Schattenklamm. Mia C. Brunner

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Schattenklamm - Mia C. Brunner

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ich Sie?«, fragte diese Polizistin überheblich lächelnd, ohne ihre Hand von ihrer Dienstwaffe zu nehmen, und Jessica beschloss, sie nicht zu mögen. Eine wirklich unangenehme Person, die glaubte, sie sei etwas Besseres, nur weil sie eine Uniform trug. Solche Menschen waren Jessica zuwider.

      »Selbstverständlich nicht, Frau …?« Fragend sah Jessica zu der Polizistin hinüber, die sich jetzt erhobenen Hauptes vor ihr aufbaute.

      »Oberwachtmeisterin Schneible«, half sie ihrem Opfer auf die Sprünge und grinste dann wieder breit.

      »Oh Mann, entschuldigen Sie«, trällerte Jessica fröhlich. »Da hätte ich Sie doch beinahe falsch angeredet. Ich hatte vermutet, dass Beamte in Ihrem Alter und mit Ihrer Kompetenz bereits Hauptwachtmeister wären. Sie legen sicher großen Wert auf eine korrekte Anrede, Frau Schneible.« Hatte ihre Aussage bis dahin noch nicht Frau Oberwachtmeisterins Nerv getroffen, ließ nun das komplette Weglassen ihres Titels sie beinahe explodieren. Wäre es nicht so dunkel gewesen, dann, da war Jessica sich sicher, hätte sie in ein purpurfarbenes, wütend verzerrtes Polizistinnengesicht geblickt.

      »Haben Sie etwas getrunken?«, presste Frau Schneible zwischen fest zusammengebissenen Zähnen hervor.

      »Zuallererst gebe ich Ihnen einmal meinen Führerschein. Sie haben vergessen, danach zu fragen«, belehrte Jessica die Beamtin und konnte nicht umhin, selbst breit zu lächeln, kramte in ihrer Handtasche und zog ihre Geldbörse heraus. »Und nein«, fügte sie hinzu, »ich habe nichts getrunken.«

      Sie reichte Frau Oberwachtmeisterin Schneible ihren Führerschein.

      »Jetzt belügen Sie mich aber.« Polizistin Schneible war sichtlich um Fassung bemüht. Ihre Stimme bebte leicht, doch sie strengte sich an, ruhig und überheblich zu klingen, und nahm Jessica den Führerschein ab. »Sie riechen bestialisch nach Alkohol. Sie sind voll wie eine Haubitze …«, verkündete sie triumphierend, leuchtete mit der Taschenlampe erst auf die Papiere in ihrer Hand und dann direkt in Jessicas Gesicht. »… Frau Grothe.«

      Jessica hob abwehrend die rechte Hand vor ihre Augen, um sich vor der plötzlichen Helligkeit zu schützen, und wollte gerade etwas auf die unberechtigten Vorwürfe erwidern, als Paulas glockenhelle Stimme aus dem Innenraum ihres BMWs nach draußen wehte.

      »Liebe Frau Wachtmeisterin«, sang sie fröhlich, »meine gute Freundin Jessica riecht nur so komisch, weil sie sich ein komplett volles Bierglas über ihren Rock geschüttet hat. Und da wir im Anschluss sowieso die Kneipe verlassen haben, hätte sich das Auswaschen auf dem Klo gar nicht mehr gelohnt.«

      Frau Oberwachtmeisterin Schneible beugte sich hinunter und blickte durch die geöffnete Fahrertür in den Wageninnenraum und direkt in Paulas tiefen Ausschnitt, die sich weit hinübergebeugt hatte, um von dem Geschehen draußen nichts zu verpassen. Jessica schüttelte seufzend ihren Kopf, verdrehte ihre Augen und flüsterte ein »Na, herzlichen Dank« in die kalte Nachtluft.

      Als Polizistin Schneible sich wieder aufrichtete und sich nach einigen Sekunden scheinbar von Paulas Anblick erholt hatte, setzte sie erneut ihr überheblich grinsendes Gesicht auf.

      »So, liebe Frau Grothe. Würden Sie mir bitte zum Wagen folgen. Schauen wir doch einmal, ob ich Ihren Führerschein gleich behalten darf.« Sie packte Jessica an der linken Schulter und schob sie vorweg zum Kleinbus und durch die geöffnete Seitentür. Dort wartete ein großer, schlaksiger Polizist an einem kleinen Schreibtisch, nahm den Führerschein an sich und lächelte Jessica freundlich entgegen.

      »Frau Grothe, wie ich sehe«, sagte er nach einem Blick auf ihre Papiere. »Nehmen Sie Platz. Wenn Ihnen kalt ist, dann schließen wir die Tür.« Er strich sich beinahe schüchtern eine Haarsträhne seines haselnussbraunen Haares aus der Stirn und griff nach einem Kugelschreiber. »Nehmen wir erst einmal Ihre …«

      »Halt«, unterbrach ihn seine resolute Kollegin. »Zuerst einen Alkoholtest. Die hat getrunken«, befahl sie, drehte sich um, ließ den jungen Mann mit Jessica allein und die Seitentür weit offen.

      »Ist Ihnen kalt?«, fragte der Polizist erneut und machte Anstalten, sich zu erheben.

      »Nein, nein. Kein Problem«, hielt ihn Jessica zurück. »Machen Sie bitte nur schnell diesen Test. Ich bin wirklich froh, wenn ich weiterfahren kann. Es ist schon so schrecklich spät.« Sie schob sich in die Bank ihm gegenüber, legte ihre Hände flach auf den Tisch vor sich und wartete.

      Kurze Zeit später, nach Aufnahme ihrer Personalien und der Ermahnung für zu schnelles Fahren, las der junge Polizist das Alkoholkontrollgerät ab, lachte triumphierend und verkündete: »Nullkommanull. Ha, das wird ihr gar nicht gefallen.« Er überreichte ihr den Führerschein und wünschte ihr noch eine gute Heimfahrt, dann entließ er Jessica aus dem Polizeibus, nicht ohne seiner Kollegin mit Handzeichen und fröhlichem Lächeln verständlich zu machen, dass alles in Ordnung sei.

      Nur sehr widerwillig ließ Frau Schneible Jessica schließlich weiterfahren.

      »So eine blöde Kuh«, schimpfte Paula vom Beifahrersitz und kicherte dann plötzlich hinter vorgehaltener Hand. »Hihi, das passt ja. Scheißbullen …«, betonte sie jede einzelne Silbe des Wortes und wippte dabei langsam mit dem Kopf nach links und rechts. Ihr erhobener Zeigefinger tippte im gleichen Takt in die Luft. »… blöde Kuh. Haha, verstehst du, Jess? Weibliche Polizisten sind natürlich Kühe und keine Bullen. Komisch, oder?« Paula hielt sich den Bauch vor Lachen und krümmte sich in ihrem Sitz nach vorn.

      Jessica gab Gas.

      Zweimal am gleichen Abend wurde man bestimmt nicht angehalten.

      Kapitel 3

      »Fantastischer Mohnkuchen, Susi. Herrlich locker und leicht, nicht zu süß. Genau richtig«, lobte Elfriede Grothe ihre jüngere Tochter und hob mit elegant abgespreiztem kleinen Finger ihre Kaffeetasse zum Mund, nahm einen großen Schluck und lächelte begeistert.

      »Danke, Mutti«, trällerte Susanne und sah zu ihrer Schwester hinüber, »aber das Lob muss ich an Jess weitergeben. Sie hat den Kuchen gemacht.« Liebevoll legte sie Jessica ihre Hand auf den Unterarm. Die Augen ihrer Mutter schnellten zu ihrer älteren Tochter und sie nickte dieser schließlich wohlwollend zu.

      »Ja, ich und Svenja haben gestern gebacken. Aber die Tischdecke, die hat Susi gebügelt. Toll, nicht? Das hätte ich niemals so gut hinbekommen.« Lauthals lachend schlug sie sich mit den Händen auf die Oberschenkel und zwinkerte ihrer kleinen Schwester zu. Jessica wusste, wie sehr es ihrer Mutter zuwider war, am Tisch und vor allem beim Essen, derart laut zu lachen. Schon lautes Sprechen war ihrer Meinung nach nicht schicklich, doch Jessica hatte das nie gestört und auch Susi stimmte jetzt in ihr Lachen mit ein. Ihr Vater Herbert allerdings tupfte sich schnell mit seiner Serviette ein paar imaginäre Kuchenkrümel von seinen Lippen und versteckte so ein viel zu breites Grinsen.

      »Schön habt ihr es hier«, sagte er schließlich mit einem Blick in den kleinen Garten hinter der großen Fensterfront im Wohnzimmer. »Der Garten ist aber noch nicht fertig«, entschied er schließlich.

      »Wir haben gestern aber schon Blümchen gepflanzt, Opa«, meldete sich jetzt die kleine Svenja zu Wort. Susannes Tochter rutschte vom Esszimmerstuhl, lief zu ihrem Großvater und kletterte auf seinen Schoß. »Jetzt schlafen sie aber noch«, verkündete sie und legte ihm ihre kleinen Ärmchen um den Hals. »Erst im Frühjahr kommen sie heraus …«

      »Im Frühjahr oder in Australien …«, warf Jessica ein und sorgte damit wieder für ausgelassene Stimmung.

      Über den Besuch ihrer Eltern freuten

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