Schattenklamm. Mia C. Brunner

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Schattenklamm - Mia C. Brunner

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Küche und großem Badezimmer in einer geräumigen Altbauvilla in Hamburg-Winterhude war sie in dieses Kellerzimmer mit winzigem Fenster im schönen Allgäu geraten. Immerhin hatte sie ein eigenes Badezimmer und einen eigenen Zugang über eine Kelleraußentreppe. Auch der Ort, in dem sie jetzt wohnten, war schön, bot alle Annehmlichkeiten einer mittelgroßen Stadt und, was besonders wichtig war, hatte eine direkte Bahnverbindung in die alte Heimat. Der Hauptbahnhof Kempten im Allgäu war nur zirka acht Zugstunden vom Hauptbahnhof Hamburg entfernt.

      Doch eines war gleich geblieben. Wie bereits in Hamburg teilte sie sich ein gemeinsames Haus mit ihrer Schwester und den beiden Kindern.

      Jessica griff nach dem großen Badehandtuch und trocknete sich sorgfältig ab, dann öffnete sie den Spiegelschrank über dem kleinen Waschbecken und holte ihre Schminktasche mit dem Lidschatten und dem Eyeliner heraus, lehnte sich dichter an den Spiegel und betrachtete ihr Gesicht.

      Sie hasste es, sich für die Arbeit zu schminken. Es war irgendwie nicht richtig und sie kam sich verkleidet vor. Eigentlich hatte sie immer gedacht, sie wäre schön genug ohne diese Maskerade, doch ihr neuer Chef bestand darauf.

      »Wenn ich Sie einstellen soll, dann müssen Sie schon etwas mehr auf jugendlich machen«, hatte er gesagt und süffisant gelächelt. »Immerhin sind sie schon über 30!«

      Ihr 30. Geburtstag war am Tag des Vorstellungsgespräches gerade zwei Tage her und bis zu diesem Tag hatte es ihr gar nichts ausgemacht zu »nullen«. Doch nach diesem Gespräch hatte sie sich alt gefühlt.

      Sie trug Lidschatten und Wimperntusche auf, wickelte sich in ihr Handtuch und lief hinüber in ihr Schlafzimmer. Dort angekommen, zog sie Unterwäsche, Nylonstrumpfhose und den kurzen schwarzen Rock über, der ebenfalls Voraussetzung für den neuen Job war, ging zum Kleiderschrank und suchte eine Bluse. Natürlich war wieder keine frische im Schrank. Sie würde eine bügeln müssen, bevor sie um 19 Uhr das Haus verließ. Jetzt musste erst einmal ein alter Pullover ausreichen. Fertig angezogen trat sie aus ihrem Zimmer, lief durch den kahlen, betongrauen Kellergang zur Innentreppe und ging hinauf in den Wohnbereich.

      »Hallo, Jess.« Ihre Schwester Susanne schloss die Haustür hinter sich, schlüpfte aus ihrer Jacke und hängte sie ordentlich an den Garderobenständer im kleinen Flur. »Bist du schon startklar?«

      Jessica rollte genervt mit den Augen. »Fast, habe noch eine gute Stunde, bis ich losmuss. Leider muss ich auch noch bügeln.« Sie zog genervt an ihrem dunkelbraunen Pullover, um zu demonstrieren, dass sie so sicher nicht gern gesehen wurde. »Und der Kuchen ist auch noch nicht gebacken.«

      Susanne trat auf sie zu, stellte sich auf ihre Zehenspitzen und gab ihr einen Kuss auf die Wange. Sie war gut einen halben Kopf kleiner als ihre Schwester. Ihre Haare waren ebenfalls blond, allerdings glatt und um einiges länger, doch trug sie sie im Gegensatz zu Jessica immer offen.

      »Du backst den Kuchen«, bestimmte sie und zwinkerte ihr gleichzeitig zu. »Und ich bügle für dich. Dann tut jede das, was sie viel besser kann als die andere. Okay?«

      Natürlich war Jessica einverstanden und natürlich hatte Susanne recht. Bügeln war nicht eine von Jessicas Stärken, doch Kuchen backen und Kochen konnte sie prima. Das war das einzige Talent, das sie von ihrer Mutter geerbt hatte, all die anderen Vorzüge und positiven Eigenschaften hatte ihr Vater mit in den Topf ihrer Erbmasse geworfen. Susanne war da anders. Im Gegensatz zu ihrer älteren Schwester kam sie beinahe ausschließlich nach ihrer Mutter. Sie war ordentlich, still, aber bestimmt, führte ihren Haushalt gut, schaffte es, Arbeit, Kinder und das Bügeln unter einen Hut zu bekommen, und war nahezu immer gut gelaunt. Gut, in letzter Zeit fiel ihr das Glücklichsein natürlich etwas schwerer und wie ihre beiden Kinder besuchte auch Susanne seit ein paar Monaten regelmäßig einen Therapeuten, doch wer mochte ihr das verdenken. In so jungen Jahren den Ehepartner und den Vater ihrer Kinder auf so tragische Weise zu verlieren, das war kein Pappenstiel, damit wurde keiner so leicht fertig.

      Jetzt arbeitete Susanne vormittags im Büro einer Anwaltskanzlei und war mittags immer pünktlich zu Hause, um Tobi aus dem Kindergarten abzuholen und Svenja nach der Schule bei den Hausaufgaben zu helfen. Es war ein großes Glück für Susanne gewesen, als angehende Junganwältin diesen Halbtagsjob zu bekommen, nachdem ihr Mann gestorben war. Ab und zu standen natürlich Überstunden an oder ein Gerichtstermin, der nicht in die Vormittagsstunden fiel. Doch das war relativ selten. Am Nachmittag schmiss sie dann den Haushalt, fuhr die Kinder zu Spielkameraden oder zum Blockflötenunterricht und saß abends gemütlich, aber allein auf dem Sofa und las oder schaute irgendeinen Krimi im Fernsehen. Manchmal weinte sie und schlief nach Stunden auf dem Sofa ein. Jessica fand sie dann immer dort, wenn sie nachts um 1 Uhr von ihrer Schicht nach Hause kam, legte liebevoll eine Wolldecke über ihre Schwester und strich ihr zärtlich über das samtweiche Haar.

      Für Jessica war es selbstverständlich gewesen, ihre Schwester ins Allgäu zu begleiten, als diese nach dem Tod ihres Mannes in Hamburg nichts mehr hielt. Wolfgang war ermordet worden. Jemand hatte ihn mit seiner eigenen Dienstwaffe erschossen, im Badezimmer der Wache, an der er seit vielen Jahren als Streifenpolizist gearbeitet hatte. Das ganze Unglück passierte auf der letztjährigen Weihnachtsfeier und wirklich niemand hatte etwas bemerkt. Auch die Spurensicherung hatte keine Finger- oder Fußabdrücke gefunden, keine anderen Rückstände wie Haare oder Stofffasern, absolut nichts, das einen Hinweis auf den Täter gegeben hätte. Auch Wolfgangs privater Hintergrund wurde durchleuchtet. Susanne musste in diesen Tagen viel ertragen. Musste berichten, ob ihre Ehe auch gut war, ob sie immer wusste, wo ihr Mann sich aufhielt oder ob Wolfgang irgendwelche verdächtigen Telefonate geführt hatte. Susanne wurde das alles zu viel. Sie war fest davon überzeugt, dass ihr Mann weder korrupt noch in irgendwelche kriminellen Geschichten verwickelt gewesen war. Auch Jessica war genau ihrer Meinung. Ihr Schwager war ein verlässlicher Polizist, der seinen Job beinahe genauso sehr liebte wie seine kleine Familie. Als leitende Kriminalhauptkommissarin fiel Jessica damals in Hamburg die Aufgabe zu, den Mord an ihrem Schwager aufzuklären. Doch obwohl ihre Erfolgsquote normalerweise erstaunlich hoch war und ihr Gespür sie bisher immer auf den richtigen Weg zum Mörder geführt hatte, kam sie bei diesem speziellen Fall keinen Millimeter voran. Noch nie hatte sie so sehr gewollt, dass ein Fall aufgeklärt wurde, und noch nie hatte sie so kläglich versagt. Vor allem die traurigen Augen ihrer Schwester waren ihr Vorhaltung genug. Obwohl Susanne ihr niemals einen Vorwurf gemacht hatte und immer wieder beteuerte, dass es nicht Jessicas Schuld war, dass der Mörder noch frei herumlief, gönnte sie sich keine Ruhe und arbeitete verbissen weiter an dem Fall, obwohl keine neuen Erkenntnisse zutage kamen. Sie trat auf der Stelle, ganze fünf Monate lang. Dann hängte sie ihren Job an den Nagel und zog mit ihrer Schwester ins Allgäu.

      »Tante Jessi?« Eine kleine Kinderhand schob sich in ihre und zwei große dunkelblaue Augen schauten zu ihr hinauf. »Wollen wir jetzt backen?«

      »Hey, Kleines. Hast du auch eine Telefonnummer?« Ein großer, breitschultriger Mann mit viel zu langem, rotblondem Haar stellte sich Jessica in den Weg, sodass sie erschrocken ins Straucheln geriet und beinahe das Tablett mit dem Bier und den Tortillas für Tisch 16 fallen ließ. Sie schob die verrutschten Gläser wieder zurecht, atmete einmal tief durch und setzte dann ein breites Grinsen auf.

      Jessica wurde bereits beim Vorstellungsgespräch erklärt, was ihr Chef und Besitzer der Kneipe, Markus Mertens, für sein Geld erwartete. Offenheit, Schlagfertigkeit und hier und da ein wenig flirten waren Pflicht. Auch durfte die Hand eines Gastes auf dem eigenen Hintern kein Problem darstellen und wäre sogar erwünscht. »Der Gast ist bei uns König, Kleines«, hatte Herr Mertens frivol grinsend bestimmt, »und zwar in jeder Beziehung. Ich hoffe, wir verstehen uns.«

      Nach bis dahin mindestens zehn Absagen hatte Jessica diese Arbeit schließlich dankend angenommen. Und die Gäste der Kneipe waren in Wahrheit erstaunlich umgänglich, nett und sehr gesittet. Wären da nicht diese ungewohnten und vor allem unbequemen Klamotten, würde ihr der Job sicher auch noch Spaß machen.

      »Bitte

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