Schattenklamm. Mia C. Brunner
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Читать онлайн книгу Schattenklamm - Mia C. Brunner страница 14
»Wieso haben Sie Ihren Beruf aufgegeben?«, fragte er und sah im gleichen Moment in ihrem Gesicht, dass genau das die falsche Frage war. Ihre Augen verengten sich zu schmalen Schlitzen und sie kniff fest ihren Mund zusammen. Dann verschränkte sie die Arme vor der Brust und schaute jetzt ihrerseits aus dem Fenster.
»Ich hatte meine Gründe und das ist privat«, erklärte sie nüchtern, dann griff sie nach dem Wasserglas und trank es in einem einzigen Zug leer. »Ich geh dann jetzt mal …«
Noch bevor sie sich erheben konnte, griff Florian Forster nach ihrem Arm und schüttelte den Kopf.
»Bitte bleiben Sie«, flüsterte er, ließ sie aber schnell wieder los und legte seine Hand zurück auf den Tisch. »Ich …«
Jessica entspannte sich etwas, lehnte sich langsam in ihrem Stuhl zurück, überschlug ihre Beine, legte beide Hände auf ihr Knie und wartete geduldig.
Florian Forster starrte sie an und suchte nach den richtigen Worten.
»Ich …«, begann er erneut und rieb sich dann beruhigend mit Daumen und Zeigefinger seiner rechten Hand über seinen Nasenrücken. »Um ehrlich zu sein«, gab er schließlich zu und konnte nicht umhin, wieder breit zu grinsen, allerdings schwang dieses Mal ein Hauch von Schüchternheit in dieser Geste mit, »ich wollte Sie eigentlich einfach nur wiedersehen.«
Sein Geständnis verschlug Jessica die Sprache. Mit leicht geöffnetem Mund starrte sie den Kommissar verwundert an, fing sich schließlich und schüttelte zaghaft den Kopf.
»Also«, sagte sie schließlich verblüfft, »das hätte ich jetzt nicht erwartet.«
»Und? Wo ist er?« Neugierig schaute Susanne links und rechts an ihrer Schwester vorbei, als diese am Morgen aus ihrem Zimmer im Keller kam und müde die Treppe hinaufschlurfte. Sie hatte sehr lange wach gelegen und ihr Kopf schmerzte höllisch aufgrund des Schlafmangels und der unermüdlichen Gedanken über den gestrigen Abend.
»Oh Mann, Susanne! Du verbreitest eine Hektik«, stöhnte Jessica, schob ihre Schwester mit einem Arm beiseite und ging durch den kleinen Flur in die Küche. »Wo sind die Aspirin?«
Susanne tanzte aufgeregt um sie herum.
»Hast du Kopfweh?«, fragte sie eher belustigt als bedauernd und zeigte dann auf den Hängeschrank über der Küchenzeile.
Jessica öffnete den Schrank, kramte in den diversen Medizinverpackungen herum und fand schließlich die Schmerztabletten. Sie drückte gleich zwei aus der Verpackung und wollte gerade ein Glas aus dem Schrank daneben holen, als ihre Schwester ihr schon eine mit Wasser gefüllte Tasse unter die Nase hielt.
»Und jetzt erzähl«, bestimmte sie aufgeregt. »Ist er noch da?«
»Wer ist noch da?« Genervt schluckte Jessica die Pillen und verzog angewidert das Gesicht. »Was ist denn mit dir los?«
Triumphierend lächelnd lehnte sich Susanne an den Rand der Spüle, presste ihre Handflächen vor ihrer Brust zusammen und tippte beschwörend die Zeigefinger aneinander, eine Eigenart, die sie immer hatte, wenn sie besonders aufgeregt war.
»Ich war gestern noch wach, als du nach Hause gekommen bist. Übrigens viel früher als erwartet, aber das ist jetzt egal«, plapperte sie wild drauflos und Jessica war es in diesem Moment ein Rätsel, wie ihre Schwester als Anwältin jemals ein vernünftiges Plädoyer zustande brachte. »Und ich habe dich reden und lachen gehört.« Jetzt nickte sie bestimmend und wartete auf eine Erklärung.
»Ach so«, sagte Jessica müde, rieb sich mit der Faust über ihr Auge und gähnte herzhaft. »Das meinst du. Ich habe telefoniert«, erklärte sie und wollte die Küche wieder verlassen, doch Susanne versperrte ihr den Weg.
»Nee, so leicht kommst du nicht davon. Mit wem hast du denn telefoniert? Gib’s zu, es war ein Mann!«
»Oh Mann, Susanne!«, stöhnte Jessica erneut. »Ja, es war ein Mann. Ich habe mit Martin aus Hamburg gesprochen, nur mal so. Seit er vor kurzem hier in Kempten war, ruft er ab und zu mal an. War ja auch schade, dass er sich davor so lange nicht gemeldet hat. Er gehörte schließlich fast schon zur Familie.«
Enttäuscht trat Susanne beiseite und ließ ihre Schwester endlich aus der Küche und aus ihren Fängen. »Und ich dachte, du hättest endlich mal jemanden abgeschleppt«, brummte sie fast tonlos vor sich hin. »Da arbeitest du schon in einer Kneipe und lernst trotzdem keinen Mann kennen.«
Doch dann änderte sich urplötzlich ihre Stimmung und sie strahlte übers ganze Gesicht.
»Wie geht’s denn Martin? Was hat er erzählt? Kommt er mal wieder nach Kempten?«
Jessica berichtete ausführlich über ihr Telefonat mit Martin und erwähnte ganz kurz, dass die Polizei in Hamburg im Mordfall Wolfgang Reuter immer noch im Dunkeln tappte. Sie wollte ihre Schwester nicht beunruhigen oder gar traurig machen, weil man den Mörder ihres Ehemannes nun vermutlich gar nicht mehr überführen würde. Der Mord war jetzt beinahe ein Jahr her und war von Anfang an undurchsichtig und mehr als rätselhaft gewesen. Es gab von Beginn an wenig Hoffnung auf eine Klärung, deshalb lohnte es kaum, sich weiter den Kopf darüber zu zerbrechen. Jessica selbst allerdings dachte fast täglich über diesen Fall nach, obwohl sie bereits seit Monaten nicht mehr auf dem Laufenden gewesen war. Immer und immer wieder überlegte sie, ob sie etwas vergessen oder etwas übersehen hatte, doch sie konnte keinen Fehler finden.
»Hier in Kempten kommen sie scheinbar mit dem Baumarktmörder auch nicht voran«, sagte Jessica schließlich, mehr, um vom Thema Wolfgang abzulenken, als das Gespräch weiter aufrechtzuerhalten. Am liebsten hätte sie sich jetzt verabschiedet und die nächsten Minuten unter der heißen Dusche verbracht, um ihren Kopf frei zu bekommen und endlich richtig wach zu werden. »Florian hat erzählt, dass der Fall sehr zäh ist und wenig Hinweise aufwirft. Sie tappen scheinbar auch im Dunkeln.«
Susanne, die neues Futter für ihr heutiges Lieblingsthema witterte, lächelte zufrieden.
»Florian?«, fragte sie amüsiert. »Du hast den Hauptkommissar noch einmal gesprochen? Interessant.«
»Was soll das denn nun schon wieder«, polterte Jessica und überspielte so ihre aufsteigende Unsicherheit. Sie hatte sich verplappert, fühlte sich ertappt und genötigt, sich zu rechtfertigen. »Herr Forster war gestern im ›Feuertempel‹ und ich habe mich kurz mit ihm unterhalten.«
»Klar«, lachte ihre Schwester und knuffte ihr liebevoll mit der Faust in den Bauch. »Du machst mir nichts vor, Schwesterherz.« Dann nickte sie anerkennend und zwinkerte. »Gute Wahl, Jess. Der Kerl sieht verdammt gut aus und ist dazu genau dein Kaliber.«
»Mein Kaliber? Blödsinn«, erklärte Jessica bestimmt. »Wir duzen uns, ja gut. Das war’s aber auch. Und so schnell sehen wir uns bestimmt nicht wieder.«
Mit dieser Aussage hatte Jessica tatsächlich recht. In den nächsten Tagen und Wochen kam nicht das kleinste Lebenszeichen von Florian. Anfangs hatte Jessica auch nicht damit gerechnet, doch jetzt ertappte sie sich immer wieder dabei, wie sie verstohlen zur Eingangstür des »Feuertempels« spähte, sobald diese sich öffnete und Gäste in die Kneipe strömten. Mindestens fünfmal täglich zog sie ihr Handy aus der Tasche, nur um kurz zu schauen, ob es einen eventuell verpassten Anruf anzeigte, und zweimal war sie bereits am Gebäude der Kemptener Kriminalpolizei vorbeigefahren, um zu überprüfen, ob der Hauptkommissar vor dem Gebäude geparkt hatte. Dabei wusste sie nur, dass er einen dunklen VW Kombi fuhr und in Kempten wohnte, also das Auto