Syltwind. Sibylle Narberhaus
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Читать онлайн книгу Syltwind - Sibylle Narberhaus страница 7
»Ein Unfall mit Todesfolge wäre schon schlimm genug, aber ein Mord auf Sylt hätte weitreichende Folgen«, überlegte ich. »Das würde für eine Menge Unruhe sorgen, wenn die Presse darüber berichtet. Ausgerechnet jetzt, wo der Kitesurf-Cup in Kürze beginnt. Ich könnte mir vorstellen, dass einige Besucher die Insel meiden werden, solange ein Mörder sein Unwesen treibt.«
»Ich glaube kaum, dass die Leute sich davon abschrecken lassen. In jeder Stadt kann ein Mord passieren, trotzdem verlassen nicht alle Menschen den Ort oder setzen keinen Fuß mehr dorthin. Mit Sylt ist es ähnlich, außerdem findet immer irgendein Event auf der Insel statt, das die Besucher anlockt. Zudem leben wir in einer sich schnell verändernden Zeit. In ein paar Tagen spricht kaum noch jemand darüber. Das ist doch beinahe mit allen Dingen so«, entgegnete Nick. Mit einem Blick auf mein leeres Glas fragte er: »Magst du noch einen Schluck Wein?«
»Für heute habe ich genug, danke. Morgen früh muss ich fit sein. Ich habe einen wichtigen Termin.« Nick hob fragend die Augenbrauen. »Bei der Werbeagentur ›A.K. Sea‹ in der Friedrichstraße«, half ich ihm auf die Sprünge.
»Wegen deines neuen Internetauftrittes, stimmt. Das hatte ich vollkommen verdrängt. Sagtest du nicht, dass die Agentur momentan keine Neuaufträge annimmt? Geht nicht außerdem morgen dein Segelkurs weiter?«
»Der ist auf nächste Woche verschoben worden. Was die Werbeagentur angeht, hast du recht. Ich habe ein bisschen meinen Charme spielen lassen, und nach anfänglichem Zögern hat der Inhaber, Arno Kelsterbach, sich doch bereit erklärt, mir einen Termin zu geben.«
»Interessant.« Nick verzog den Mund und trank einen Schluck Wein. »Übertreib es bloß nicht.«
»Womit?«
»Mit deiner Charmeoffensive. Kelsterbach gilt als äußerst aufgeschlossen, was das weibliche Geschlecht angeht, wenn du verstehst, was ich meine. Sei also besser auf der Hut!«
»Ach, Nick!« Ich stieß ihn spielerisch in die Seite und kuschelte mich dann an ihn. »Du kannst vollkommen entspannt bleiben. Kelsterbach interessiert mich nicht im Geringsten, mir geht es ausschließlich um meine neue Website. Das ist höchste Zeit, dass sie moderner wird. Solange ich dich habe, bin ich gegen jegliche Annäherungsversuche anderer Männer ohnehin immun.«
»Das will ich hoffen.« Ein jungenhaftes Grinsen erschien auf Nicks Gesicht.
Kapitel 4
»Liegt schon eine Rückmeldung von Dr. Luhrmaier im Fall Münkel vor?«, erkundigte sich Uwe, als er am nächsten Morgen das Büro betrat und sich auf seinem Bürostuhl niederließ. »Was ist denn mit meinem Stuhl passiert? Der ist total verstellt! Das war bestimmt wieder diese neue Reinigungskraft«, grummelte er vor sich hin und nahm die Einstellungen an seinem Stuhl vor.
»Hast du schlechte Laune?«, fragte Nick nach.
»Nein, ich habe nur noch nix gefrühstückt«, erwiderte er. »So, passt wieder alles.« Uwe wippte mit der Rückenlehne mehrmals hin und her. Dann raschelte er mit einer Papiertüte vom Bäcker, aus der er ein braun glänzendes Rosinenbrötchen hervorzauberte. »Also, weiter im Text. Gibt es Neuigkeiten?«
»Du kommst just in time. Der vorläufige Obduktionsbericht ist eben per Mail eingegangen«, erwiderte Nick, der konzentriert auf seiner Tastatur herumtippte.
»Das ging aber fix. Und was steht drin?«
»Ich hatte noch keine Zeit, ihn ausführlich zu lesen. Dr. Luhrmaier hat um sofortigen Rückruf gebeten, da er uns wie üblich zu seinem Bericht das ein oder andere erläutern möchte«, fügte Nick hinzu, während er zeitgleich die Nummer des Rechtsmediziners wählte und die Lautsprechertaste betätigte. Die Verbindung war kaum hergestellt, da ertönte bereits die resolute Stimme Dr. Josef Luhrmaiers.
»Guten Morgen, meine Herren!«, begrüßte er die beiden Polizisten wie immer. »Haben Sie sich zwischenzeitlich meinen Bericht ansehen können?«
»Ich habe ihn kurz überflogen«, bestätigte Nick. »Wie ich Ihren Ausführungen entnehmen kann, gehen Sie weder von einer natürlichen Todesursache noch von einem Unfall aus.«
»Korrekt, beides können wir definitiv ausschließen, ebenso einen Suizid.«
»Da sind Sie absolut sicher?«, hakte Uwe vorsichtig nach, was er im selben Moment bereits bereute.
Am anderen Ende der Leitung konnte man hören, wie der Rechtsmediziner die Luft scharf einsog, bevor er zu einer Antwort ansetzte.
»Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung, Herr Wilmsen, kann ich Ihnen mit an 100 Prozent grenzender Sicherheit sagen, dass im vorliegenden Fall von einem Fremdverschulden auszugehen ist.«
»Bitte, Herr Dr. Luhrmaier, ich wollte Ihre Expertise in keiner Weise infrage stellen«, versuchte Uwe, die Wogen zu glätten.
»Das Opfer ist nicht ertrunken, was man auf den ersten Blick hätte vermuten können, sondern war bereits tot, als er ins Wasser gelangte«, präzisierte Dr. Luhrmaier, ohne auf Uwes Einwand näher einzugehen. »An seinem Körper befinden sich zudem eindeutige Schleifspuren, was den Schluss zulässt, dass er eine erhebliche Strecke über harten Untergrund gezogen wurde, bevor er im Wasser gelandet ist. Druckstellen an den Handgelenken unterstreichen diese Annahme.«
»Hm. Als er gefunden wurde, trieb er bäuchlings im Hafenbecken«, resümierte Uwe vor sich hin, während er vergeblich an der Verpackung eines Schokoriegels zerrte. Das Rosinenbrötchen gehörte längst der Vergangenheit an.
»Natürlich tat er das. Eine Wasserleiche schwimmt niemals auf dem Rücken. Mir war nicht bewusst, dass Ihnen diese Tatsache neu ist, Herr Wilmsen.« Die Genugtuung in Dr. Luhrmaiers Stimme war unüberhörbar. »Sehen Sie«, fuhr er fort, »wäre der Mann beim Kontakt mit dem Wasser am Leben gewesen, hätte ich eine starke Überdehnung der Lungenbläschen feststellen müssen, die auf extreme Atembewegungen zurückzuführen sind. Dies ist aber definitiv nicht der Fall, da er – wie ich bereits erwähnte – schon tot war. Darüber hinaus waren keinerlei Überbleibsel des sogenannten Schaumpilzes in den Atemwegen festzustellen, der bei einer Wasserleiche üblich sind. Normalerweise …«
»Klingt nicht besonders appetitlich, daher verzichten wir gern auf nähere Details, wenn es nicht unbedingt notwendig ist«, unterbrach ihn Uwe, dem es endlich gelungen war, den Schokoriegel aus seiner widerspenstigen Ummantelung zu befreien.
»Ist es nicht.« Es entstand eine kurze Pause, wobei neuerlich unverkennbar war, dass nach Uwes Bemerkung eine leichte Verstimmung in Dr. Luhrmaiers Tonfall mitschwang. Nick schenkte seinem Kollegen umgehend einen strafenden Blick, den dieser jedoch lediglich mit einem müden Schulterzucken erwiderte.
»Wussten Sie übrigens, dass man in Salzwasser langsamer ertrinkt als in Süßwasser? Im Grunde unerheblich, das Ergebnis ist dasselbe«, meldete sich ihr Gesprächspartner zurück. Doch seine Worte klangen, als spräche er eher zu sich selbst als mit den Beamten.
»Nein, das wussten wir nicht. Klingt auf jeden Fall interessant. Doch was hat in unserem Fall zum Tode geführt?«, erkundigte sich Nick, um einen versöhnlichen Ton bemüht.
»Genickbruch«, erhielt er die prompte Antwort.
»Genickbruch? Daran bestehen keine Zweifel?«, wiederholte Nick überrascht.
»Nicht die geringsten. Es stehen zwar noch einige Laboruntersuchungen aus,