickt sich an, uns Gewalt anzutun. Wir sind auf Flügeln entkommen. Als wolle er uns verfolgen, stand er hoch oben auf der Burg [290] und sprach: ›Wo für euch ein Weg ist, wird auch für mich einer sein.‹ Rasend wirft er sich von der höchsten Turmspitze hinab und fällt auf sein Antlitz; zerschmettert sind die Knochen des Gesichtes, sterbend zappelt er am Boden, den das Blut des Ruchlosen färbt.«
Die Pieriden (I)
Noch redete die Muse – da rauschten Flügel durch die Lüfte, [295] und hoch von den Zweigen herab kamen Grußworte. Iuppiters Tochter blickt empor und forscht, woher der Klang so deutlich sprechender Zungen komme; glaubt sie doch, ein Mensch habe gesprochen. Doch es war ein Vogel. Neun an der Zahl, hatten Elstern, die alles nachahmen können, auf den Ästen Stellung bezogen und beklagten ihr Los. [300] So begann zur staunenden Göttin die Göttin: »Es ist auch noch nicht lange her, daß diese hier nach einer Niederlage im Wettkampf die Schar der Vögel vermehrt haben. Pierus ist ihr Vater, ein reicher Mann im Gebiet von Pella, ihre Mutter Euippe aus Paeonien. Sie hat, neunmal in Geburtswehen, neunmal die mächtige Lucina angerufen. [305] Der törichten Schwesternschar stieg ihre große Zahl zu Kopf; sie ziehen durch viele haemonische und achaeische Städte, kommen schließlich hierher und eröffnen mit folgenden Worten den Kampf: ›Hört auf, das ungebildete Volk durch eitlen Wohlklang zu täuschen. Singt mit uns um die Wette, wenn ihr einen Funken Selbstvertrauen habt, [310] ihr Göttinnen von Thespiae! Wir werden euch weder stimmlich noch künstlerisch unterlegen sein, und wir sind ebenso viele wie ihr. Verlaßt entweder ihr, wenn ihr besiegt werdet, euren Medusenquell und die hyantische Aganippe, oder wir wollen aus den emathischen Feldern bis ins schneereiche Paeonerland weichen. Nymphen mögen Schiedsrichter sein.‹ [315] Es war zwar eine Schande, zu solch einem Wettkampf anzutreten. Aber die Schande schien uns noch größer, wenn wir nachgaben. Auserwählte Nymphen werden vereidigt, schwören bei ihren Flüssen, und schon haben sie auf Sitzen aus gewachsenem Fels Platz genommen.
Götterverwandlungen
Dann singt ohne Losentscheid diejenige als erste, die sich zum Wettkampf gemeldet hat. Sie singt vom Krieg der Himmlischen, rühmt zu Unrecht die Giganten, [320] schmälert die Taten der großen Götter. Sie erzählt, wie Typhoeus der Erdentiefe entstieg und den Himmelsbewohnern Angst einjagte, so daß sich alle zur Flucht wandten, bis das Land Ägypten die Erschöpften aufnahm und der Nil, der sich in sieben Mündungsarme gabelt. [325] Sie berichtet, wie der erdgeborene Typhoeus auch hierher kam und sich die Götter in Truggestalten verbargen. ›Zum Anführer einer Schafherde wird Iuppiter‹, spricht sie, ›daher wird der libysche Ammon auch heute noch mit gewundenen Hörnern dargestellt; der Gott von Delos hat sich im Raben versteckt, Semeles Sohn im Bock, [330] in der Katze die Schwester des Phoebus, Saturnia in einer schneeweißen Kuh, Venus in einem Fisch, der Cyllener im geflügelten Ibis.‹
Ceres und Proserpina
Soweit hatte sie zur Cithara den sangeskundigen Mund bewegt. Jetzt sind wir aonischen Schwestern an der Reihe – aber vielleicht hast du keine Zeit und Muße, unserem Gesang dein Ohr zu leihen?« – [335] »Zögere nicht und laß mich euer Lied der Reihe nach hören«, sprach Pallas und setzte sich in den lichten Schatten des Haines. Die Muse berichtet: »Wir ließen eine für uns alle zum Wettkampf antreten: Calliope. Sie erhebt sich, ihr wallendes Haar hält Efeu zusammen. Dann zupft sie mit dem Daumen die klagenden Saiten prüfend an [340] und läßt dieses Lied folgen, zu dem sie die Saiten schlägt:
›Als erste hat Ceres die Scholle mit krummem Pfluge geritzt, als erste den Landen Getreide und unblutige Nahrung geschenkt. Als erste hat sie Gesetze gegeben. Alle Dinge sind ihr Geschenk. Sie will ich besingen. O könnte ich ein Lied vortragen, [345] das der Göttin würdig wäre! Aber gewiß ist die Göttin eines Liedes würdig.
Die große Insel Trinacris ist auf Gigantenglieder geworfen worden und bedrängt unter ihrer gewaltigen Masse den Typhoeus, der es gewagt hat, einen Sitz im Himmel zu erhoffen. Er stemmt sich zwar dagegen und ringt oft darum, sich wieder zu erheben, [350] doch seine rechte Hand ist unter dem ausonischen Kap Pelorus eingezwängt, auf der linken lastet der Pachynus, auf den Schenkeln Lilybaeum. Der Aetna beschwert ihm das Haupt; darunter liegt er auf dem Rücken, schleudert Sand aus dem Mund und speit Feuer, der trotzige Typhoeus. Oft müht er sich ab, die schweren Erdmassen wegzuschieben, [355] Städte und hohe Berge von seinem Leibe abzuwälzen. Dann bebt die Erde, und sogar der König der stummen Schatten fürchtet, daß sie aufspringe, daß ein breiter Riß die Tiefe enthülle und eindringendes Tageslicht die aufgeregten Schatten erschrecke. Aus Furcht vor diesem Unheil hatte der Tyrann seinen düsteren Wohnort [360] verlassen und fuhr in einem Wagen mit schwarzen Rossen sorgfältig prüfend rings um Siziliens Grundfesten. Nachdem er sich hinreichend überzeugt hat, daß keine Stelle wankt, sieht ihn die Venus vom Eryx, wie er, von seiner Angst befreit, umherschweift. Auf ihrem Berge thronend, umarmte sie ihren geflügelten Sohn und sprach: [365] ‚Du meine Wehr, meine rechte Hand, du meine Stärke, mein Sohn! Nimm, Cupido, die Waffen, mit denen du alle besiegst, und ziele mit den schnellen Pfeilen auf die Brust des Gottes, dem bei der Dreiteilung der Weltherrschaft das letzte Los zugefallen ist. Du überwältigst die Himmlischen, sogar Iuppiter, du besiegst und bezähmst [370] die Meergottheiten und sogar den Beherrscher der Meergottheiten. Warum fehlt immer noch die Unterwelt? Wieso erweiterst du nicht das Reich deiner Mutter, dein Reich? Es geht um ein Drittel der Welt! Dabei werden wir im Himmel verachtet – so geduldig sind wir schon geworden! –, und man beschneidet meine und Amors Macht! [375] Siehst du nicht, daß Pallas und die Jägerin Diana sich mir entzogen haben? Auch die Tochter der Ceres wird Jungfrau bleiben, wenn wir uns das gefallen lassen; sie spielt nämlich auch schon mit solchen Gedanken. Ich beschwöre dich bei unserer gemeinsamen Weltherrschaft, wenn sie dir etwas bedeutet: Vereinige die Göttin mit deinem Oheim!‘ Soweit Venus. Er öffnete den Köcher, [380] ließ die Mutter wählen und legte von den tausend Pfeilen einen beiseite. Es gibt keinen schärferen, keiner trifft genauer ins Ziel, keiner gehorcht besser dem Bogen. Dann krümmte er das biegsame Horn, indem er das Knie dagegen stemmte, und traf Dis mit dem hakigen Pfeil ins Herz.
[385]