Der Seele tiefer Grund. Beate Berghoff

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Seele tiefer Grund - Beate Berghoff страница 29

Der Seele tiefer Grund - Beate Berghoff

Скачать книгу

dankte dem Schmied mit kurzen Worten. Veit stand immer noch wie betäubt da und wusste nicht so recht, was er jetzt tun sollte. Sollte er sich bedanken? Oder kamen jetzt die Forderungen nach Gegenleistung? Ein Mitglied der Familie von Rabenegg gab niemals irgendetwas ohne Gegenleistung, das hatte er gelernt in den letzten Jahren.

      Heinrich wartete. Ein Dankeschön sollte doch wohl drin sein? Veit stand stocksteif und stumm da, und Heinrich war mit seinen Nerven am Ende. Nichts lief so, wie er es wollte. Er hatte sich entschlossen, Gnade zu zeigen und etwas Gutes zu tun. Und trotzdem liebten ihn die Leute nicht, ließen ihn nicht hochleben. Wortlos stieg er auf sein Pferd und ritt weg.

      Endlich.

      Endlich konnte er diese vertrackte Angelegenheit hinter sich lassen. Heinrich ritt in vollem Galopp zum Tor hinaus und preschte vorwärts Richtung Wald. Sein verheiltes Bein tat nach einiger Zeit weh, aber er ignorierte es. Er ritt und ritt, bis er und sein Pferd keuchte und sie von selbst langsamer wurden. Sie verfielen in Schritttempo, und Heinrich wurde ruhiger. Er sah die Natur um sich herum, hörte die Vögel singen, roch den Duft der Bäume. Immer wieder musste er daran denken, dass er fast der Einzige in seinem Gut war, der dieses Privileg genießen und einfach verschwinden konnte, wenn es ihm danach war. An einem wunderschönen Bachlauf hielt er an. Er stieg mit den Füßen im Bach herum und trank, und sein Pferd tat es ihm nach. Heinrich fühlte, wie seine Nerven sich beruhigten. In der Natur hatte er sich schon immer wohl gefühlt. Im Wald hatte er das Gefühl, dort hin zu gehören. Manchmal war es ihm sogar, als könnte er die kleinen Waldwesen wahrnehmen. Natürlich hätte er das niemals jemandem erzählen können. Seit er acht Jahre alt war hatte er das Kämpfen gelernt. Er hatte gelernt, hart zu sein; zu anderen, und vor Allem zu sich selbst.

      Lange war er immer von anderen jungen Knappen und Rittern und Höflingen umgeben gewesen, und da ging es für ihn nicht an, vor den anderen ruhig mit der Natur zu verschmelzen. Sie hätten ihn als Weichling betrachtet. Er seufzte. Jetzt fühlte er sich wohl. Alleine im Bach, nur sein Pferd und er.

      Heinrich setzte sich auf einen Felsbrocken und fühlte die Sonne auf seiner Haut. Er genoss die Wärme, entspannte sich und schlief langsam ein. Als er wieder aufwachte, fühlte sich Heinrich wunderbar ausgeruht, aber hungrig. Er aß dankbar was er mitgenommen hatte und teilte die Äpfel mit seinem Pferd. Oh, seine wundervolle Alba. Er schmiegte sich an sie und dachte, wie furchtbar es ohne Pferde wäre. Er streichelte sie, und Alba stupste ihn freundlich mit ihrer Nase an. Sein Pferd liebte ihn, das war offensichtlich. Und er liebte Alba.

      Heinrichs Herz wurde wieder schwer. Die Leute auf seinem Gut liebten ihn ganz sicher nicht. Sie kuschten vor ihm, und wahrscheinlich verachteten sie ihn heimlich. Vielleicht zu Recht. Was hatte er die letzten Jahre anderes getan, als faul zu sein und sein Geld zu verprassen? Er hatte vieles geändert in den letzten Monaten, eigentlich war Heinrich zufrieden mit sich. Aber da war immer noch sein Traum.

      Veit war wiederaufgetaucht. Vielleicht war das ein Zeichen des Himmels? Vielleicht konnte er tatsächlich mit Veit zusammenarbeiten. Vielleicht würde Veit ihn jetzt nicht mehr missachten. Vielleicht, vielleicht auch nicht. Würde er die viele Arbeit schaffen oder aufgeben, wenn es anstrengend wurde? Was, wenn es nicht klappte? Heinrich grübelte und grübelte.

      Der Heimweg zog sich, weil er so sehr mit Denken beschäftigt war und nicht durchgehend galoppierte. Die Strecke war doch länger gewesen als er das bemerkt hatte. Als Heinrich das Tor passierte, wurde es bereits dunkel und die Knechte hatten Feierabend. Trotzdem kam sofort einer angelaufen, verbeugte sich und nahm Alba mit sich. Heinrich blickte sich um, aber konnte Veit nicht bei den anderen Knechten entdecken. Na ja, dann eben morgen.

      Er suchte Martin, den er bei Alban fand. Er bat die beiden, heute ohne ihn zu singen und ging in seine Kammer. Dort zog er die Stiefel herunter und setzte sich in seinen großen Sessel, um nachzudenken. Es klopfte, und die Wirtschafterin stand da und fragte, ob er noch etwas zu Essen wünschte. Gerade wollte Heinrich irgendetwas Leckeres bestellen, als er innehielt. Die Knechte hatten Feierabend, die Mägde wahrscheinlich auch. Er fragte „Was hast Du denn noch da? Brot und Käse reichen auch.“ Die Verwalterin stutzte kurz, und meinte dann „Wir haben Brot und Käse, und noch Gerstensuppe. Aber natürlich können wir Euch auch noch etwas kochen.“

      Sie sah müde aus, und Heinrich versicherte ihr, dass Suppe und ein Butterbrot völlig ausreichen würde. Sie sah ihn kurz verwundert an und verschwand. Kurz darauf erschienen ein paar Mägde mit Unmengen an Suppe, Butterbroten, Pflaumenmus, Bier und einer großen Schüssel Honigquark mit Nüssen. Heinrich dankte den Mädchen und schob sie hinaus, um zu essen. Er hatte wirklich Hunger, und mit Hunger schmeckte auch das einfachste Essen unglaublich gut.

      Während er dasaß und zufrieden sein einfaches Mahl verzehrte, klopfte es wieder. Heinrich seufzte und bat den Besucher laut herein. Es war Veit. Heinrich hörte zu essen auf und starrte ihn an. Veit starrte auch, aber auf seine Fußspitzen. Er war sichtlich nervös, und Heinrich fragte sich, was er zu so später Stunde noch bei ihm wollte.

      Einige Zeit sagten beide nichts, und schließlich fasste Heinrich sich ein Herz. „Was willst Du?“ fragte er so höflich, wie er es trotz der Störung beim Essen noch hinbekam.

      Veit blickte auf. Er war blass. Ganz offensichtlich suchte er nach Worten, und holte schließlich tief Luft. „Ich denke, Ihr wünscht wahrscheinlich eine Gegenleistung, wegen der Fußketten“. Heinrich starrte ihn verblüfft an. Eine Gegenleistung? Darüber hatte er noch gar nicht nachgedacht. Er fragte „Wie kommst Du darauf?“. Veit zögerte. Dann sagte er sehr leise:

      „Alles hat seinen Preis“.

      Heinrich graute bei diesen Worten, er musste an das denken, was der Verwalter ihm über seinen Onkel und seinen Vater erzählt hatte. Er seufzte; es war kein gutes Gefühl. Wenn Veit doch einfach nur verschwinden würde! Heinrich wünschte sich so sehr, seine Ruhe zu haben, und nicht mehr nachdenken zu müssen. Er würde Veit wegschicken, aber erst, nachdem er ihm die Angst genommen hatte.

      Also sah er Veit fest an und meinte „Nein, ich erwarte keine Gegenleistung. Nimm es einfach als Geschenk von mir“. Veit blickte ihn skeptisch an, ganz offensichtlich glaubte er nicht, was er da hörte. „Ihr wollt ganz sicher nichts von mir?“ fragte er, und sein Gesicht spiegelte so viel Grauen und Entsetzen wider, dass es Heinrich langsam dämmerte, warum Veit zu ihm gekommen war. Diese Erkenntnis sorgte dafür, dass ihm übel wurde und ihm die Luft wegblieb, und er sagte nichts. Heinrich stütze die Arme auf den Tisch und legte sein Gesicht in seine Hände. Er rieb sich die Augen und versuchte, tief zu atmen. Als er wieder aufblickte, stand Veit immer noch da, sein Gesicht jetzt völlig leer.

      Da plötzlich hatte Heinrich eine Idee. Vielleicht würde es helfen, freundlich zu sein und Veit zum Essen einzuladen. „Komm her“ forderte Heinrich ihn übertrieben freundlich auf, und Veit kam näher und sank vor Heinrichs Sessel auf die Knie. Er wartete. Heinrich wusste nicht recht, worauf, und was er jetzt tun sollte. Plötzlich fragte Veit tonlos, wie aus einer anderen Welt: „Wie wollt Ihr mich?“

      Es dauerte einige Augenblicke, bis Heinrich verstand. Er zuckte weg und sprang auf. „Nein!“

      Er brachte einige Meter zwischen sich und Veit. „Nein! Veit! Ich….ich will Dich nicht, nicht so. Bitte steh auf!“

      Der letzte Satz klang so flehentlich, dass Veit tatsächlich aufstand. Er war verwirrt. Was wollte der Herr Heinrich dann? Heinrich kam langsam wieder näher und blieb aber in deutlichem Abstand zu Veit stehen. „Ich will wirklich keine Gegenleistung, versteh das doch. Wenn Du magst, dann bete für mich. Und vorhin habe ich mir beim Ausreiten gedacht, wir könnten wieder Pferde zureiten. Wenn Du magst, dann mach mit.“

      Das war es also. Pferde zureiten. Veit sog einen großen Schwall Luft ein und ließ die Luft langsam wieder nach draußen. Ihm war klar gewesen, dass es eine Gegenleistung geben musste.

Скачать книгу