Irren ist göttlich. Daniel Sand

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Irren ist göttlich - Daniel Sand

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vor.«

      Der Zauberer (in Ausbildung) warnte ihn vor allerlei falschen Feen und Druiden und der Kutscher haute ihm zum Abschied seine kräftige Pranke so fest auf die Schulter, dass Thariel sich sicher war, dass er den Schmerz noch bei seiner Rückkehr ins Dorf spüren würde – sollte es je zu einer solchen Heimkehr kommen.

      Weil langsam die Dämmerung hereinbrach, dauerte dieser letzte Abschied nicht lange. Die drei wollten das Dorf wieder erreichen, bevor es Nacht wurde, denn in der Dunkelheit konnten die Wesen hier draußen sehr unangenehm werden. Außerdem hatte Zimon noch eine private Verabredung, was ihm aber keiner glaubte. Die Kutsche wendete und verschwand nach wenigen Augenblicken in den Nebelschwaden.

      Thariel war zum ersten Mal auf sich alleine gestellt und der Regen prasselte auf ihn herab.

      Thariel lief los. Er sollte der befestigten Hauptstraße folgen und kam gut voran. Doch er fühlte sich nicht sicher auf den Beinen. Bei jedem Schritt hatte er das Gefühl, dass etwas nicht stimmte. Sein Weg wurde von mächtigen Fliederbäumen eingerahmt, deren Blätterwerk sich weit über ihm berührten und so den Eindruck eines Tunnels machten. Dann wurde ihm sein Problem klar: die befestigte Straße. Thariel war noch nie auf einer solchen gelaufen. Es fühlte sich unangenehm an, wenn der Untergrund nicht nachgab, weswegen er versuchte, zwischen der Straße und den Fliederbäumen zu gehen. Im Dickicht summten, pfiffen und zirpten die Kreaturen des Waldes. Bald würde die Sonne untergehen, was Thariel beunruhigte, weil in der Nacht seltsame Wesen durch die Wälder wandelten.

      Er wusste schon seit Kindertagen, dass man ihnen aus dem Weg gehen sollte. Normalerweise war das auch kein Problem, man ging einfach ins Haus und schloss die Türe oder unterhielt sich laut mit einem Begleiter, wenn man auf Reisen war. Aber Thariel hatte hier draußen weder Begleiter noch eine Haustüre und wenn er ... ein rot schimmerndes Wesen schwebte aus dem Wald hervor, der in der Nacht nur noch aus einem schwarzen Schlund zu bestehen schien. Man konnte durch das Wesen hindurchsehen wie durch klares Wasser. Es hatte den Kopf und den Körper eines Menschen, aber anstelle der Armen und Beinen nur unzählige schmale Streifen, die bei jeder Bewegung wie Papier im Wind flatterten.

      Thariel versuchte, nicht hinzusehen.

      »Du, hey du!«, rief das Wesen. Thariel tat so, als ob er nichts gehört hatte. Manchmal funktionierte es. Doch schon schwebte es an seiner Seite. Es hatte harte Gesichtszüge und seine Augen funkelten vor Wut. Seine Hände zitterten und ballten sich immer wieder zu Fäusten.

      »Ich kann es nicht mehr hören!«, schrie das Wesen aus der Dunkelheit Thariel an, »immer werde ich vertröstet. Wie lange noch? Gerade letzte Woche war es wieder soweit, ich warte und warte und mir wird versprochen, dass ich jetzt an der Reihe bin und was passiert dann? Mein Schalter wird zugemacht! Der Kerl vor mir wird noch durchgewunken, ich nicht! Seit Jahrhunderten geht das schon so. Was für ein Pech kann man haben? Wobei ich denke, das hat System. Man will mich bestrafen, mich brechen. Weil ich eine eigene Meinung habe. Das gefällt nicht allen. Und darum wird versucht, mich verrückt zu machen! Ich kann schon nicht mehr zählen, wie oft die direkt vor mir den Schalter zugemacht haben, glaubst du mir das?«

      Thariel ging weiter und er spürte anklagende Blicke auf sich ruhen. Er wollte nicht, aber etwas zwang ihn dazu, »ja« zu sagen.

      »Wenigstens einer glaubt es mir!«

      Jetzt schwebte das Wesen direkt vor Thariel. Ihre Köpfe trennten nur wenige Zentimeter.

      »Die wollen mich brechen, zermürben. Aber da kennen die mich schlecht. Meine Zeit kommt noch! Sie kommt!«

      Das Wesen schwieg jetzt und blickte Thariel ernst an, was fast noch gespenstischer war, als wenn es sprach.

      »Tut mir leid für Sie«, hörte er sich sagen und ärgerte sich schon beim Sprechen darüber.

      »Danke!«, donnerte das Wesen mit neuer Wut los, »manchmal denke ich, ich bin verflucht und das wird nie aufhören. Manche warten schon seit Tausenden von Jahren! Aber ich denke, irgendwann muss ich einfach an der Reihe sein. Es ist mein Recht, mein Recht!«

      Die letzten Worte schrie es so laut, dass Thariel die Ohren weh taten.

      »So«, kam es danach deutlich ruhiger und fast entspannt, »das hat gutgetan, sich mal Luft zu machen, den Ärger loszuwerden. Danke, mein Freund, danke.«

      Während es diese Worte sprach schwebte es in die Dunkelheit davon und schimmerte noch kurz zwischen den Ästen, bevor es vom Wald verschluckt wurde.

      Thariel dröhnte der Kopf und er beeilte sich, schnell weiterzukommen.

      In einiger Entfernung sah er drei weitere Wesen lautlos über den Weg gleiten. Eine ganze Gruppe, das hätte ihm noch gefehlt. Dabei hatte er durchaus Mitleid mit diesen Geistern noch nicht geborener Wesen, die sich immer übergangen fühlten. Oft sogar zu Recht, weil viele von ihnen wirklich schon lange warteten und deswegen irgend­wann keine Geduld mehr hatten.

      Endlich hatte er den Wald hinter sich gelassen und schlief in einer kleinen Höhle ein. Als er erwachte, schien die Sonne und er blickte staunend auf eine Wiese hinab, die er in der Nacht nicht gesehen hatte. Der Wind wiegte die Halme, als ob sie bei der Morgengymnastik waren. Was hinter der Wiese folgte, sah sogar noch schöner aus. Ein Blumenmeer aus allen möglichen Farben. Thariel atmete den frischen Duft von Gras und Blumen ein, als er den Hügel hinablief. Die Sonne kitzelte ihm auf der Nase und für einen Augenblick vergaß er dabei, dass die Regenwolke über ihm niederging. Er legte sich auf das warme Gras und schaute in den Himmel hinauf, der in kräftigem Blau und mit wenigen weißen Wolken vom süßen Sommer sprach. Es duftete nach den Rosen und Lavendel, nach Chrysanthemen und Gladiolen, nach Tulpen und Narzissen des nahen Blumenmeers. Thariel fühlte sich wohl hier im hohen Gras und wälzte sich übermütig hin und her. Die Halme kitzelten ihn an Armen und Beinen und er fühlte sich bei ihnen geborgen. Trotzdem stand er bald wieder auf, das Blumenmeer zog ihn an.

      Während er sich dem Meer näherte, strichen seine Hände über die Gräser, als sei er der Hirte und sie seine Herde. Dann blieben sie zurück und er stand vor dieser gewaltigen wogenden Blumenpracht, die sich in all ihren Farben bis zum Horizont erstreckte. Seine Augen waren mit all diesen Farben ebenso überfordert wie seine Nase mit den süßen Düften, die in der Luft lagen. Er wollte nicht nur am Ufer stehen, er wollte zwischen all diesen Blumen liegen und in sie eintauchen. So nahm er Anlauf und sprang ins Blumenmeer … und spürte, wie oben und unten sich auflösten und ihn etwas mit sich riss. Seine Arme und Beine fanden keinen Halt, unsichtbare Kräfte zogen ihn mit sich. Thariel konnte noch ein letztes Mal die Sonne als gelben Punkt erahnen, nun schon weit weg und wie durch einen Filter. Und dann dachte er, dass er doch nicht wirklich schon wieder ertrinken konnte. Ihm wurde schwarz vor Augen. Er spürte nur noch, dass er sank und sank, tiefer und immer tiefer.

      HATSCHI! HATSCHI!

      Das Niesen weckte Thariel auf, der nur mit Mühe die Augen öffnen konnte. Er erkannte sehr verschwommen und doch direkt vor sich eine Person, die sich mit einem Taschentuch die Nase putzte. Es dauerte noch weitere Augenblicke, bevor er wieder klar sehen konnte. Wo war er hier? Die Welt schien sich auf und ab zu bewegen. Und wer war diese Person, die ihn da so brutal angrinste und dabei zwei verholzte Zahnreihen zeigte? Sowohl oben als auch unten hatte diese Person nur noch Zähne aus Fichtenholz, wie Thariel beim Blick auf diesen Mundforst vermutete. Auch der restliche Mann wirkte verwegen und entschlossen und wie einer, der beim Münzwurf zu oft auf Zahl gesetzt hatte, wenn es Kopf wurde. Narben überzogen sein Gesicht rund um die breite Nase, doch machten vor allem die Augen einen schlimmen Eindruck. Rot unterlaufen, tränend und dick angeschwollen. Um das linke Knie hatte

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