Metamorphosen. Ovid

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Metamorphosen - Ovid Reclam Taschenbuch

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und schmetterte ihn dem Feind mitten in die Nackenknochen – der stürzte vornüber zu Boden wie ein geschlachteter Stier. Der cinyphische Pelates versuchte, auch vom linken Türpfosten den Riegel zu entfernen: Während er es versuchte, wurde seine Rechte [125] durch die Lanzenspitze des Corythus aus Marmarica durchbohrt und blieb am Holz haften. Dem Angenagelten schlitzte Abas die Seite auf; er brach nicht zusammen, sondern hing sterbend am Pfosten, der seine Hand festhielt. Niedergestreckt wird auch Melaneus, der zum Lager des Perseus gehörte, und Dorylas, reich an Äckern im Nasamonerland, [130] Dorylas, reich an Äckern – keiner hatte größere Besitzungen, und niemand stapelte so viele Berge von Räucherwerk. Schräg in den Leisten blieb ihm die eiserne Speerspitze stecken. Eine Wunde an dieser Stelle ist tödlich. Als ihn der Bactrer Halcyoneus, der ihn verwundet hatte, mit dem Atem ringen und die Augen verdrehen sah, [135] sprach er: »Behalte von deinen vielen Äckern das Stück Erde, auf dem du liegst.« Und er ließ den entseelten Leib liegen. Auf ihn schleudert Abas’ Nachkomme als Rächer die aus der warmen Wunde gerissene Lanze; sie drang mitten in die Nase, kam im Nacken zum Vorschein und ragt nun nach zwei Seiten hervor. [140] Und solange seiner Hand das Glück nachhalf, streckte er Clytius und Clanis, Söhne einer Mutter, durch ganz verschiedene Verwundungen nieder; drang doch der Eschenschaft, mit wuchtigem Arm geschwungen, dem Clytius durch beide Oberschenkel, während Clanis mit dem Munde auf den Wurfspeer biß. Es fiel auch Celadon von Mendes; es fiel Astreus, [145] dessen Mutter aus Palaestina war – sein Vater war unbekannt –, es fiel Aethion, der sonst ahnungsvoll in die Zukunft blicken konnte, jetzt aber von einem trügerischen Vogelzeichen getäuscht worden war; es fiel Thoactes, der Waffenträger des Königs, und Agyrtes, der ehrlos war, weil er seinen Vater erschlagen hatte. Doch noch mehr als das Geleistete bleibt zu tun. Denn alle haben im Sinn, [150] den einen zu überwältigen; von allen Seiten kämpfen Scharen, eingeschworen auf eine Sache, die gegen Verdienst und Treuwort streitet. Zu Perseus stehen vergebens der treue Schwiegervater, die jungverheiratete Frau und ihre Mutter. Ihr Heulen erfüllt die Hallen; doch das Klirren der Waffen und das Stöhnen der Fallenden übertönt sie; [155] Bellona befleckt die Götter des Hauses, läßt den Palast im Blute schwimmen und das Handgemenge wieder aufleben. Den einen Mann umzingeln Phineus und tausend seiner Gefolgsleute; Wurfgeschosse sausen dichter als winterlicher Hagel rechts und links vorüber, vorbei an Augen und Ohren. [160] Er lehnt sich mit den Schultern an eine mächtige steinerne Säule. So hat er den Rücken frei, sieht den Scharen seiner Feinde ins Auge und hält den Angreifern stand. Von links bedrängte ihn der Chaonier Molpeus, von rechts der Nabataeer Echemmon. Wie eine Tigerin, die der Hunger treibt, [165] aus zwei entgegengesetzten Tälern das Muhen zweier Rinderherden gehört hat, nicht weiß, wohin sie lieber stürzen soll, und darauf brennt, in beide Richtungen zu springen, so war Perseus im Zweifel, ob er sich nach rechts oder nach links werfen sollte, und schaltete zuerst Molpeus aus, indem er ihm den Unterschenkel durchbohrte. Er gibt sich damit zufrieden, daß jener flieht; denn Echemmon läßt ihm keine Zeit, [170] sondern rast. Während er heiß begehrte, Perseus oben am Halse zu verwunden, zerbrach er das Schwert, mit dem er unüberlegt heftig zugestoßen hatte. Ganz außen an der Säule, auf die sie traf, zersprang die Klinge und blieb in der Kehle ihres Eigentümers stecken. Doch reichte jene Verwundung nicht aus, ihn zu töten. [175] Den Erschrockenen, der vergebens die waffenlosen Arme ausstreckt, stößt Perseus mit dem cyllenischen Sichelschwert nieder.

      Doch als er sah, daß seine Tapferkeit der Übermacht unterlag, sprach Perseus: »Da ihr selbst mich dazu zwingt, will ich mir vom Feind Hilfe holen. Wendet euer Gesicht ab, [180] ihr Freunde, wenn noch einer von euch da ist.« Und er enthüllte das Antlitz der Gorgo. »Such dir einen andern, um ihn mit deinen Rätselsprüchen zu beeindrucken«, sprach Thescelus; und so, wie er dastand, bereit, die tödliche Lanze zu werfen – in dieser Haltung blieb er als Marmorbild stehen. Dicht neben ihm geht Ampyx mit dem Schwert auf die Brust des Lynciden los, [185] die von gewaltigem Mut geschwellt war, und mitten im Angriff erstarrte ihm die Rechte und bewegte sich weder vor- noch rückwärts. Da sprach Nileus, der erlogen hatte, er stamme vom siebenarmigen Nil – auf seinem Schild prangten sieben Flußarme, teils in getriebenem Silber, teils in Gold –: [190] »Sieh, Perseus, den Ursprung meines Geschlechts! Du wirst es als großen Trost ins stille Schattenreich mitnehmen, daß du von der Hand eines so gewaltigen Helden gefallen bist« – der Rest seiner Rede blieb ihm im Halse stekken, und man könnte meinen, der halbgeöffnete Mund wolle sprechen, doch läßt er keine Worte nach außen dringen. [195] Eryx fährt diese Männer an und spricht: »Wenn ihr erstarrt seid, so liegt das an mangelndem Mut, nicht an der Kraft der Gorgo. Stürmt mit mir zusammen auf ihn ein und streckt den Mann zu Boden, der zu Zauberwaffen greift.« Er wollte losstürmen; doch seine Sohlen hielt die Erde fest. Stehen blieb er, ein unbeweglicher Stein, ein bewaffnetes Standbild. [200] Diese traf die Strafe verdient, doch einer, Aconteus, ein Soldat des Perseus, gefror, während er für ihn kämpfte, beim Anblick der Gorgo plötzlich zu Stein. Astyages glaubt, er sei noch am Leben, und schlägt ihn mit dem langen Schwert; da klirrt die Klinge hell auf. [205] Und während Astyages stutzt, hat seine Natur sich ebenso verändert, und dem Marmorantlitz bleibt der staunende Ausdruck. Es würde zu weit führen, die Namen der Männer aus dem einfachen Volke zu nennen; zweihundert Mann waren noch kampffähig, und alle zweihundert erstarrten beim Anblick der Gorgo.

      [210] Erst jetzt bereut Phineus seinen ungerechten Krieg. Doch was soll er tun? Er sieht Standbilder in verschiedenen Stellungen, erkennt die Seinen, ruft jeden beim Namen, bittet ihn um Hilfe, will seinen Augen nicht trauen und berührt die Männer, die unmittelbar neben ihm stehen. Sie waren Marmor; er wendet sich ab, streckt [215] – als Bekenntnis seiner Schuld – Hände und Arme flehend zur Seite und spricht: »Der Sieg ist dein, Perseus! Entferne dein Zauberwerk, das versteinernde Gesicht deiner Meduse, was es auch sein mag! Nimm es, bitte, hinweg! Nicht Haß noch Herrschsucht haben mich zum Krieg getrieben; um der Gattin willen habe ich zu den Waffen gegriffen. [220] Dir gab deine Leistung den Vorrang, mir meine älteren Rechte. Ich bereue, daß ich dir nicht nachgegeben habe. Gestehe mir nichts außer dem Leben zu, du Tapferster! Das Übrige soll dir gehören.« So sprach er und wagte nicht, sich nach dem Mann, den er bat, umzusehen. Der aber versetzte: »Was ich dir, du überängstlicher Phineus, [225] verleihen kann und was ein großes Geschenk für eine Memme ist – keine Angst, ich will es dir verleihen: Kein Eisen soll dich verletzen! Ja, ich will dir sogar ein Denkmal setzen, das die Zeiten überdauert, und im Hause meines Schwiegervaters wirst du stets zu sehen sein, so daß meine Gemahlin sich am Bilde ihres Bräutigams trösten kann.« [230] Sprach’s und brachte die Meduse dorthin, wohin sich Phineus mit angsterfülltem Gesicht gewandt hatte. Als er auch jetzt noch versuchte, den Blick abzuwenden, versteifte sich sein Nacken; das Feuchte in den Augen wurde steinhart; doch das ängstliche Gesicht, die flehende Miene, die demütige Gebärde [235] der Hände und das schuldbewußte Aussehen blieben auch dem Marmorbild.

      Spätere Taten des Perseus

      Als Sieger zieht der Nachkomme des Abas mit seiner Gattin in die Mauern seiner Vaterstadt ein und greift als Fürsprecher und Rächer seines Großvaters, der es nicht verdiente, den Proetus an: Hatte doch dieser den Bruder mit Waffengewalt verjagt und sich die Stammburg des Acrisius angeeignet. [240] Doch weder mit Waffen noch mit der Burg, die er unrechtmäßig eingenommen hatte, konnte er den finsteren Blick des schlangentragenden Ungeheuers besiegen.

      Dich freilich, Polydectes, Herrscher auf der kleinen Insel Seriphus, hatten weder das Heldentum des jungen Mannes, das in soviel Mühsal erprobt war, noch sein Unglück weich gestimmt. Hart verfolgst du ihn mit unerbittlichem Haß, [245] und der ungerechte Zorn findet kein Ende. Ja, du schmälerst auch noch seinen Ruhm und behauptest, die Ermordung der Meduse sei reine Erfindung. »Ich will dir die Wahrheit beweisen. Schützt eure Augen!« So sprach Perseus und machte das Gesicht des Königs durch das der Meduse zu leblosem Stein.

      Pegasus

      [250] So weit hat Tritonia ihrem vom goldenen Regen erzeugten Bruder ihr Geleit geschenkt; dann verläßt sie Seriphus, in eine bergende Wolke gehüllt, rechts läßt sie Cythnus und Gyarus liegen, und auf dem Weg, der ihr der kürzeste schien, eilt sie über das Meer nach Theben und zum Helicon, dem Berg der jungfräulichen Musen. [255] Sie kam dort an, blieb stehen und

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