Mühlviertler Rache. Eva Reichl

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Mühlviertler Rache - Eva Reichl

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war jedoch derart vollgepumpt mit Adrenalin, dass es ihm offensichtlich schwerfiel, ruhig zu sitzen. Er rutschte auf dem Stuhl hin und her und wusste nicht, wohin mit den Händen. Er war ständig in Bewegung. »Er hatte die Augen so weit aufgerissen.« Tobias deutete die Größe der angesprochenen Organe an und versuchte, den Blick des Opfers zu imitieren. Dabei formte er den Mund zu einem entsetzten »Oh« und verharrte derart eine Weile.

      »Und du hast ihn dir echt angesehen?« Melanie wollte nicht glauben, was ihr Bruder ihr erzählte. Es war nicht zu erkennen, ob sie Bewunderung für ihn hegte oder Abscheu, weil er sich dermaßen für den abgetrennten Kopf eines Menschen begeisterte.

      »Ja, hab ich.« Tobias strahlte.

      »Du bist echt krank!«, stieß Melanie angewidert aus, lachte aber.

      Das Eis wurde serviert und Tobias rammte seinen Löffel so brutal in die oberste Eiskugel, dass Stern Angst bekam, der Junge könnte vielleicht doch einen Schaden durch die Sache erlitten haben. Dann würden keine Zwerge mehr helfen, kein Drachenzug und ebenso keine Märchen. Melanie pickte zuerst die Obststücke aus ihrer Schale und Stern schlürfte seinen Eiskaffee mit dem Strohhalm, ohne die Kinder aus den Augen zu lassen.

      »Wenn ich das meinen Freunden erzähle …«

      »Oh, oh, oh, warte!« Stern hätte sich fast am Eiskaffee verschluckt. »Du darfst niemandem davon erzählen. Das ist Teil einer laufenden Ermittlung …«

      »Aber Opa! Da ist endlich mal was los und ich darf nicht darüber reden? Das kann nicht dein Ernst sein!« Das Adrenalin schien schlagartig aus Tobias’ Körper zu weichen wie die Luft aus einem zerplatzten Luftballon. Der Junge ließ die Schultern hängen und sah seinen Großvater enttäuscht an.

      Mist, fluchte Stern innerlich. Wie alle Großeltern ertrug er es nicht, wenn eines seiner Enkelkinder traurig war oder ihm ein Wunsch verwehrt blieb. Natürlich ein vernünftiger Wunsch, wobei die Definition von vernünftig zwischen Großeltern und Eltern noch nicht ausjudiziert war. Weshalb sonst stopften so viele Omas und Opas ihre Enkelkinder mit allerlei Süßigkeiten voll, dass sich die Eltern der Kinder oftmals grün und blau ärgerten? Genauso war es mit den Regeln, die die Eltern zu Hause aufstellten und mühevoll bei den Kindern durchzusetzen versuchten, die aber beim Überschreiten der Schwelle in das Heim der Großeltern außer Kraft traten, als durchschritte man ein Tor in eine andere Welt. Um diesem Schema voll und ganz zu entsprechen, fragte Stern: »Willst du noch ein Eis haben?«

      Tobias sank in seinem Stuhl zurück, schob den restlichen Bananensplit von sich und sagte: »Nein, mir ist der Appetit vergangen.« Dann verschränkte er die Arme vor seiner kindlichen Brust und in Sterns fing es augenblicklich zu stechen an. Doch er konnte an der Situation nichts ändern. Es war, wie es war. Es war ein Mordfall.

      Im selben Augenblick läutete sein Handy. Stern sah auf das Display: Grünbrecht.

      »Stern«, brummte er in das Smartphone.

      »Chef, wo stecken Sie so lange?«, drang es vorwurfsvoll aus dem Lautsprecher. »Wir warten auf der Dienststelle auf Sie.«

      »Äh … ja, ich bin mit meinen Enkelkindern noch ein Eis essen gegangen«, erklärte Stern mit gedämpfter Stimme.

      »Was? Jetzt? Gibt es dafür keinen besseren Zeitpunkt?« Das Unverständnis war Grünbrecht deutlich anzuhören.

      Das konnte nur von jemandem kommen, der selber keine Kinder hatte, dachte Stern. Denn natürlich hatte er mit dieser Aktion nur das Wohl der Kids im Auge gehabt. Und natürlich wusste er, dass er als leitender Ermittler in diesem Moment bei seinem Team sein und nicht auf einer sonnendurchfluteten Terrasse eines Cafés am Pöstlingberg sitzen sollte, auch wenn die Sonne noch so wunderbar vom Himmel schien und endlich mal kein Wölkchen am Horizont heraufzog. »Ich komm ja schon«, sagte er.

      »Heißt das, wir gehen nicht in die Grottenbahn?«, kam es sogleich vorwurfsvoll von der anderen Seite des Tisches.

      »Geht leider nicht, das müssen wir verschieben«, antwortete Stern und schlürfte seinen Eiskaffee zu Ende, allerdings mit weniger Genuss als zuvor, wie er schmerzlich zur Kenntnis nahm. Ebenso drückte die schweigsame Stimmung auf sein Gemüt. Trotzdem aß er auch noch die Reste von Tobias’ Bananensplitt – wäre doch wirklich schade drum – und verlangte anschließend die Rechnung.

      »Fahren wir jetzt nach Hause?«, fragte Melanie.

      »Wir fahren auf die Dienststelle. Ich hab noch was zu erledigen«, erwiderte Stern. Als er bezahlt hatte, stand er auf und verließ das Café Jindrak. Die Kinder folgten ihm wie Gänseküken ihrer Mutter zum Wagen.

      »Können wir nicht doch noch mit Lenzibald fahren?«, bettelte Tobias vor der geöffneten Autotür. Auch wenn die Aussicht, mit seinem Großvater ins Landeskriminalamt fahren zu dürfen, ansonsten Begeisterung bei ihm auslöste, so war das heute nicht der Fall. Lenzibald war nämlich der Name des Drachenzuges am Pöstlingberg. Bei seinen Rundfahrten durch den Wehrturm wurden abwechselnd die Nischen beider Seiten beleuchtet, in denen sich Szenen aus dem Zwergenreich befanden. Bei der letzten Fahrt drang sogar Rauch aus Lenzibalds Nasenlöchern.

      »Wir holen das nach, Tobias«, sagte Stern. »Das verspreche ich dir!«

      Tobias murrte. Zu oft hatte sein Großvater schon etwas versprochen, es aber nicht gehalten. Einmal war ein aktueller Mordfall schuld daran, ein anderes Mal waren neue Beweise in einem alten Mordfall, die er unbedingt bearbeiten musste, der Grund dafür. Irgendetwas kam Stern immer dazwischen. Enttäuscht kletterte Tobias in den Wagen, schnallte sich an und starrte stumm aus dem Fenster.

      Während der Fahrt zur Dienststelle grübelte Stern über die Ereignisse der letzten Stunden nach. Vor allem, wie er es anstellen sollte, gleichzeitig den Mordfall zu bearbeiten und die Kinder seiner Tochter zu hüten. Barbara kam erst morgen Abend aus Graz zurück, so lange musste er auf seine Enkel achtgeben. Das hatte er seiner Tochter versprochen. Er konnte sie nicht anrufen und bitten, dass sie früher kommen sollte. Dann müsste er ihr erklären, warum, und auch, dass er die Kinder mit zum Tatort genommen hatte. Barbara würde ihm die Hölle heißmachen! Bis morgen musste ihm etwas einfallen, um das heute Geschehene vor ihr geheim zu halten. Er würde seine Seele erneut an die Kinder verkaufen müssen. Natürlich hatte er nicht wissen können, dass ausgerechnet an diesem Wochenende jemand einen Mann an den Schienen festband, um ihn vom Zug enthaupten zu lassen. Eine blutige Angelegenheit für die Ermittler, für den Täter hingegen eine wohlüberlegte und saubere Sache. Was mochte das Opfer angestellt haben, dass es in den Augen des Mörders so einen Tod verdiente?

      »Opa?«, unterbrach Tobias Sterns Grübeleien.

      »Ja?« Der Chefinspektor blickte in den Rückspiegel. Auf der ansonsten so glatten, kindlichen Stirn des Neunjährigen befanden sich zwei tiefe Furchen. Ob der Junge jetzt realisierte, was geschehen war?

      »Äh …« Es war Tobias anzusehen, dass ihm die Angelegenheit, die er seinem Großvater mitteilen wollte, unangenehm war.

      »Schieß los!«, ermutigte Stern ihn auszusprechen, was ihm auf der Seele brannte.

      »Ich muss aufs Klo … Schon wieder«, flüsterte Tobias. Melanie sog neben ihm genervt die Luft ein.

      »Wieso bist du nicht im Café gegangen?«, fragte Stern.

      »Da hab ich nicht gemusst.«

      »Hältst du es noch bis zur Dienststelle aus?«

      »Wenn du weiterhin wie eine Schnecke fährst, wahrscheinlich nicht«, warf Melanie ungerührt ein

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