Syltwind. Sibylle Narberhaus

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Syltwind - Sibylle Narberhaus

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sich hin, den Blick auf den Toten gerichtet.

      »Vermutlich«, fuhr der Notarzt ungefragt fort, »ist er ins Wasser gefallen und ertrunken. Ich habe keine auffälligen Wunden feststellen können. Die Schramme im Gesicht stammt vermutlich von dem Sturz ins Wasser. Bestimmt hat er heute Nacht ordentlich gefeiert und ist anschließend betrunken dort drüben ins Hafenbecken gefallen.« Er deutete in südliche Richtung. »Die Strömung hat den Leichnam dann bis hierher getrieben. Das wäre nicht das erste Mal, dass solche Missgeschicke vorkommen. Die Leute sind einfach zu leichtsinnig im Umgang mit Alkohol. Das erleben wir während der Saison öfter, als uns lieb ist.« Die Verbitterung in seiner Stimme war unverkennbar.

      »Die Obduktion wird eine eindeutige Klärung ergeben«, überging Nick den Einwand des Arztes.

      »Er könnte ebenso vollkommen nüchtern gewesen sein und ist versehentlich gefallen. Vielleicht ist er aber auch absichtlich gestoßen worden?«, stellte ich zur Diskussion.

      Der Arzt fixierte mich einen kurzen Augenblick lang mit seinem bohrenden Blick, doch dann winkte er resigniert ab. »Sie lesen zu viele Krimis, junge Frau«, konterte er. »Was meinen Sie, was ich in meiner Laufbahn alles schon erlebt habe. Ich könnte ein Buch darüber schreiben.« Dann zog er mit einem Ruck den Reißverschluss seiner Tasche zu und richtete sich schwerfällig auf. Sein linkes Knie machte ihm beim Aufstehen erkennbar zu schaffen. »So, ich glaube, meine Anwesenheit ist nicht länger erforderlich. Ich widme meine Zeit lieber lebendigen Patienten. Viel Erfolg bei der Ursachenforschung!« Mit diesen Worten trottete er zu seinem Wagen, wobei er das linke Bein leicht schonte, was ein humpelndes Gangbild vermittelte.

      »Komischer Kauz«, bemerkte Uwe und blickte ihm mit gerunzelter Stirn nach. »Wie beurteilst du die Situation, Nick? Haben wir es mit einem Verbrechen zu tun?« Er sah seinen Freund und Kollegen erwartungsvoll an.

      »Auf Anhieb schwer zu sagen. Siehst du die Verletzung an der Schläfe?«

      Ich hatte mich auf einer Treppenstufe niedergelassen, da meine Knie sich anfühlten, als seien sie aus Pudding. Der Mann war zwar nicht der erste Tote, den ich in natura gesehen hatte, trotz allem konnte und wollte ich mich nicht an derartige Anblicke gewöhnen müssen. Ich war Landschaftsarchitektin und keine Kripobeamtin. Wie auch bei meinem letzten Kontakt mit einem Toten – damals hatte Pepper eine Leiche buchstäblich ausgegraben – verspürte ich zunehmend ein unangenehmes Gefühl in der Magengegend aufsteigen.

      »Du hast recht, die Verletzung ließe sich auf einen Schlag mit einem stumpfen Gegenstand zurückführen«, mutmaßte Uwe und kratzte sich nachdenklich den Vollbart.

      »Die Tatwaffe zu finden, könnte sich als schwierig erweisen«, stellte Nick fest.

      »Da stimme ich dir vollkommen zu. Sieh dir das Hafengelände an!« Er machte eine ausholende Armbewegung. »Hier wimmelt es förmlich von potenziellen Tatwaffen, wenn ich mich so umsehe. Das gleicht einer Suche nach der berühmten Nadel im Heuhaufen.«

      »Die Verletzung könnte ebenso beim Sturz ins Wasser entstanden sein. Vielleicht ist er gegen einen harten Gegenstand gestoßen, den Steg vielleicht, daraufhin ist er ohnmächtig geworden, ins Wasser gefallen und schließlich ertrunken. Oder er war bereits tot, als er ins Wasser geworfen wurde«, meldete ich mich zu Wort.

      »Willst du für uns die Ermittlungen übernehmen?«, fragte Uwe und legte den Kopf leicht schief.

      Ich merkte, wie mir augenblicklich die Röte ins Gesicht schoss. »Entschuldigt bitte, ich wollte mich nicht einmischen.« Hilfe suchend sah ich zu Nick, dessen Mundwinkel amüsiert zuckten.

      »Das war nicht böse gemeint, Anna. Dieselben Fragen stellen wir uns natürlich auch«, zeigte sich Uwe versöhnlich.

      »Über den genauen Tathergang wird uns letztendlich der Rechtsmediziner aufklären«, fügte Nick hinzu. »Wichtiger wäre momentan zu wissen, um wen es sich bei dem Toten handelt.«

      »Ansgar!«, rief Uwe einen der uniformierten Polizisten zu uns herüber.

      »Moin, zusammen. Uwe, was gibt’s?«

      »Habt ihr mittlerweile etwas über die Identität des Toten herausfinden können? Kennt ihn zufällig jemand auf dem Hafengelände?«

      »Fehlanzeige. Von den Befragten vor Ort kennt ihn niemand. Papiere hatte er nicht bei sich, jedenfalls haben wir nichts dergleichen gefunden. Die können natürlich irgendwo auf dem Meeresgrund liegen«, überlegte er.

      »Schade, das hätte uns einiges an Arbeit erspart.« Uwe strich sich resigniert über den Bart.

      »Tut mir leid, dass ich dir nicht mehr bieten kann. Vielleicht ist er draußen vor der Küste von einem der Schiffe über Bord gegangen. Wäre immerhin ein Szenario. Ich kann mich bei den Reedereien umhören, ob ein Passagier oder ein Besatzungsmitglied seit Kurzem vermisst wird«, schlug Ansgar vor.

      »Wie ein Fischer oder Hafenarbeiter sieht er seinem Kleidungsstil nach zu urteilen nicht unbedingt aus. Tja, wer weiß. Ich wäre dir jedenfalls dankbar, wenn du das übernehmen könntest. Danke, Ansgar.« Dann wandte sich Uwe seinem Kollegen Nick zu, der den Toten nachdenklich betrachtete und sich den Nacken rieb. »Was geht dir durch den Kopf?«

      »Seinem Zustand nach zu urteilen, liegt er noch nicht allzu lange im Wasser«, vermutete Nick.

      »Ich bin gespannt, was Dr. Luhrmaier und sein Team herausfinden werden«, warf Uwe ein.

      »Das ist der Rechtsmediziner, den ich im Fall des ermordeten Bauunternehmers kennengelernt habe, oder?«, fragte ich nach.

      »Ja, er ist ein Genie auf seinem Gebiet, menschlich gesehen kann er allerdings verdammt anstrengend sein«, erwiderte Uwe und zog eine vielsagende Grimasse.

      »Dann will ich euch nicht länger aufhalten«, beschloss ich, verabschiedete mich von den beiden Männern und brach auf zu meinem Auto.

      Aufgrund des Leichenfundes und der damit einhergehenden Maßnahmen wie Spurensicherungen und Zeugenbefragungen war der heutige Segelkurs abgesagt und auf einen späteren Zeitpunkt verschoben worden. Als ich mich dem Parkplatz näherte, blieb mein Blick an einem dunkelblauen Golf hängen, vor dessen Fahrertür etwas Längliches auf dem Boden lag. Neugierig ging ich darauf zu und erkannte im Näherkommen, dass es sich um eine Parkscheibe handelte. Vermutlich befand sie sich im Ablagefach der Tür und war dem Fahrer beim Aussteigen herausgefallen. Ich hob sie auf und bemerkte dabei, dass die Tür nicht fest verschlossen war. Daraufhin warf ich einen Blick ins Innere des Wagens und erkannte im Fußraum und auf dem Beifahrersitz unzählige leere Getränkeflaschen aus Kunststoff, die alle fein säuberlich in Einkaufsbeuteln aus Baumwolle verpackt waren. Ansonsten befand sich der Wagen innen wie außen in einem sehr gepflegten Zustand. Kurzerhand umfasste ich den Türgriff der Fahrertür, die sich ohne Weiteres öffnen ließ. Als ich gerade die Parkscheibe auf den Fahrersitz legen wollte, bemerkte ich, dass der Schlüssel im Zündschloss steckte, und fragte mich, warum jemand sein Fahrzeug unverschlossen auf einem großen Parkplatz inmitten des belebten Hafenviertels abstellte. Der Besitzer musste doch befürchten, sein Wagen könnte gestohlen oder zumindest beschädigt werden. Ich sah mich nach dem Fahrer um, konnte jedoch niemanden weit und breit entdecken, der sich dem Fahrzeug zugehörig fühlte. Die Situation erschien mir zusehends suspekter, und plötzlich schoss mir ein Gedanke durch den Kopf.

      Kapitel 3

      »Moin«, brummte Steen, als er die Küche betrat und sich auf einen der Stühle am Küchentisch fallen ließ. Er wirkte unausgeschlafen, sein Haar war vom Duschen noch feucht.

      »Moin,

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