Das Fest der Männer und der Frauen. Hans-Ulrich Möhring

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Das Fest der Männer und der Frauen - Hans-Ulrich Möhring

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Gefühle.«

      »Funktionieren Namen nicht allgemein so in unserer Kultur? wenn sie nicht von konkreten Vorfahren kommen? Meine Eltern haben bei Sofie bestimmt nicht an ›Weisheit‹ gedacht. Bei mir kommt halt die spezielle Einbildung dazu, dass das Namensgefühl durch die Verbindung mit dem Kind entsteht. Den Namen Leni habe ich geträumt, und im Traum nannte der Name genau die Gefühle, die jedes Mal in mir aufstiegen, wenn ich in meinen Bauch gelauscht habe. Da kommt eine tiefheitere, menschenverbindende Seele, dachte ich, eine, die andere anzieht und um sich versammelt. Eine Leni. Und damit war klar, dass es wieder ein Mädchen werden würde.«

      »Und unser Kind? Dein drittes?«, fragt Bo. Er ist jetzt hellwach, die Müdigkeit von vorher ist verflogen, der Schmerz im Knie vergessen. Ihm ist, als habe er mit seiner Liebsten unbekanntes Gelände betreten, mit unsicherem Untergrund, und er weiß nicht, ob der Boden trägt. Doch er will weitergehen, gar keine Frage.

      »Ich bin gegen Arno«, sagt Sofie. Ihr Blick ist ernst. »Er hat für mich nichts Germanisches. Er ist kein Bodo Ingo Gernot Thorsten. Der Geist, der aus ihm spricht, ist irgendwie anders, ein bisschen fremd und ungelenk und zwischen den Stühlen, aber im Herzen treu und bereit, wenn es drauf ankommt.« Sofies Stimme ist leise geworden. »Mein erstes Gefühl war: Gib ihm einen jüdischen Namen. Dann dachte ich: Jakob. Einer, der mit seinem Schicksal ringt. Der vielleicht mal ein großes Volk wird.«

      »Das war Abraham«, sagt Bo.

      »O je, ich bin nicht sehr bibelfest.« Sie wartet. »Könntest du dir den Namen vorstellen?«

      Bo lässt eine Zeit verstreichen. »Ja, könnte ich.« Seine Lippen bilden ein Lächeln. »Klingt doch gar nicht schlecht, Jakob … Anders, nehme ich mal an.«

      Sofie guckt entschuldigend. »Ich hätte schon gern, dass er so heißt wie seine Schwestern. Hättest du was dagegen?«

      Er schüttelt den Kopf. Dann streckt er sich ausgiebig. Er weiß nicht, was er empfindet. »Aber wenn es doch ein Mädchen wird, heißt sie Käthe!«, sagt er im ironischen Ton eines männlichen Machtworts.

      »Ist es nicht schlicht eine Frage der Macht? Also ich kann mir gut vorstellen, wie verunsichernd es für einen Mann sein muss, wenn er in so einem fremden Erfahrungsbereich mit einem rein weiblichen Akt konfrontiert wird, den er kaum beeinflussen kann. Ein extrem gewaltsamer und erschreckender Akt obendrein. Er hat überhaupt keinen Zugriff mehr auf seine Frau, die ganzen gewohnten Dispositive der Macht, könnte man sagen, sind ausgeschaltet. Er kann seine Frau jetzt bewundern und anbeten, er kann sich vor ihr entsetzen, sich vor ihr ekeln, sie bedauern, aber er kann nichts tun. Wäre es nicht denkbar, dass das Unbehagen, von dem Sie gesprochen haben, mit dieser Machtverschiebung zugunsten der Frau zusammenhängt?« Frau Autré fing den Blick ihrer Tochter auf. »Pardon, von dem du gesprochen hast, Bo, wollte ich sagen.«

      Bo dachte nach. »Ich glaube nicht«, sagte er schließlich. »Charlotte.« Die Anrede kam auch ihm noch nicht leicht über die Lippen, nachdem Sofies Mutter und er erst am Morgen beim Frühstück auf einen Stoßseufzer von Sofie hin zum Du übergegangen waren und dezent die Kaffeetassen darauf angeklickt hatten. Er blickte sein Söhnchen an, das beim Nuckeln an der Mutterbrust einen leisen Grunzlaut hören ließ. Sein Gesicht hellte sich auf. »Nein, ich glaube nicht«, wiederholte er. »Und Unbehagen ist übertrieben. Es war auch für mich eine Wahnsinnserfahrung, und stimmig für uns beide, denke ich, oder?« Sofie nickte, ohne aufzuschauen. »Nein, mein Problem ist, was dabei alles unausgesprochen bleibt, die Wolke von Unausgesprochenem sozusagen, die über dem Ganzen liegt. Ich meine nicht zwischen Sofie und mir – was uns betrifft, haben wir, glaube ich, so gründlich darüber gesprochen, wie wir konnten. Aber dass in kürzester Zeit in so einer wichtigen Sache ganz neue Verhältnisse einkehren, die überhaupt erst einmal begriffen und verarbeitet werden müssten, aber stattdessen werden sie einfach als der Normalzustand hingestellt, der sich von selbst versteht, und niemand fragt, wie die neue Normalität so plötzlich normal geworden ist – damit tue ich mich ein bisschen schwer.«

      »Und die neue Normalität besteht in der dienenden Männerrolle?«

      »Die neue Normalität besteht in der Forderung, dass es zwischen den Geschlechtern keinen Unterschied mehr gibt oder dass der kleine Restunterschied auf jeden Fall ohne praktische Bedeutung ist. Männer und Frauen sollen gefälligst gleich und unterschiedslos sein, zumindest in ihren gesellschaftlichen Rollen. Ich finde es, sagen wir, extrem verwirrend, in einer Situation zu sein, wo der Geschlechtsunterschied so groß und deutlich ist, wie er größer nicht sein könnte, aber es wird so getan, als wäre meine Anwesenheit in diesem fremden Lebens- und Erfahrungsbereich das Selbstverständlichste von der Welt, als hätte es gar nichts zu besagen, dass ich ein Mann bin. Alle sind sich einig, dass es ›neue Männer‹ braucht, ›neue Väter‹, und das Neue an diesen Männern ist, dass sie sich in ihrem Denken und Handeln nicht mehr von den Frauen unterscheiden dürfen. Ich hätte den Verdacht, dass damit auf die Dauer weder die Männer noch die Frauen glücklich werden.«

      »Interessant.« Charlotte strich sich die blondierten Fransen ihres schrägen Ponys aus der Stirn und wandte sich ihrer Tochter zu. »Und was ist mit den Frauen aus diesem Kreis, den du hast? Wären die keine Alternative gewesen? Das ist nicht als Kritik an Bo gemeint, aber die Frage kam mir schon, als du mir damals am Telefon von deinen Plänen erzählt hast: dass es eine Hausgeburt werden soll und dass dein Freund dabei sein wird und so weiter. Ich dachte immer, die Idee bei deinem Frauenkreis wäre, dass ihr euer Leben irgendwie weiblich gestaltet, dass ihr euch von den Männern unabhängig macht, gerade in … in den wichtigen Sachen, wie Bo sagt.« Sie bemühte sich hörbar um einen neutralen Ton.

      »M-hm«, machte Sofie, während sie den satten Jakob von der Brust nahm, sich abtupfte und ihn vorsichtig in sein Kinderbett in der Ecke legte. Bo schaltete sich ein. »Darüber haben wir natürlich auch geredet. Wenn eine andere Lösung stimmiger gewesen wäre, hätten wir uns dafür entschieden, kein Problem von meiner Seite. Ich musste mich nicht unbedingt als ›neuer Mann‹ profilieren, und es war auch nicht so, wie du vorhin gemeint hast, dass ich mir oder Sofie oder der Welt beweisen musste, dass ich die Sache auch mit der Verletzung durchziehen kann, und wenn es mir noch so schwerfällt.«

      »Es stimmt schon, dass Kinder zur Welt bringen eigentlich Frauensache ist und der Vorgang unmittelbar nur die Frauen angeht, nicht die ganze Familie«, sagte Sofie, während sie auf die Couch zurückkehrte und sich zuknöpfte. »Man könnte auch sagen, die vertraute häusliche Umgebung ist dafür völlig ungeeignet, weil eine Geburt das Unvertrauteste überhaupt ist. Die Grenzüberschreitung schlechthin. Sie sprengt jeden normalen Rahmen. In traditionellen Zusammenhängen gab es dafür eigene Reinigungsriten und Gebärhütten, und die waren den Frauen vorbehalten und wurden nur von Frauen eingerichtet, ganz praktisch, aber auch geistig. Die häusliche Umgebung ging wohl zur Not auch, aber die musste dann komplett verwandelt werden. Der Unterschied zu dem, was wir heute haben, ist weniger, dass damals die Männer ausgeschlossen wurden und heute werden sie einbezogen, sondern dass es eben sehr klare Vorstellungen von den Bereichen und Aufgaben gab, die Männer und Frauen hatten, und wir nur, wie Bo gesagt hat, eine diffuse Gleichheits- und Partnerschaftsideologie haben. So was wie getrennte Zuständigkeiten der Geschlechter halten wir für überholt. Die Leute früher haben sich Geschichten darüber erzählt, was Männer und Frauen sind und was sie für Zuständigkeiten haben, und das war für sie die Wahrheit, weil ihr Leben dadurch eine Form und eine Ordnung erhielt, aber vielleicht könnte es auch ganz andere Geschichten geben, Geschichten, in denen die Zuständigkeiten fließender sind und Männer und Frauen zum Beispiel aus ihren verschiedenen Räumen zum Akt der Geburt zusammenkommen und ihren eigenen Beitrag zum neuen Leben leisten, real wie symbolisch.«

      »Was könnten das für Geschichten sein?«, fragte Bo.

      »Vielleicht Geschichten von Bindung und Lösung, keine Ahnung. Von den verschiedenen Formen, in denen Frauen und Männer ein Kind an sich binden und die Bindungen wieder lösen, angefangen mit dem

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