Jedes Kind darf glücklich sein. Maren Hoff

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Jedes Kind darf glücklich sein - Maren Hoff

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ich nun und dachte: ›Ich wollte doch einfach nur fünf Minuten Ruhe. Was war denn jetzt los?‹ und da merkte ich plötzlich – ich hatte genauso reagiert, wie mein Vater früher auf meine Mutter oder mich reagiert hat. Sogar der Tonfall war der gleiche. Ein Ton, der einem keine Chance lässt, wie ein Messer, das in einen reinfährt.«

      Was sie hier erlebt hatte, war eine Wunde, die sie mitgeschleppt hatte und die in einer Stresssituation ihren Ausdruck fand. Die Umgangsweise ihres Vaters hatte sie als Kind oft verletzt und sie hatte sich das Versprechen gegeben, nie in dieser Art mit anderen zu kommunizieren. Aber als sie sich angegriffen fühlte und selbst keine andere Möglichkeit des Schutzes für sich realisieren konnte, griff sie unbewusst auf ein uraltes erlerntes Muster zurück.

      »Bin das wirklich ich?«

      Vielleicht kennen wir ähnliche Situationen. Manche Menschen formulieren das auch ganz klar: »Ich will niemals so werden wie meine Mutter« oder »Oje, ich werde schon wie mein Vater«. Manchmal ist es uns auch nicht ganz so bewusst. Trotzdem bereiten uns Situationen, die diese Gefühle gar nicht verursachen müssten, große Angst, Panik oder Wut. Und eine kleine innere Stimme flüstert: »Moment mal. Was mir hier gerade passiert, die Art, wie ich gerade reagiere – das sind gar nicht meine Gefühle. Das ist gar nicht meins.«

      Ein Teil von uns wehrt sich nun mal dagegen, dass die Eltern falsch liegen könnten – falsch im Sinne unserer eigenen Maßgaben.

      In einigen Fällen lassen sich derartige »Fremdgefühle« leicht zuordnen. Dann erleben wir zum Beispiel, dass wir die Angst der Mutter in uns tragen. Wir hätten in einer bestimmten Situation vielleicht gar nicht so viel Angst. Aber wir haben familiär so oft eine angstgeprägte Reaktion in vergleichbaren Situationen erlebt, dass uns Angst als angemessene Reaktion erscheint. Nicht ängstlich zu reagieren könnte bedeuten, dass unsere Mutter immer »falsch« reagiert hat.

      Die Spuren von traumatischen Erlebnissen

      Auch über Generationen können Wunden weitervererbt werden. Diese sind allerdings wesentlich schwieriger zurückzuverfolgen. Besonders traumatische Erlebnisse, verbunden mit einem hohen Hormonüberschuss, etwa an Adrenalin oder Cortisol, können sogar die Verpackung unserer DNA verändern (siehe > f.). Bestimmte Gene werden dadurch quasi abgeschaltet, andere wiederum angeschaltet. Diese Veränderungen können über Generationen weitergegeben werden.

      Es ist mittlerweile wissenschaftlich nachgewiesen, dass besonders traumatische Erfahrungen wie Kriege ihre Spuren in der DNA hinterlassen und ihre Nachkömmlinge damit schon vor deren Geburt codieren. So können sich Angst und damit verbundene Stressreaktionen auch über mehrere Generationen hinweg in unserem Erbgut einprägen und unser Verhalten mitbestimmen.

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      Gene können durch Proteine aktiviert und deaktiviert werden. Letztere werden durch verschiedene Umwelteinfüsse, darunter auch unsere Gedanken, stark beeinflusst. Nicht förderliche Gedanken, aber genauso ein achtsamer Umgang mit uns selbst können auf diese Weise einen prägenden Einfluss haben.

      EPIGENETIK: WAS UNSERE DNA VERRÄT

      Es ist noch gar nicht so lange her, dass unsere DNA entschlüsselt wurde. Erst 1953 präsentierten James Watson und Francis Crick die anhand von Röntgenbildern von Rosalind Franklin entdeckte, heute so berühmte Doppelhelix. Diese zweistrangige, ineinandergedrehte Struktur von Molekülen ist bei nahezu allen Spezies Trägerin der Erbinformationen. Die meisten von uns kennen das Bild dieser Art Strickleiter aus einem doppelten Satz von je 23 DNA-Molekülen, den Chromosomen. Und wir erinnern uns auch, dass diese sich wie um sich selbst dreht. Der Erkenntnisgewinn ist auch noch lange nicht abgeschlossen. Erst in den 90er-Jahren des 20. Jahrhunderts konnten die US-Genforscher Collins und Venter den Gencode komplett dechiffirieren.

      Ein kurzer Überblick: Die DNA-Moleküle sind aus vier Basen aufgebaut. Vielleicht klingelt bei dem einen oder der anderen noch etwas, wenn wir die Begriffe Adenin (A), Thymin (T), Guanin (G) und Cytosin (C) lesen. Vielleicht auch nicht. Die Namen sind in diesem Kontext unerheblich, wichtig ist aber zu wissen, dass aus den unendlich vielen Buchstabenkombinationen (man geht zurzeit von circa 3 Millionen verschiedenen Möglichkeiten aus) unsere Erbinformationen gebildet werden. Lange nahm man an, dass die Molekülverbindungen der DNA etwas Statisches seien, unsere Erbinformationen also fest und unveränderlich. Seit ein paar Jahren sind wir aber wieder einen Erkenntnisschritt weiter: Die Wissenschaft der Epigenetik erlaubt einen noch tieferen Einblick in unsere Erbinformationen. Diese, so die Epigenetiker, sind nicht, wie bisher angenommen, eine unveränderliche Struktur, sondern können in ihrer Wirkungsweise durch äußere Einflüsse kurz- und langfristig beeinflusst werden.

      Was heißt das jetzt konkret? Es bedeutet, dass unsere Erbinformationen veränderbar sind. Von äußeren Umwelteinflüssen, von unserer Ernährung, von Hormonen und sogar von unseren Gedanken.

      Die Verpackung der DNA

      Und wie funktioniert das? Vereinfacht beschrieben gibt es eine Art Verpackung um unsere DNA. Die DNA-Struktur an sich ist stabil, allerdings kann ihre Verpackung durch verschiedene biochemische Prozesse entfernt oder verstärkt werden. Man kann sich das vorstellen, als wäre unsere DNA ein Arm und die Verpackung ein Pullover drum herum. Das Beispiel gibt natürlich nicht die Komplexität der Vorgänge wieder, aber es hilft, sich ein Bild von dieser Verpackung zu machen.

      Die Verpackungskette wird von drei dynamischen biochemischen Strukturen geprägt, die an die DNA andocken können und sie lesbar oder unlesbar machen. In der Wissenschaft der Epigenetik spricht man davon, dass bestimmte Geninformationen an- oder abgeschaltet werden können. Histome können die DNA umwickeln und unzugänglich machen, sie quasi blockieren. Sind Gene blockiert, können sie nicht weiter abgelesen werden. Zusätzlich haben die biochemischen Strukturen – für alle, die es genauer wissen wollen: Methylreste, Proteine und RNA, also DNA-ähnliche Moleküle – Einfluss darauf, ob unsere Gene eher im Inneren der DNA oder an ihrer Oberfläche lokalisiert sind, ob sie also einen aktiveren Einfluss auf uns haben oder einen passiveren. Gene können faul sein oder Streber und die Verpackung entscheidet darüber, ob sie das eine oder das andere sind. Sie ist quasi der Befehlsgeber. Auf diese Art und Weise kann sich sogar Trauma genetisch in der Verpackung unserer DNA verankern. Veränderungen in der Genaktivierung können an unsere Nachkommen weitergegeben werden. Umwelteinflüsse, darunter Ernährung, Stress und Gefühle, können den Zugang zu unseren Genen verändern, ohne die grundsätzliche Zusammensetzung infrage zu stellen. Wir können also nicht unseren Kern an sich ändern. Aber wir haben Einfluss auf unseren Befehlsgeber. Wir können mitbestimmen, welche Befehle erteilt werden und welche nicht. Das wollen wir uns im Folgenden genauer ansehen.

      DER EINFLUSS, DEN WIR AUF UNSERE DNA HABEN

      Durch die Ernährung

      Unsere Ernährung hat großen Einfluss auf unsere Erbstruktur. Extreme Mangelernährung kann unsere DNA über mindestens zwei Generationen hinweg codieren. So haben Studien gezeigt, dass Kinder, die sich im Winter 1946/47 in einem frühen Schwangerschaftsstadium im Mutterleib befanden und den extremen Hunger, die Mangelernährung und den damit verbundenen Stress der Mutter miterlebt haben, nicht nur bei der Geburt untergewichtig waren, sondern später im Leben überdurchschnittlich häufig an Diabetes, Herzproblemen und Depressionen litten.

      Auch übermäßiger Zuckerkonsum hat erheblichen Einfluss auf unsere DNA. Die Tendenz zur Übergewichtigkeit bei Kindern ist, wie neueste wissenschaftliche Studien untermauern,

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