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Sie brauchte und liebte ihn über alles, denn er war die einzige Zuflucht in ihrem hektischen Universum und Max hatte eigentlich nie darin gestört.

      Aber warum beabsichtigte Michael, das alles zu ändern? Ninas anfängliche Entrüstung verwandelte sich zunehmend in hilflose Angst, dass er seine Pläne verwirklichen würde. Ein Gefühl aus der Kindheit nahm mehr und mehr Besitz von ihr und eine tiefe Narbe der Erinnerungen drohte aufzuplatzen. Nina riss sich zusammen. Sie musste verhindern, dass alles zusammenstürzte. Er durfte sie nicht allein lassen. Ihr Blick schweifte zu der Palme neben ihrem Schreibtisch, vielleicht waren sie wirklich nur überarbeitet und brauchten Urlaub. Es musste doch einen anderen Ausweg geben.

      Das Klingeln ihres Handys unterbrach die Urlaubsträume.

      »Nima, ich wollte mich nur mal kurz melden. Ich wollte euch nicht stören und bin schon ganz früh in die Werkstatt«, tönte die von Motorgeräuschen begleitete Stimme ihres Bruders. »Du, ich … ich weiß nicht, wie ich das sagen soll, gestern Abend … es tut mir so leid. Ich wollte das nicht. Der arme Michi, jetzt ist er sicher noch wütender auf mich.«

      »Max! Du sollst mich nicht Nima nen…«

      »Doch! Für mich bist und bleibst du Nina-Mama!«, sagte Max und lachte. »Ich habe vorhin mit einem Freund telefoniert, der auch so ein Klavier hat. Mein Kumpel sagt mir später, wo man am besten so etwas reparieren lassen kann.«

      Nina musste zum ersten Mal an diesem Tag lächeln.

      »Max, es ist ein Flügel und kein Klavier. Ich glaube, Michi will sicher selbst für die Reparatur sorgen. Du weißt, was der Flügel für ihn bedeutet.«

      »Ich werde mich heute Abend bei Michi entschuldigen und die Reparatur bezahle ich ihm auch. Hoffentlich ist er dann nicht mehr so böse auf mich. Schuld war nur mal wieder die blöde Trinkerei, und meine Kumpels waren plötzlich nicht mehr da. Wenn ich die sehe, bekommen die erst mal Prügel.«

      »Nein, das wirst du nicht tun, Max. Diese Freunde lässt du künftig schön in Ruhe. Nur dein Portemonnaie sollten sie dir zurückgeben.«

      »Ja, Nina.« Max’ Stimme wurde kleinlaut. »Ich mache das bestimmt wieder gut – versprochen. Und am Wochenende putze ich dein Auto und …«

      »Alles gut, Kleiner. Wir reden später. Ich muss jetzt wirklich weitermachen.« Nina beendete Max’ Wortschwall, Ferdi stand mit einem fragenden Gesichtsausdruck vor ihrem Schreibtisch.

      In den nächsten Stunden arbeitete sie mit dem aufgeweckten jungen Mann an dem Moodboard für den Wellness-Drink eines großen Getränkeherstellers. Nina war dankbar für seine humorvollen und manchmal doppeldeutigen Kommentare hinsichtlich einzelner Szenen der Collage. Sie lachten und stecken die Köpfe zusammen und kamen immer wieder auf eine noch treffendere Aussage. Erst am frühen Nachmittag erinnerte Ninas knurrender Magen daran, dass es längst Zeit für eine Nahrungsaufnahme war. Sie rief auf Michaels Handy an, um ihm ein Versöhnungs-Essen in seinem Lieblingsrestaurant vorzuschlagen, aber er ging nicht ran. Michi beantwortete nur ungern Anrufe auf dem Handy, daher war dies nichts Ungewöhnliches. Nina überkam das ungute Gefühl, dass ihr Mann aus einem anderen Grund nicht an sein Telefon ging. Sie steckte ein paar Geldscheine in die Tasche ihrer Jeans und rannte los, um in der Snackbar gegenüber wenigstens ein Sandwich zu besorgen.

      Im Treppenhaus hörte sie Pierres Stimme, der ein Stockwerk tiefer leise telefonierte. Erschrocken hielt sie inne, denn seine Worte klangen ungewohnt gefühllos und hart und passten überhaupt nicht zu dem sonst so liebenswürdigen Kollegen. Es war eindeutig Pierres Stimme, aber ein ganz anderer Mensch schien dort zu sprechen.

      »… nein, du Idiot, der Link funktioniert nicht. Ich kann mich nicht anmelden … natürlich über den Torbrowser, glaubst du, ich bin blöd …« Nina lauschte fassungslos, wie Pierres Stimme lauter wurde: »Ich musste jetzt die Bilder auf CD brennen und hab dir eine Kopie geschickt … steht Kleinkram drauf … das Material ist echt gut … nein, wie versprochen zwischen vier und maximal fünfzehn … hör mal, das kostet mich eine Stange Geld, das Material ist auch nicht mehr mit zwanzig Euro zufrieden. Die wollen alle neue Sneakers oder ein Handy …«

      Nina wagte es kaum zu atmen. Vorsichtig schlich sie die Treppe hinab und räusperte sich. Als Pierre sie erblickte, unterbrach er sofort das Gespräch und bedeckte mit der freien Hand den Lautsprecher seines Handys. Ein paar Sekunden standen sie sich gegenüber wie ein altes Ehepaar, das sich gegenseitig mitten in der Nacht vor der geöffneten Kühlschranktür erwischt. Pierres blasses Gesicht wirkte zunächst wie versteinert, dann blitzen seine Augen sie wütend an.

      »Nina, ich führe hier gerade ein sehr privates Telefonat. Du willst sicher nicht zuhören. Oder?«

      Nina nickte ihm verständnislos zu und stürmte vorbei. Draußen auf dem Parkplatz atmete sie tief durch. Was oder besser wer war denn das? Welches Geheimnis steckte nur in dem Kollegen?

      Der Wind hatte die Regenwolken vertrieben und warme Sonnenstrahlen empfingen sie an der belebten Straße, aber Ninas Appetit war vergangen. Selbst die Leute, die ihr auf dem Weg begegneten, wirkten fremd und ihre Blicke vorwurfsvoll. Die Theke des Sandwichladens erschien ihr wie ein Tribunal und die Stimmen um sie herum klangen für sie wie Anklagen.

      Nina bezahlte schnell ihre Flasche Orangensaft und rannte fort. Wie paralysiert lief sie durch eine Umgebung, die nichts mehr mit der Welt gemeinsam hatte, die sie zuvor erlebt hatte, alles schien verändert und in einer seltsamen Weise beängstigend zu sein. Sie sehnte sich danach, endlich einen gemütlichen Abend mit Michi zu verbringen und alles wieder so vorzufinden, wie es war. Der Flügel würde repariert und Michi mit ihr in seinem Lieblingsrestaurant etwas essen und bei einer Flasche Wein über seine Pläne reden. Auch wenn die gestrigen Ereignisse und Michis Ankündigung ihre Probleme deutlich gemacht hatten, so gab es doch gemeinsam eine Lösung dafür. Michi hatte möglicherweise nichts dagegen, wenn Max sie kurz begleitete – nur während der Umzugsphase, für ein paar Wochen. Eine Trennung von seinen trinkfreudigen Kumpels würde ihm sicher helfen. Nina drehte um und eilte zurück ins Büro. Es war die perfekte Möglichkeit Michi in ein paar Wochen zu begleiten, ohne ihren Bruder hier allein zu lassen.

      Die Bildbearbeitung für Pierres Präsentation gestaltete sich zeitaufwendiger erwartet, denn Ninas Perfektion entging kein einziges Detail. Erst zwei Stunden später speicherte sie die gesamte Mappe und legte ein Exemplar in Pierres Mail-Eingang. Als sie einen Ausdruck der umfangreichen Präsentation auf seinen fast leeren Schreibtisch legen wollte, wich sie erschrocken zurück, denn neben seinem Mac lag eine CD mit der Aufschrift Kleinkram. Das Telefongespräch im Treppenhaus schoss ihr in den Kopf. Doch Pierre, der nicht weit entfernt heftig gestikulierend mit dem Agenturleiter Patrick redete, hatte sie schon entdeckt und kam sofort auf sie zu.

      »Nina! Danke, Liebes. Du bist wirklich ein Schatz.« Er verzog die Mundwinkel zu einem Lächeln, aber seine Miene blieb distanziert und aufmerksam.

      »Ich … ich wollte dir nur die Mappe für die Hartmann-Präsentation geben.« Ninas Stimme bebte, obwohl sie sich bemühte unbeteiligt zu bleiben.

      Pierre schien das zu merken. »Alles okay? Du klingst gerade etwas außer Atem. Vorhin warst du auch ziemlich in Eile?«

      Nina schüttelte den Kopf. »Ja, es sind ein paar Sachen liegen geblieben und ich wollte nur schnell zwischendurch etwas Essbares holen.«

      Sein durchdringender Blick ließ sie nicht los. »So? Also nur schnell etwas zu essen?«

      »Ja, klar.« Nina drehte sich weg. Aber Pierre hielt sie am Arm fest.

      »Du … ähm … Nina … du verstehst schon, dass jeder ein Privatleben hat, über das hier nicht geredet werden

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