Mühlviertler Rache. Eva Reichl
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Читать онлайн книгу Mühlviertler Rache - Eva Reichl страница 9
Nach 15 Minuten stieß Stern die Eingangstür zur Dienststelle auf und zeigte Tobias den Weg zur Toilette. Der Chefinspektor und Melanie warteten davor, bis Tobias sein Geschäft verrichtet hatte, was mindestens genauso lang dauerte wie die Fahrt hierher, dachte Stern und blickte wiederholt auf seine Armbanduhr. Die Kollegen warteten seit geraumer Zeit auf ihn. Gemeinsam wollten sie in einer Dienstbesprechung die weiteren Schritte durchgehen und die Aufgaben unter den Kollegen verteilen. Melanie und Tobias sollten sich derweilen in seinem Büro beschäftigen.
Endlich ging die Tür der Herrentoilette auf.
»Ist alles in Ordnung?«, fragte Stern. Er hatte noch immer Angst, dass sich Spätfolgen des heutigen Tages bei seinem Enkel einstellen könnten.
»Ja, Opa, alles bestens.« Tobias lächelte seinen Großvater an. »Und? Was machen wir jetzt?« Er schien das alles viel zu aufregend zu finden, als dass er die Füße still halten konnte. Den verschobenen Besuch der Grottenbahn hatte er anscheinend vergessen.
»Ich rede mal mit den Kollegen, und ihr beide bleibt so lange in meinem Büro.«
»Darf ich denn nicht mitkommen? Mama hat gesagt, ich soll dir nicht von der Seite weichen«, offenbarte Tobias eine weitere geheime Anweisung der Mutter.
»Damit hat sie nicht gemeint, dass du mir Schritt auf Tritt folgen sollst. Ich muss schließlich mal aufs Klo. Willst du da etwa auch mit?«
»Nein!«, antwortete Tobias entschieden. »Aber …«
»Kein Aber! Ihr beide wartet in meinem Büro auf mich, und damit basta!«
»Dürfen wir wenigstens mit dem Handy spielen?«, fragte Melanie. Gleichzeitig schob Stern sie und ihren Bruder in sein Büro, deutete auf zwei Stühle und räumte ein paar Akten vom Tisch.
»Nur wenn ihr eurer Mutter nichts von dem verratet, was heute passiert ist.« Stern sah darin seine Chance, sich aus seinem Dilemma freizukaufen. Wenn die Kinder dichthielten, brauchte er Barbara gegenüber nicht die geringste Silbe zu erwähnen. Mahnend hob er den Zeigefinger. »Ansonsten konfisziere ich eure Handys.«
»Konfi… was?«, fragte Tobias.
»Beschlagnahmen«, erklärte Melanie ihrem Bruder.
»Und was sollen wir die ganze Zeit in deinem Büro tun? Das wird bestimmt stinklangweilig.« Tobias setzte sich schmollend auf einen Besprechungsstuhl, während Stern seine Hand nach den Mobiltelefonen ausstreckte.
»Schon gut. Wir verraten Mama nichts«, lenkte Melanie ein, die ohne Handy nicht auszukommen schien. In diesem Fall war das für Stern gut und er lächelte.
»Aber …« Tobias wollte aufbegehren, doch seine Schwester brachte ihn mit einem finsteren Blick zum Schweigen.
»Wir müssen sowieso hier warten. Dann tun wir das doch lieber mit unseren Handys, oder?«, erklärte sie Tobias.
Zufrieden über den Deal verließ Stern sein Büro und ging hinüber zu den Gruppeninspektoren. Dort surrte der Drucker und walzte ein Foto nach dem anderen vom Tatort und vom Opfer auf die Druckerablage. Grünbrecht befestigte sie der Reihe nach an der fahrbaren Magnettafel, die Mirscher zwischen ihrem und Kolanskis Schreibtisch gerollt und dort fixiert hatte. Es kam Stern vor, als deutete Mirscher einen Kuss in Richtung Grünbrecht an. Er seufzte. Seit die beiden auch offiziell ein Paar waren, quälten sie ihre Umgebung mit diesen heimlichen Liebesbotschaften. Er hoffte, dass die erste Verliebtheit bald abflaute und sich so dieses Küsschen hier und Küsschen da von selbst reduzierte, ohne dass er etwas sagen musste.
»Okay, was haben wir?«, eröffnete er die Dienstbesprechung.
»Einen toten Mann um die 40, laut Weber«, begann Grünbrecht mit dem Aufzählen der Fakten. »Er wurde von einem Zug überrollt und enthauptet.«
»Ich hab mich die ganze Zeit gefragt, wenn man so mit den Händen und Füßen an den Gleisen festgebunden ist, ob es da nicht möglich wäre, den Kopf einzuziehen und sich so zu krümmen, dass der Kopf dann zwischen den Gleisen steckt. Auf die Hände und Füße kann man ja irgendwie verzichten.« Mirscher verdeutlichte seine Überlegung, indem er körperlich nachzustellen versuchte, was er meinte. Das Ganze sah aus, als übte er für einen Tanz aus Fernost oder für eine japanische Kampfsportart.
»Du meinst, du würdest, anstatt gleich zu sterben, lieber elendig verbluten wollen?«, fragte Kolanski seinen Kollegen, der daraufhin die seltsamen Verrenkungen bleiben ließ.
»Wenn dir beide Hände und Füße gleichzeitig abgetrennt werden, verblutest du innerhalb weniger Minuten«, schloss sich Stern Kolanski an.
»War ja nur eine Idee, ob das überhaupt funktionieren würde«, verteidigte sich Mirscher.
»Die Spurweite der Schienen liegt laut den Österreichischen Bundesbahnen bei 1,4 Metern. Das müsste sich demnach ausgehen«, kam Grünbrecht ihm zu Hilfe.
»Danke, Mara«, bedankte sich Mirscher für ihre Unterstützung, und Stern befürchtete, dass gleich der nächste Kuss durch die Luft geflogen kam. Also redete er rasch weiter.
»Haben wir ihn schon identifiziert?«
»Nein, das könnte schwierig werden. Wir haben nur die linke Hand gefunden, und mit diesem Gesicht«, Mara Grünbrecht heftete ein Foto des Kopfes an die Magnetwand, und alle wussten, was sie meinte, »können wir schlecht von Tür zu Tür gehen und fragen, ob ihn wer kennt.« Aufgrund der Wucht, durch die der Kopf vom Torso abgetrennt und davongeschleudert worden war, war er mehrmals auf den Boden aufgeschlagen. Unzählige Platzwunden und Schrammen machten eine Erkennung unmöglich. Außer dass das Opfer rötliche Haare und grüne Augen hatte, war nicht viel von ihm zu erkennen, was bei einer Identifizierung hilfreich sein könnte.
»Wir müssen also darauf warten, ob die Spurensicherung etwas findet, was uns weiterbringt«, fasste Stern wenig begeistert zusammen.
»Oder die DNA-Analyse liefert ein Ergebnis«, ergänzte Grünbrecht.
Stern nickte. »Durchforstet die Vermisstenanzeigen. Vielleicht ist jemand dabei, der unserem Opfer ähnlich sieht. Ich meine nicht so, sondern … Ach, ihr wisst schon. Hat sich Weber bereits gemeldet?«
»Der hat ja noch nicht einmal die Leiche auf dem Tisch«, warf Mirscher ein. Sterns Ungeduld musste mal wieder gebremst werden.
»Ja, richtig«, brummte der Chefinspektor und beendete die Dienstbesprechung. Er stand auf und ging in sein Büro zurück. Als er dort eintrat, fand er Melanie wie gewohnt mit dem Handy spielend vor, und Tobias saß an dem kleinen Besprechungstisch und malte. Fein, wenigstens etwas schien so zu klappen, wie er sich das vorstellte.
»Was zeichnest du denn Schönes?«, fragte er seinen Enkel im Vorbeigehen.
»Den Waldgeist«, antwortete Tobias. »Damit ich ihn Mama zeigen kann und …« Tobias brach mitten im Satz ab, da ihm offenbar das Versprechen einfiel, das er seinem Großvater gegeben hatte. Demnach durfte er das Bild seiner Mutter gar nicht zeigen.
»Lass