Der Seele tiefer Grund. Beate Berghoff

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Der Seele tiefer Grund - Beate Berghoff

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hat, er kann absolut nichts dafür. Er musste für etwas büßen, was nicht seine Schuld war. Der Junge hatte so ein hartes Leben hier und es ist an der Zeit, dass sich das ändert. Das habe ich Euch schon oft gesagt.“

      Heinrich seufzte. Sein Verwalter war ihm tatsächlich schon öfter in den Ohren gelegen, Martin zu begnadigen und auch noch einige Andere, die Halseisen oder Fußfesseln trugen. Heinrich hatte das immer abgelehnt. Halseisen trugen die Knechte, die versucht hatten, wegzulaufen. Der mit den Fußfesseln hatte das vermutlich auch versucht, es kümmerte Heinrich nicht. Er hatte kein Mitleid mit Gesinde, das seinen von Gott angewiesenen Platz verließ.

      Der letzte Pfaffe, Albans Vorgänger, hatte ihm erzählt, dass der Apostel Paulus geschrieben hatte: „Ihr Sklaven, seid gehorsam Euren irdischen Herren.“ Der Apostel hatte wohl auch geschrieben, dass die Herren das Drohen sein lassen sollten, aber Heinrich wägte sich auf der sicheren Seite. Er drohte schließlich nicht.

      Es gab klare Regeln und jeder Leibeigene wusste genau, was passieren würde, wenn er weglief. Das hatte mit Drohen nichts zu tun. Es gab Regeln und Konsequenzen, jeder wusste das. Der neue Pfaffe, der seit 4 Jahren der Priester und Beichtvater auf Rabenegg war, hatte ihm noch etwas über einen noch recht unbekannten italienischen Mönch erzählt, Thomas von Aquin. Dieser Mönch, der noch gar nicht so lange tot war, hatte wohl in seinem Leben sehr viel über Theologie und gescheite Gedanken geschrieben, und Alban verehrte ihn sehr. Alban wäre wohl auch lieber ein Gelehrter und Philosoph gewesen als der Pfaffe in einem heruntergekommenen Rittergut. Dieser Thomas von Aquin hatte die Heilige Schrift studiert und war überzeugt, dass die Sklaverei ein Naturrecht war. Die natürliche Ordnung, also machte sich Heinrich keine weiteren Gedanken über die Leibeigenschaft seiner Leute. Es war die von Gott gewollte Hierarchie, und alle mussten sich fügen.

      Alban hatte dem Herrn noch mehr von den Theorien dieses italienischen Mönches erklären wollen, aber Heinrich hatte es nicht verstanden. Schon den Unterschied zwischen „Sein“, „Wesen“ und „Existenz“ hatte er nicht begriffen und es auch gar nicht begreifen wollen. Damals waren gerade seine Freunde dagewesen, und Spaß und Wein waren deutlich wichtiger gewesen als irgendwelche seltsamen Ansichten von Mönchen, die er gar nicht kannte.

      Früher wäre das nichts so gewesen. Früher hätte sich Heinrich sicherlich für solche Gedanken begeistern können. Heinrich hatte gerne nachgedacht, gerne gelernt. Er hatte auch unglaublich gerne gesungen und musiziert. Als Page durfte er im Haushalt seines Ritters das Streichpsalterspiel erlernen, was ihm große Freude gemacht hatte. Allerdings hatte sein Vater ihm das alles ganz schnell wieder madig gemacht und verboten. Sein Vater war der Meinung gewesen, dass Musizieren, philosophische Gespräche und überhaupt die feinen Künste nichts für einen Ritter wären, nichts für einen richtigen Mann. Heinrich hatte sich gefügt, wie immer. Er war halt dann der mutige Kämpfer, der Haudrauf, der Säufer und Weiberheld geworden, ein echter Mann eben, genau wie sein Vater vor ihm.

      Und sein Onkel.

      Heinrich schauderte leicht. Sein Onkel Markwart war ein übler Mensch gewesen. Über die Maßen grausam, über die Maßen zornig, über die Maßen voll Begierde. Markwart war der jüngere Bruder seines Vaters gewesen und war lange als Kämpfer in der Welt umhergezogen, bis er zu alt zum Kämpfen war. Dann, vor ungefähr 12 Jahren, war er am Gut seines Bruders aufgetaucht und geblieben, sehr zum Leidwesen der Leute dort. Heinrich war nicht blind, also hatte er sehr wohl bemerkt, wie Markwart wütete. Keine Frau und auch kein junger Mann waren vor ihm sicher gewesen. Er wollte sogar Hand an seinen Neffen legen, aber das hatte der Vater gottlob sehr schnell unterbunden. Man hatte sogar gemunkelt, dass Markwart sich durch Grausamkeit Lust verschaffte, dass er es liebte, andere Menschen zu quälen. Heinrich wusste es nicht, er war zu lange weggewesen. Als er als Hausherr zurückkehrte, was Markwart schon lange tot gewesen. Niemand hatte ihm eine Träne nachgeweint.

      Der Verwalter riss Heinrich aus seinen Gedanken: „Ich werde es ihm also sagen. Sonntag ist künftig auch für ihn ein freier Tag, und er muss nicht mehr hungern. Können wir auch das Halseisen endlich abnehmen?“

      Heinrich war gereizt. Er gab dem Verwalter den kleinen Finger, und der wollte gleich wieder die ganze Hand. Gefährlich ruhig fragte er: „Warum trägt er denn das Halseisen?“

      Ulrich war ebenso ruhig. Er tat zwar immer genau das, was der jeweilige Herr von Rabenegg befahl, aber einschüchtern ließ er sich schon lange nicht mehr. „Es ist weggelaufen, als er 14 war. Seitdem hat er das Halseisen. Es scheuert die Haut auf und tut furchtbar weh. Außerdem ist bei den Leuten mit einem Halseisen der Hals ständig entzündet. Viermal schon hatte Martin den Wundbrand und hat nur knapp überlebt.“

      Heinrich hatte diese Debatten um Halseisen und Fußfesseln so satt. Die Leute trugen sie ja nicht ohne Grund. Wenn Ulrich das Sagen hätten, würde ihn das Gesinde ausnutzen und tun, was es wollte. Also erinnerte er den Verwalter: „Weglaufen wird streng bestraft. Wenn wir die Halseisen abnehmen lassen, dann ist das doch eine Aufforderung an alle, wegzulaufen, weil sie genau wissen, dass ihnen nichts passiert. Es ist doch ganz gut, wenn das Eisen scheuert und wehtut, dann denken die Leute immer dran, dass Weglaufen nicht ratsam ist.“

      Ulrich seufzte. „Er hat Euch das Leben gerettet und Euer Bein wieder eingerenkt. Er hat Euch mehr gegeben, als Ihr ihm je geben könnt. Warum könnt Ihr ihm nicht einfach auch was Gutes tun?“

      Heinrich wurde wütend. Warum eigentlich bat sein Verwalter für einen Verbrecher? Sah denn niemand, was Martins Familie getan hatte? Er giftete: „Ich habe ihm das Hungern und das Arbeiten am Sonntag erlassen. Das reicht doch wohl, wenn man bedenkt, was seine Familie getan hat, was seine Sippschaft angerichtet hat! Ich will das Andenken meiner Mutter ehren und ihren bitteren Tod nicht vergessen lassen.“

      Er sah, dass Ulrich versuchte, ruhig zu atmen. Anscheinend ärgerte er sich. Sollte er doch! Sie würden hier wohl nie einer Meinung sein. Ulrich hatte aber noch etwas dazu zu sagen: „Wenn Ihr wirklich das Andenken Eurer Mutter ehren wollt, dann macht ihm das Leben leichter, sie hätte das so gewollt!“

      Heinrich wurde noch wütender. „Lasst meine Mutter aus dem Spiel. Was hat sie damit zu tun? Wegen seiner Familie ist sie gestorben. Ich darf mich doch wohl rächen? Oder soll ich ihn beglückwünschen für das, was seine Sippschaft getan hat?“ „Aber Heinrich, Eure Mutter hätte es bestimmt nicht gutgeheißen, dass Ihr einen Menschen quält, für dessen Schutz sie gestorben ist.“

      Heinrich starrte ihn nur an. Was wollte der Verwalter von ihm? Wieso sollte seine Mutter für dieses Mann gestorben sein?

      „Ich verstehe nicht. Von was sprecht Ihr? Meine Mutter hat sich das Leben genommen, weil ein aufständischer Bauer sie geschändet hat. Martins Vater.“

      Ulrich hatte die Unterlippe in den Mund gesogen und biss drauf herum. Unbehaglich sag er Heinrich dabei an. Dann, irgendwann, atmete er tief ein und fragte. „Ihr wisst es also nicht?“

      Heinrich war angespannt. Was sollte er nicht wissen? Worum ging es überhaupt? Also meinte er: „Nein, ich weiß nicht, was Ihr mir sagen wollt. Aber Ihr wollt mich sicher aufklären.“

      Ulrich sah nicht so aus, als würde er Heinrich unbedingt aufklären wollen. Aber es half nichts.

      Langsam fragte er: „Ihr wisst nicht, wer Martin ist?“

      Heinrich verlor langsam die Geduld: „Doch, ich weiß, wer er ist. Der Sohn von rebellischen Bauern. Die Leute, die uns damals verschleppt und gefangen gehalten haben. Die Leute, die Unglück über uns gebracht haben und wegen derer meine Mutter, hochschwanger mit dem Kind ihres Vergewaltigers, sich das Leben genommen hat. Reicht das?“

      Ulrich setzte sich. Er war blass. Er vergrub sein Gesicht in seine Hände und saß einfach nur stumm da. Heinrich stutzte. Irgendetwas stimmte ganz und gar nicht, also fragte

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