Die Unwerten. Volker Dützer

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Die Unwerten - Volker Dützer

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aus, aber sein Gegner blockte ihn mühelos ab. Der Türsteher umfasste mit einer Hand Borsigs Faust und zwang ihn in die Knie.

      Lubeck schob seinen Stuhl zurück, entschlossen, seine Macht als politischer Leiter und SS-Untersturmführer einzusetzen. Bevor er eingreifen konnte, erloschen unvermittelt die Lichter im Lokal. Die Kapelle verstummte, Menschen schrien durcheinander, kreischten und riefen Warnungen. Nach einer Minute wurde der Strom wieder eingeschaltet und das Lokal wimmelte von Braunhemden der SA. Mit Knüppeln und Holzlatten begannen sie, systematisch das Inventar zu zerschlagen. Unter den Gästen brach Panik aus. Ein Schlägertrupp blockierte den Ausgang zur Straße, am Notausgang im hinteren Teil bildete sich eine Menschentraube. Die Braunhemden droschen wahllos auf alles ein, was sich bewegte. Ein bulliger Mann mit kurzgeschorenem blondem Haar brüllte Befehle und heizte seine Leute zu brutaler Gewalt an. Lubeck identifizierte ihn an seinen Rangabzeichen als Rottenführer. Innerhalb von fünf Minuten verwandelte sich die Pagode in ein Trümmerfeld.

      Lubeck hielt Ausschau nach Malisha, konnte sie aber nirgends entdecken. Borsig wehrte sich verbissen gegen den Rausschmeißer und steckte einen Schlag nach dem anderen ein. Lubeck erschrak, ihm wurde klar, dass die SA in dem Durcheinander keinen Unterschied zwischen ihm und den restlichen Gästen machen würde.

      Langsam arbeitete er sich im Schutz der Separeeabtrennungen zum Eingang vor. Der Rottenführer stand auf einem Stuhl, gestikulierte mit den Armen und dirigierte seinen Trupp. Die Tür flog auf und weitere Männer stürmten in das Lokal, an ihren schwarzen Ledermänteln unschwer als Gestapo zu erkennen. Lubeck fiel dem Anführer in den Arm.

      »Was geht hier vor?«, blaffte er den SA-Mann an.

      »Halten Sie die Schnauze. Rothbauer, überprüfen Sie seine Papiere!«

      »Ich bin Dr. Joachim Lubeck, Politischer Leiter der NSDAP. Ich besuche dieses Etablissement im Auftrag von SS-Obersturmbannführer Fritz Brunner, dem Leiter des Anstaltswesens Hessen-Nassau«, brüllte Lubeck, so laut er konnte. »Ich verlange eine Erklärung!«

      Der Rottenführer stieg von dem Stuhl und knallte die Hacken zusammen. »Haben den Auftrag, dieses Widerstandsnest hochzunehmen. Alles Kommunisten und Volksverräter hier.«

      »Nicht so laut, Mann. Ich bin ja nicht schwerhörig.« Lubeck blickte sich suchend um. Mit dem Bürschchen von der SA wurde er fertig, aber nicht mit der Gestapo. Wenn die Geheime Staatspolizei Malisha erst verhaftet hatte, würde er nichts mehr für sie tun können.

      »Woher wissen Sie denn, was hier im Hinterzimmer passiert?«, wollte Lubeck wissen.

      »Aktion ist sorgfältig vorbereitet«, schnauzte der Rottenführer. »Haben verlässliche Informationen, dass das Lokal Treffpunkt für subversive Elemente ist, Juden und anderes kriminelles Pack. Ausräuchern den Laden.«

      Lubeck wandte sich angewidert ab. Er mochte die Nazis nicht, dennoch würde er es niemals wagen, sich gegen sie zu stellen. Schließlich war er dem Haufen selbst beigetreten. Das war eben die Zeit, in der er lebte.

      »Danke für die Auskunft.«

      Er bahnte sich einen Weg durch das zerstörte Mobiliar. Borsig lag besinnungslos auf dem Boden, von dem Rausschmeißer fehlte jede Spur. Die Gestapo hatte ein Dutzend Männer von den Gästen abgesondert und ihnen befohlen, sich an einer Wand aufzustellen. Wenn es stimmte, was der Rottenführer behauptete, schwebten Malisha und ihr Balg in höchster Gefahr. Da fiel ihm ein, was er tun konnte.

      Er fand Malisha und ihre Tochter im hinteren Treppenhaus. Der Barkeeper hielt einen Verschlag offen und trieb mehrere Leute zur Eile an, darunter ein waschechter Chinese. Malisha drehte sich um und blickte Lubeck an.

      »Bleiben Sie bei mir und lassen Sie die anderen gehen«, befahl er.

      »Glauben Sie wirklich, ich würde meine Freunde im Stich lassen?«, erwiderte sie.

      Er machte einen schnellen Schritt auf sie zu. Sie wollte vor ihm zurückweichen, doch er hielt sie am Arm fest.

      »Es geht hier nicht um Freundschaft, sondern um Ihren Kopf … und um den Ihrer Tochter. Ich kann Sie beschützen, aber Sie müssen tun, was ich sage.«

      Sie versuchte, seinen Griff abzuschütteln. »Ich habe Freunde, die …«

      »Nichts haben Sie mehr. Das Lokal ist längst umstellt. Hier kommt keiner mehr raus.«

      Bevor sie antworten konnte, zerbarst die Außentür zum Treppenhaus unter einem gewaltigen Schlag. Fünf Braunhemden stürmten in den Flur, der vorderste Mann hielt eine Pistole in der Hand.

      »Keiner rührt sich. Alle an die Wand!«

      Lubeck schob Malisha hinter sich und bedeutete dem Mädchen, es ihr gleich zu tun.

      Der SA-Mann fuchtelte mit der Pistole und stierte Lubeck an. »Sie da! Pfoten hoch!«

      »Wissen Sie überhaupt, mit wem Sie reden?«, brüllte Lubeck. Er stellte sich vor und drohte wiederum mit Brunner. Der Mann ließ die Waffe sinken.

      »Ich wusste nicht, dass …«

      »Jetzt wissen Sie es. Diese Frau und ihr Kind stehen unter meinem persönlichen Schutz. Setzen Sie die übrigen Elemente fest, bis sich die Geheime Staatspolizei ihrer annimmt.«

      Der Mann beeilte sich, der Aufforderung zu folgen. Lubeck zog Malisha ins Freie. Hinter ihm brüllte der Anführer der Braunhemden: »Steckt das Rattennest an!«

      Rasch entfernten sie sich Richtung Bahnhof. Er entdeckte ein Taxi und signalisierte dem Fahrer anzuhalten.

      »Welchen Preis gedenken Sie denn zu fordern?«, fragte Malisha. In ihrer Stimme schwang bittere Ironie mit.

      »Fürs Erste … möchte ich Sie bitten, mit mir auszugehen.« Lubeck gewann an Selbstsicherheit. Er hatte die Lage unter Kontrolle. Er hatte Macht über diese Frau.

      »Ich muss Sie enttäuschen. Als Jüdin darf ich nach Einbruch der Dunkelheit das Haus nicht mehr verlassen. Kennen Sie die Verordnung Ihrer Parteifreunde etwa nicht?«

      »Das sind nicht meine Freunde. Ich mag die Nazis genauso wenig wie Sie, aber man muss sich mit den Mächtigen arrangieren, wenn man weiterkommen will. Wenn Sie mit mir ausgehen, wird Sie niemand nach einer Erlaubnis fragen. Hört sich das nicht verlockend an?«

      »Sie gehen damit ein großes Risiko ein«, sagte sie.

      Lubecks Herz schlug schneller. Ja, das tat er. Aber das war es wert. Er könnte behaupten, dass er nicht gewusst hatte, dass Malisha Jüdin war. Wenn er weiterhin so gute Arbeit ablieferte, würde Brunner ihn vielleicht sogar decken. Er konnte jetzt nicht mehr zurück, so kurz vor dem Ziel. Er würde sie besitzen, jeden Zentimeter ihres wunderbaren Körpers.

      »Sie sind es mir wert«, antwortete er.

      »Und wenn ich ablehne?«

      »Das werden Sie nicht.«

      »Was macht Sie so sicher?«

      Er beugte sich vor und streifte mit den Lippen ihre Ohrmuschel. »Weil ich so ein netter Mensch bin und Sie mich nicht verärgern wollen. Und weil auf meinem Schreibtisch ein Meldebogen liegt, der darüber entscheidet, was mit Ihrer behinderten Tochter geschieht. Dass Sie das Original gestohlen haben, nutzt Ihnen gar nichts. Selbstverständlich gibt es einen Durchschlag.«

      »Hannah

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