Kalte Nacht. Anne Nordby
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»Joakim und ich werden weiter die Leute im Ort befragen, während die anderen in Richtung des Nowak-Hauses ausschwärmen«, erklärt Maja. »Willst du uns begleiten oder bei der Suche helfen?«
Skagen zögert, blickt von Görans kontrolliert cooler Miene zu Joakims gerötetem Gesicht. »Ich glaube«, sagt er vorsichtig, »ich möchte mir zuerst einen Eindruck von dem Haus verschaffen. Ist es von der Kriminaltechnik freigegeben?« Bei der Durchsuchung kann er, ohne die Befugnisse dafür zu haben, nicht viel falsch machen, bei Befragungen schon. Also würde er sich da vorerst raushalten.
»So weit, ja«, entgegnet Göran. »Natürlich kann es sein, dass wir noch nachträgliche Beweise sichern müssen, also verändern Sie nichts, okay?«
»Klar.« Auch wenn sich der Ermittlungsleiter ihm gegenüber wie eine einzige Provokation verhält, hütet Skagen sich, darauf einzusteigen. Allerdings nicht, weil er generell Kompetenzgerangel meidet, sondern weil es in seiner prekären Situation äußerst unklug wäre, einen Streit anzuzetteln.
»Okay«, sagt Maja. »Dann knüpfen wir da an, wo wir gestern aufgehört haben, und arbeiten uns systematisch durch die Straßen.«
»Alright, wir halten Funkkontakt.« Göran Berg gibt ihnen ein Zeichen, und die vier Gruppen von Polizisten marschieren los. Zuerst in Richtung der Bahngleise, die den Ort in zwei Hälften schneiden, danach wartet das unwegsame Gelände des Waldes auf sie.
Keine zehn Minuten später hält Berg mit dem Mannschaftswagen vor der Polizeiabsperrung in der Einfahrt der Nowaks. Auf dem Weg hierher hat Skagen ein Schild mit »Ärkilsgård« darauf entdeckt. Ture Dahlberg wohnt also tatsächlich in der Nähe.
Als sie aussteigen, rückt Göran Berg seine Sonnenbrille zurecht und faltet die Karte von Hultsjö und Umgebung auseinander, die er an der Windschutzscheibe des Busses befestigt.
»Halten Sie das eigentlich für angemessen?«, fragt er, ohne sich umzudrehen.
»Was meinen Sie?«, erkundigt Skagen sich irritiert.
Der Ermittlungsleiter zeigt auf sein T-Shirt. »Na, der Spruch. Reichlich unpassend für einen Polizisten, finden Sie nicht?«
Skagen schaut an sich hinunter und begreift. Auf seiner Brust prangt der Satz »Who can you trust?«, der Titel seiner Lieblingsplatte von Morcheeba. Göran Berg hat recht. Es spiegelt tatsächlich nicht das Bild eines seriösen Polizeibeamten wider. Normalerweise trägt er das Shirt nicht bei der Arbeit, aber als er gestern Nacht losgefahren ist, wusste er ja nicht, dass er heute an einer polizeilichen Aktion teilnehmen würde.
Ohne einen Kommentar zieht Skagen das T-Shirt aus und dreht es auf links. Dabei entgeht ihm nicht, dass Göran seinen bloßen Oberkörper taxiert und die Narben auf der Brust entdeckt. Schnell streift er das Shirt wieder über und fragt, ob es so okay ist. Fast hätte er erwartet, dass Göran jetzt auch noch die Schweißflecke unter seinen Achseln moniert, doch der Polizeiinspektor nickt mit großzügiger Geste. Danach zieht er sein Funkgerät aus der Halterung an seinem Gürtel und folgt Skagen auf dem Weg zum Haus. Das ständige Knacken und Knistern des Funks durchbricht dabei die Stille des Waldes.
Skagen versucht, alles Störende auszublenden, und geht mit wachen Sinnen die Schotterauffahrt entlang. Zuerst kommt eine Scheune in Sicht. Langgestreckt und windschief kauert sie neben dem Weg. Bestimmt ist sie über 100 Jahre alt. Das hier muss mal ein Bauernhof gewesen sein. Aber eher einer von der ärmlichen Sorte, auf dem sich die Menschen den Rücken krumm gearbeitet haben, um in dieser kargen Umgebung zu überleben. Keine dieser hübschen småländischen Bilderbuchvillen mit ihren Mansardengiebeldächern, wie man sie aus Reiseprospekten kennt.
Das Wohnhaus der Hofstelle sieht in Wirklichkeit wesentlich heruntergekommener aus, als es das auf den Bildern der Nachbarstochter Jenny getan hat. Vermutlich liegt es daran, dass gerade renoviert wird. Jemand hat begonnen, die Farbe an der Fassade abzukratzen und einige der weißen Rahmen um die Fenster abzulösen. Skagen nimmt an, dass sie morsch geworden sind und nach dem Streichen gegen neue ersetzt werden sollten. Doch das wird wohl erst mal nicht geschehen.
Er bleibt stehen und nimmt den Gesamteindruck der Gebäude in sich auf. Hinter ihm stoppt Göran, Skagen fühlt dessen Blick in seinem Rücken. Er kann es dem Ermittlungsleiter nicht verübeln, schließlich ist er eine unbekannte Komponente. Wenn er Berg wäre, würde er ihn genauso im Auge behalten.
Skagen konzentriert sich wieder auf das Haus. Es ist einstöckig mit einem stinknormalen ziegelgedeckten Satteldach, das von Moos übersät ist. Der Hauseingang wird durch einen Windfang mit Einfachverglasung geschützt. Der Bau wirkt insgesamt schlicht, weist kaum Zierelemente auf und besitzt ein Steinfundament, in dem sich vermutlich ein Kriechkeller befindet, wie es für solche Häuser typisch ist.
Skagen wendet den Kopf und entdeckt am Rand des Gartens, der von einer Mauer aus Findlingen begrenzt wird, einen Erdkeller, dessen Tür offen steht. Auf dem vertrockneten Rasen wachsen mehrere alte Apfelbäume, die lange nicht mehr professionell geschnitten worden sind. Eine Wand aus hohen Tannen umringt das Grundstück auf drei Seiten und nimmt viel Licht weg. Alles in allem ist es ein nicht besonders gepflegter Besitz. Viel können die Nowaks dafür nicht bezahlt haben.
Langsam geht Skagen um das Haus herum. Die Funkgeräusche verraten ihm, dass Göran ihm folgt. Doch Skagen versucht weiterhin, die Stimmung einzufangen. Das ist wichtiger als sein Ärger über den aufdringlichen Kollegen.
Auf der Rückseite des Hauses befindet sich eine überdachte Veranda, die definitiv bessere Tage gesehen hat. Einige der Planken sind durchgemodert und bilden gefährliche Stolperfallen.
Das Gelände auf dieser Seite des Grundstücks fällt leicht ab, und rasch hat Skagen eine Kloakengrube entdeckt, die am Waldrand hinter einem Erdwall liegt. Der Geruch nach Fäkalien dringt in seine Nase, als er sich dem Betondeckel nähert. Ein Stück weiter links liegt ein altes Sickerbecken, das seinen Dienst an den Menschen getan hat, bevor die modernere Mehrkammertechnik eingeführt wurde. Verdorrtes Schilf zeigt an, dass in dem kleinen Tümpel normalerweise Wasser steht, jetzt ist er bis auf den rissigen Grund ausgetrocknet. Jemand hat darin gegraben, Skagen bemerkt Spatenstiche und eingetrocknete Fußspuren.
»Sind die gesichert worden?« Er dreht sich zu Göran um, der ihn durch seine Sonnenbrille anstarrt.
»Gehe ich von aus. Unsere Jungs sind sehr gründlich. Und? Was denken Sie?«
»Bis jetzt noch nichts.« Diese Aussage stimmt zwar nicht, aber Skagen hat keine Lust, seine Meinung mit jemandem zu teilen, der bisher nichts anderes getan hat, als ihn misstrauisch zu beäugen. Außerdem will er zuerst in Ruhe seinen Rundgang beenden.
Als er sich dem Wohnhaus nähert, entdeckt er zu seiner Linken ein schiefes Toilettenhäuschen und eine andere ähnlich labil aussehende Hütte, in der früher bestimmt Werkzeug und Gartensachen aufbewahrt worden sind. Alles in allem zählt er auf dem Gelände fünf Gebäude, und das ist beinahe wenig für schwedische Verhältnisse. Eigentlich fehlen noch ein Gewächshaus, ein Gartenpavillon und mindestens ein Gästehaus. Besser wären zwei oder drei – man weiß ja nie, wer alles zu Besuch kommt.
Am Haupteingang mit dem Windfang bricht er nach einem zustimmenden Nicken von Göran das polizeiliche Siegel auf. Im Flur bleibt Skagen stehen und lässt zuerst die verschiedenen Gerüche auf sich wirken, die das Haus ausatmet. Altes Kiefernholz mit einer frischeren Harznote, Staub und muffiges Papier und etwas dumpfer darunter ein Hauch von Erde, am deutlichsten sticht der Gestank nach Kloake und gammelndem Müll hervor, der vermutlich in der Küche darauf wartet, rausgebracht zu werden.
Achtsam