Schattenklamm. Mia C. Brunner
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Heute verbrachte die Groth’sche Familie den Nachmittag im Augsburger Zoo. Alle fünf waren, gleich nachdem Svenja aus der Schule kam, losgefahren und würden vermutlich erst gegen Abend wieder in Kempten sein. Jessicas Schicht begann bereits um 19 Uhr und sie glaubte nicht, dass sie ihre Schwester und den Rest heute noch sehen würde. Sie liebte ihre Nichte und ihren Neffen sehr, doch es war ausnahmsweise auch einmal schön, keine kleinen Kinder um sich herumwuseln zu haben. Solche Momente waren selten genug, also genoss Jessica die vermutlich letzten warmen Sonnenstrahlen des Oktobers, warm eingepackt in eine Wolldecke, auf einem Liegestuhl auf der winzigen Terrasse. Ihr Vater hatte am Samstag im Baumarkt nicht nur die Sandkiste für seine Enkelkinder gekauft, sondern seinen beiden Töchtern zum Einzug gleich noch zwei teure Holzliegen spendiert, zwei wunderbare Teile ganz ausgezeichneter Qualität. Wenn Herbert Grothe etwas kaufte, dann musste es gut sein und sehr lange halten. Jedenfalls war Jessica mehr als dankbar für dieses herrliche Geschenk. Wenn es nach ihr ginge, würde sie jede freie Minute im Freien verbringen, egal in welcher Jahreszeit und bei welchem Wetter.
Gerade hatte sie sich eine Tasse heißen Kakao aus der Küche geholt, ihn auf das kleine Tischchen gestellt, das eigentlich neben das Sofa im Wohnzimmer gehörte, und sich wieder auf die Liege gelegt, als es an der Tür läutete. Genervt warf sie die Wolldecke beiseite, erhob sich erneut von der Liege und betrat das Wohnzimmer durch die Terrassentür. Dann ging sie am Esstisch vorbei und schritt durch den kleinen Flur. Vor der mattierten Glasscheibe der Haustür konnte sie zwei dunkle Umrisse erkennen. Vermutlich waren das irgendwelche unangenehmen Vertreter von Staubsaugern oder merkwürdigen Glaubensformen, die ihr gleich mit Dreck auf dem Fußboden oder Blödsinn aus den verdrehten Gehirnen auf die Nerven gehen würden. Solchen Leuten musste man sofort zeigen, dass sie nicht willkommen waren. Also setzte Jessica eine betont ärgerliche Miene auf und öffnete die Tür.
»Da stehen zwei Namen an der Tür, Chef«, stellte der junge Beamte fest, als er die Haustür noch vor seinem Vorgesetzten erreichte und den Klingelknopf betätigte. Er verschränkte die Arme hinter seinem Rücken und baute sich neben dem Briefkasten auf. Hätte er nicht so zappelig und nervös sein Gewicht immer wieder von dem einen auf den anderen Fuß verlagert, dann wäre seine Körperhaltung beinahe majestätisch gewesen. Kommissar Berthold Willig war groß und schlaksig, überragte seinen Kollegen um einen ganzen Kopf und machte seinem Namen alle Ehre. Er war willig bemüht, aber bisher konnte Hauptkommissar Florian Forster noch keine außergewöhnlichen Talente an seinem Untergebenen feststellen. Er schien loyal und ehrlich zu sein, aber auch tollpatschig und scheinbar wenig intelligent. Florian Forster war es ein Rätsel, warum der Junge unbedingt zur Kriminalpolizei wollte, doch er behielt seine Meinung für sich.
»Hauptsache ist, der Name ›Reuter‹ steht auf dem Klingelschild«, sagte er sarkastisch. »Sonst stehen wir vorm falschen Haus!«
»Ja«, bestätigte Berthold Willig und beugte seinen Oberkörper weit hinab, um das Schild neben der Tür noch einmal ganz aus der Nähe zu betrachten, nickte dann und wiederholte seine Aussage. »Ja, Chef. Wir sind richtig. Hier wohnt aber auch noch ein Herr oder eine Frau Grothe.«
»Nicht ›Chef‹, Berthold. Wir hatten uns doch geeinigt, uns zu duzen.« Hauptkommissar Forster setzte ein charmantes Lächeln auf und sah zu seinem Kollegen auf. Auch daran würde er sich gewöhnen müssen. Sein vorheriger Kollege und Partner war mit ihm wenigstens auf Augenhöhe. Dabei war er selbst nicht einmal klein. Mit seinen eins neunundachtzig überragte er einige seiner Kollegen, seinen neuen Partner schätzte er auf zwei Meter zehn.
Die Haustür vor ihm wurde mit Schwung aufgerissen und Berthold Willig zuckte erschrocken zusammen. Die Dame, die sich im Eingang vor ihnen aufbaute, starrte sie beinahe böse an und presste ihre Lippen fest aufeinander. Als sie jedoch die Uniformen bemerkte, veränderte sich ihr Gesichtsausdruck merklich und wirkte jetzt überrascht.
»Ja?«, fragte sie und zog eine Augenbraue nach oben, hielt aber nach wie vor die Tür fest und ließ keinen Blick in die Wohnung zu.
Gerade als Hauptkommissar Florian Forster den Mund öffnete, um sich vorzustellen, fiel ihm sein Kollege Willig ins nicht ausgesprochene Wort.
»Guten Tag, verehrte Frau Reuter. Wir sind von der Polizei. Kriminalpolizei Kempten. Hier.« Er zog seinen Dienstausweis hervor und hielt ihn der Dame so dicht vors Gesicht, dass diese einen Schritt zurückwich und wieder ärgerlich schaute. »Mein Name ist Kommissar Willig und das hier ist mein Kollege …«
»Hauptkommissar Forster«, meldete sich jetzt der leitende Kommissar selbst zu Wort. »Dürfen wir kurz reinkommen, Frau Reuter? Wir hätten da einige Fragen an Sie.« Ohne eine Antwort abzuwarten, trat er auf die Tür zu und die Dame ließ ihn widerstandslos passieren. Berthold Willig folgte ihm auf dem Fuße.
»Schön, dass Sie den Weg in unser Haus so problemlos alleine finden, Herr Hauptkommissar«, hörte Florian Forster die Dame kühl und leicht überheblich sagen, als er den Flur hinter sich gelassen hatte und jetzt im Wohnzimmer stehen blieb. »Mein Name ist übrigens Grothe. Meine Schwester, Frau Reuter, ist nicht im Hause. Vielleicht kann ich Ihnen weiterhelfen?«
Ihr letzter Satz war nicht wirklich eine Frage, sondern eine Aufforderung, ihr zu erklären, aus welchem Grund sie überhaupt da waren. Hauptkommissar Forster lächelte zaghaft, setzte dann wieder sein charmantes Grinsen auf und drehte sich zu Frau Grothe um.
»Vermutlich können auch Sie uns die nötigen Auskünfte geben«, teilte er ihr mit und nahm unaufgefordert Platz auf einem der Stühle am Esstisch im Wohnzimmer. Etwas verlegen stellte sich Berthold Willig neben ihn.
»Nehmen Sie doch bitte Platz, meine Herren.« Sarkasmus schwang in ihrer Stimme mit und beinahe theatralisch deutete sie auf zwei Stühle gegenüber von Florian Forster. »Kann ich Ihnen etwas zu trinken anbieten? Tee? Kaffee? Ein Glas Wasser?« Fragend hob sie die Augenbrauen, doch in ihrem Blick sah Hauptkommissar Forster Argwohn und Misstrauen.
»Gern. Zwei Glas Wasser, bitte«, bestellte der Beamte, zog demonstrativ den Stuhl neben sich unter dem Tisch hervor und deutete seinem Kollegen an, sich zu setzen.
Wütend stampfte Jessica in die Küche, riss den Vitrinenschrank über der Kaffeemaschine auf und holte zwei Gläser heraus. Dann griff sie nach der Wasserflasche neben dem Kühlschrank und transportierte alles zurück an den Esszimmertisch. Höflich lächelnd platzierte sie die Gläser und die Flasche vor den beiden Beamten. Dann setzte sie sich selbst den Beamten gegenüber.
»Und was verschafft mir jetzt die Ehre Ihres plötzlichen Besuches? Habe ich falsch geparkt?«, fragte sie süffisant lächelnd, doch konnte sie ihren Ärger trotz allem nicht gänzlich unterdrücken.
Hauptkommissar Forster ließ sich sehr viel Zeit, griff beinahe im Zeitlupentempo nach der Flasche und schenkte sich und seinem Kollegen ein. Dann sah er Jessica lange und durchdringend an, doch Jessica hielt seinem Blick stand.
»Neigen Sie denn dazu, falsch zu parken?«, fragte er schließlich belustigt und nahm einen großen Schluck aus dem Glas, ohne Jessica aus den Augen zu lassen.
Jessica sparte sich die Antwort.
»Warum sind Sie also hier, Herr Hauptkommissar?« Sie lehnte sich lässig auf ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
»Es geht um den Mord auf dem Parkplatz des Baumarktes am letzten Samstag«, erklärte der Beamte und verfiel plötzlich in einen sachlichen, professionellen Verhörton. »Sie haben sicher davon gehört?« Als Jessica nickte, zog er ein kleines Notizbuch aus seiner Brusttasche, schlug es auf und fuhr fort.
»Der Ermordete hieß Klaus Vollmer. Sagt Ihnen der Name