Schattenklamm. Mia C. Brunner
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»Davon gehen wir auch gar nicht aus«, wehrte Hauptkommissar Forster ab und hob beruhigend die rechte Hand. Es sah beinahe so aus, als würde er Jessica auffordern, stehen zu bleiben und nicht näher zu kommen.
»Und? Was wollen Sie dann hier? Haben Sie festgestellt, dass wir an diesem Tag in genau diesem Baumarkt eingekauft haben, und überprüfen Sie jetzt alle Kunden?« Wieder schwang Sarkasmus in ihrer Stimme mit und sie konnte es nicht verhindern. Sie war wütend und verstand die Zusammenhänge nicht. Was hatte das alles hier mit professioneller Polizeiarbeit zu tun?
»Das ist ja interessant«, stellte Herr Forster sachlich fest, doch konnte Jessica den Schalk in den Augen des Beamten aufblitzen sehen. »Sie geben also freiwillig zu, dass Sie am Tatort waren.« Noch bevor Jessica wütend aufbrausen konnte, winkte er erneut ab, verwies sie mit seiner erhobenen Hand in ihre Schranken und grinste breit und überheblich.
»Keine Panik, Frau Grothe. Das war nur ein Scherz«, erklärte er und schaute wieder in das kleine lederne Notizbuch. »Sagen Ihnen die Buchstaben ›LLFS‹ etwas, Frau Grothe?«
Jessica seufzte tief und eindeutig genervt. »Nein«, blaffte sie den Beamten wütend an. »Und ich möchte jetzt auf der Stelle wissen, was Sie von mir … was Sie von meiner Schwester wollen.« Um die Nachdrücklichkeit ihrer Worte zu unterstreichen, presste sie die Spitze ihres Zeigefingers auf die Tischplatte und den Mund fest zusammen.
»Wir haben festgestellt«, begann der Hauptkommissar schließlich, »dass es eine Verbindung des Opfers zu Ihnen und Ihrer Schwester gibt. Diesem Sachverhalt gehen wir nach. Was würden Sie also hinter den Buchstaben …«, er beugte sich wieder über sein Notizbuch und las ab, »›LLFS‹ vermuten?«
»Keine Ahnung, vielleicht eine Partydroge, vielleicht eine Abkürzung für … für … Lothar Lommel Fahr-Schule? Woher soll ich das denn wissen? Ich dachte, dafür würde man Sie bezahlen?«
»Deshalb sitze ich hier. Wir haben diese ›Abkürzung‹, oder was immer es ist, neben der Telefonnummer Ihrer Schwester gefunden. Sie war im Handy des Opfers gespeichert. Und die internen Ermittlungen haben ergeben, dass mehrmals Gespräche von diesem Handy an eben diese Nummer geführt wurden«, erklärte Florian Forster, legte sein Notizbuch auf den Esstisch und schob es zu Jessica hinüber. »Ist das die Telefonnummer Ihrer Schwester?«
Jessica schaute auf die etwas krakeligen Aufzeichnungen und fand schließlich die besagte Telefonnummer. Ungläubig schaute sie auf die zehn Ziffern. Dann nickte sie zögernd.
»Ja«, bestätigte sie schließlich. »Diese Telefonnummer gehörte zu dem Anschluss Wolfgang und Susanne Reuter in Hamburg. Und auch ich war unter dieser Nummer gemeldet, denn ich habe im selben Haus gewohnt.« Sie machte eine Pause und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Der Hauptkommissar unterbrach sie nicht.
»Wieso hatte das Mordopfer unsere Nummer in seinem Handy gespeichert? Und was bedeuten die Buchstaben vor der Telefonnummer? Wenn er diese Nummer benutzt hat, dann müssten wir diese Person doch kennen. Hat er schon immer in Kempten gewohnt? War er einmal in Hamburg zu Besuch? Wo hat er gearbeitet?« Jessica fühlte sich plötzlich ganz in ihrem Element. Der Fall interessierte sie brennend und sie wollte Antworten auf all diese Fragen, wollte die Verbindung verstehen, die angeblich zwischen ihrer Familie und dem Opfer bestand.
»Führen Sie jetzt die Ermittlungen, Frau Grothe?«, fragte der Hauptkommissar belustigt, schnappte sich sein Notizbuch vom Tisch und verstaute es in seiner Jacke. »Das überlassen Sie mal lieber den Profis.«
Jessicas Handy klingelte und verhinderte somit die abfällige Bemerkung, die ihr auf der Zunge lag. Sie entschuldigte sich, stand auf und lief in den Flur zu ihrem Mantel, in dem ihr Handy steckte.
»Hallo?«, meldete sie sich ganz neutral, denn auf dem Display erschien keine Nummer. Der Anrufer war ihr also vermutlich nicht bekannt, und Jessica wollte unbekannten Anrufern nicht auch gleich ihren Namen verraten.
»Ich bin’s.« Eine Männerstimme meldete sich leise aus dem Telefon. Im Hintergrund rauschte es laut.
»Wer ist ›ich bin’s‹?«, fragte Jessica und spürte bereits wieder, wie Wut in ihr aufkochte. Dieser Tag, der eigentlich ruhig und besinnlich sein sollte, hatte eine Wendung genommen, die ihr gar nicht gefiel. Und weil sie nichts an ihrer Situation bessern konnte, war sie einfach nur genervt und ungnädig.
»Martin Hansen«, gab der Mann an und Jessica erkannte ihn sofort. »Hallo, Jess. Du wunderst dich sicher, dass ich anrufe.«
Der beste Freund ihres verstorbenen Schwagers Wolfgang war immer ein gern gesehener Gast auf jeder Familienfeier, jeder Party und jedem Sofa-Fernsehguck-Wochenende gewesen. Er gehörte beinahe schon zum Inventar der Wohnung. Doch seit dem Tod von Wolfgang hatte er sich nicht mehr bei den beiden Schwestern gemeldet. Bei der Beerdigung hatten sie ihn das letzte Mal gesehen. Jessica verstand damals sogar die Distanz, die er aufbaute. Martin Hansen fühlte sich genauso schuldig am Tod seines Freundes wie auch Jessica sich schuldig fühlte, den Mord nicht aufklären zu können. Außerdem war er schließlich hauptsächlich Wolfgangs Freund gewesen und nicht ihrer oder der ihrer Schwester. Doch warum meldete er sich ausgerechnet jetzt?
»Martin? Das ist aber jetzt eine Überraschung«, staunte sie deshalb wirklich überrascht. »Was gibt es? Wie geht es dir denn? Du hast dich lange nicht gemeldet.« Doch es war kein Vorwurf in ihren Worten. Sie freute sich wirklich, seine Stimme zu hören.
»Stimmt. Tut mir auch leid«, stammelte er und seine leise Stimme übertönte kaum das laute Rauschen im Hintergrund.
»Sitzt du im Auto?«, fragte Jessica, schaute sich dann aber beinahe ertappt zu den beiden Beamten um, die immer noch an ihrem Esstisch saßen.
»Nee … ja, schon. Aber ich stehe auf einem Rastplatz an der Autobahn. Ganz schön laut hier«, bestätigte Martin, der ihre Frage richtig gedeutet hatte.
»Ach, du stehst auf dem Rastplatz«, wiederholte Jessica betont laut und deutlich und grinste dann in Richtung Wohnzimmer. Hauptkommissar Forster grinste zurück, Kommissar Willig nickte anerkennend.
»Ja«, sagte Martin Hansen und sprach seinerseits jetzt auch etwas lauter. Er vermutete wohl eine schlechte Verbindung, weil Jessica beim Sprechen beinahe schrie. »Ich bin auf dem Weg nach Kempten … also eigentlich nach Österreich. Ähm, ich dachte, wir könnten uns sehen und ich mache hier einfach eine Nacht Pause.«
»Suchst du einen Platz zum Schlafen? Du weißt, du bist bei uns jederzeit willkommen«, verkündete Jessica fröhlich und freute sich bereits jetzt auf ein Wiedersehen mit Martin.
»Nee, danke«, gab ihr ehemaliger Kollege zurück. »Ich hab mich schon um eine Pension bemüht. Danke trotzdem für dein Angebot. Hast du heute Abend Zeit?«
Verwundert starrte Jessica auf den großen Garderobenspiegel im Flur. Dieser Besuch war also geplant und keine spontane Entscheidung, wie sie erst vermutet hatte. Doch vorerst würde sie sich auf ein Treffen einlassen. Martin würde schon mit der Sprache rausrücken, wenn sie ihm erst einmal gegenübersaß.
»Komm heute Abend doch in den ›Feuertempel‹ in der Innenstadt. Ich arbeite dort, finde aber sicher ein paar Minuten, um mit dir zu quatschen. Im Anschluss können wir dann ja