Stasi-Konzern. Uwe Klausner

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Stasi-Konzern - Uwe Klausner

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MORTEM (I)

      IN DIESEM HAUSFLUR

      WURDE AM 5. OKTOBER 1963

      UNTEROFFIZIER

      EGON SCHULTZ

      GEBOREN AM 4. JANUAR 1943

      BEI DER AUSÜBUNG

      SEINES DIENSTES ZUM SCHUTZ

      DER STAATSGRENZE DER

      DEUTSCHEN DEMOKRATISCHEN

      REPUBLIK

      DURCH WESTBERLINER AGENTEN

      MEUCHLINGS ERMORDET

      *

      Im Hof dieses Hauses endete ein von

      West-Berlin aus gegrabener 145 Meter langer Tunnel,

      durch den 57 Männern, Frauen und Kindern

      in den Nächten des 3. und 4. Oktober 1964

      die Flucht in den Westen gelang. Nach Verrat

      der Fluchtaktion an das Ministerium für

      Staatssicherheit der DDR kam es auf dem Hof

      zu einem Schusswechsel zwischen Grenzsoldaten und Fluchthelfern. Dabei kam der

      Unteroffizier der Grenztruppen der

      Nationalen Volksarmee

      *

      Egon Schultz

      *4. Januar 1943 in Groß-Jestin (Kreis Kolberg)

      am 5. Oktober ums Leben. Egon Schultz

      wurde in der DDR als Held idealisiert, die

      Fluchthelfer galten als Agenten und Mörder.

      Erst nach dem Fall der Mauer stellte sich heraus,

      dass die tödlichen Schüsse aus der Waffe

      eines Kameraden abgegeben wurden. Dieser

      Sachverhalt war den DDR-Verantwortlichen

      von Anfang an bekannt.

      (Gedenktafeln am Haus Strelitzer Straße 55 in Berlin-Mitte)

      ERSTES KAPITEL

      (Berlin, Freitag, 9. Oktober 1964)

      3

      Ost-Berlin (Stadtbezirk Mitte), Institut für Rechtsmedizin der Humboldt-Universität in der Hannoverschen Straße 6 │07:30 h

      »Der Obduktionsbefund?«, entrüstete sich die Endvierzigerin, bebrillt, kurz angebunden und mit einer Turmfrisur, bei der jedes Haar an der richtigen Stelle saß. »Da muss ich aber erst den Herrn Professor fragen!«

      Ihr Gesprächspartner reagierte mit einem müden Lächeln. »Bei aller Freundschaft –«, antwortete er in dem für ihn typischen, teils spöttischen, zuweilen aber auch harschen Ton, wobei er das letzte der drei Wörter besonders betonte, »das wird, denke ich, nicht nötig sein.«

      Die Sekretärin, die dem Klischee der altjüngerferlichen Vorzimmerdame perfekt entsprach, gab sich unbeeindruckt. »Was hier nötig ist und was nicht, junger Mann, entscheide immer noch ich.«

      »Besten Dank für den jungen Mann«, antwortete der unverhoffte Besucher, zog ein silbernes Etui aus der Innentasche seines Sakkos, an dessen Revers das Parteiabzeichen der SED steckte, und fand offenbar nichts dabei, eine Zigarette Marke Herzegowina Flor anzuzünden. »Damit Sie Bescheid wissen: Ein Anruf von mir, und Sie kriegen den Wind von vorn. Wenn ich Sie wäre, würde ich mich entscheiden, was mir weniger behagt: Ärger mit meinem Chef oder …«

      »Oder?«, trotzte die Sekretärin, die außer dem Institutsleiter keine anderen Götter neben sich duldete. »Wollen Sie mir etwa drohen?«

      Czerny antwortete mit einem gequälten Schnauben. »Ich fürchte, Sie verkennen die Situation, junge Dame«, antwortete der 43-jährige Major, sog an seinem Glimmstängel und blies seinem Gegenüber, das ihn mit verkniffener Miene beäugte, den Rauch ins Gesicht. »Wenn hier jemand am längeren Hebel sitzt, dann bin ich es. So viel Erfahrung, will heißen: Kenntnis der Gepflogenheiten in unserem Arbeiter- und Bauernstaat, müssten Sie eigentlich haben. Ergo: Sie werden mir jetzt den Befund in Sachen Egon Schultz, Unteroffizier der Grenztruppen der Nationalen Volksarmee, aushändigen. Und zwar umgehend. Ich hoffe, das war deutlich genug.« Die Zigarette in der Linken, griff Gerd Czerny, von Geburt Deutscher, dank eines russischen Stiefvaters jedoch auch Sowjetbürger, nach seinem Dienstausweis, der die Aufschrift ›Ministerrat der Deutschen Demokratischen Republik – Ministerium für Staatssicherheit‹ trug. »Noch Fragen?«

      »So einfach, wie Sie sich das vorstellen, ist die Sache nicht.«

      »Doch, ist sie.« Ohne sich um seine Gesprächspartnerin zu kümmern, durchmaß der hoch gewachsene MfS-Major das Büro, nahm einen Aschenbecher aus dem Regal und drückte die Zigarette aus. Danach wandte er sich wieder der Sektionssekretärin zu. »Hier, junge Dame – das Aktenzeichen. Damit es schneller geht.«

      Aus dem Konzept gebracht, wanderte der Blick der Endvierzigerin zwischen ihrem Besucher und dem Zettel, den er auf den Schreibtisch fallen ließ, hin und her. Natürlich wusste sie, wie der Hase lief, aber das war es nicht, was sie irritierte. Es war etwas anderes, hatte mit dem Mann zu tun, der vor fünf Minuten ohne Voranmeldung aufgetaucht war.

      Anneliese Petzold, rechte Hand ihres Chefs und heimliche Herrscherin im Institut für Rechtsmedizin, warf dem Offizier, der vor ihrem Schreibtisch Position bezogen hatte, einen prüfenden Seitenblick zu. Wie erwartet hatte sich der ungebetene Gast zwar ausweisen, sie trotz Imponiergehabe jedoch nicht an der Nase herumführen können. Dazu war Anneliese Petzold, geborene Matuschek, selbst viel zu lange im Polizeipräsidium in der Keibelstraße beschäftigt gewesen. Wie manch anderes hatte sie als Schreibkraft bei der Kripo nämlich eins gelernt: die wirklichen von den vermeintlichen Schurken zu unterscheiden. Was das betraf, machte ihr niemand etwas vor. Und da dem so war, beschlich sie das Gefühl, dass mit dem schlanken, gut gekleideten und zu allem Überfluss auch noch gut aussehenden Stasi-Offizier etwas nicht stimmte. Randlose Brille, hohe Stirn, dunkle Augen, weiches Kinn, volles, grau meliertes und in langen Strähnen nach hinten gekämmtes Haar, gepflegte Erscheinung, dunkler Teint – sie konnte sich nicht helfen, aber irgendetwas stimmte mit dem Besucher aus der Normannenstraße nicht.

      Irgendetwas war an der Sache faul, und sie hätte zu gerne gewusst, was.

      Dies herauszufinden war jedoch nicht ihr Problem. Damit sollten sich die hohen Herrn herumschlagen, allen voran ihr Chef, die in Ost und West gleichermaßen anerkannte Koryphäe. »Sie werden es nicht glauben, junger Mann – ich habe sie im Kopf.«

      »Und ich, falls Sie mir die Bemerkung gestatten, habe Sie durchschaut!«, antwortete der MfS-Offizier, der dem Bild, das man sich von einem Angestellten der

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