Ich darf nichts sagen.. Johanna E. Cosack

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Ich darf nichts sagen. - Johanna E. Cosack

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an diesem Abend wieder zum Guten wenden. Bilder von Michi tauchten auf und verschwanden.

      Nein, dies musste ein Albtraum sein, aus dem sie gleich aufwachen würde, und Michi saß wie gewohnt am Flügel. Nina schloss die Augen und versuchte zu atmen.

      Als sie sie nach ein paar Sekunden wieder öffnete, drehten die Wände sich um sie herum wie ein Karussell. Sie taumelte zu einem Sessel, schlug die Hände vor das Gesicht und weinte. Eine Flut von Tränen wollte den unerträglichen Schmerz aus ihrem Herz hinwegspülen und eine ohnmächtige Verzweiflung kroch kalt durch ihren Körper. Ihre Welt war zerbrochen.

      Stundenlang saß sie zitternd da, bis sie keine Tränen mehr hatte, und es wagte die Hände von ihrem Gesicht herunter zu nehmen. Es war stockdunkel.

      Aus dem Nachbarzimmer ertönten laute TV-Geräusche und Max hantierte in der Küche. Kleiner Max, schoss ihr in den Sinn, er würde sich Vorwürfe machen, wenn er von Michis Weggang erfährt. Nina sprang auf, um im Badezimmer ihr Gesicht wieder in Ordnung zu bringen, als er leise an der Tür klopfte.

      »Hallo, jemand zu Hause bei euch?« Ihr Bruder streckte den Kopf durch den Türspalt. »Nina? … Michi? Hier ist ja alles dunkel. Kann ich reinkommen?«

      »Ja … aber klar, Maxi«, antwortete sie und wischte schnell über die Augen.

      Max’ schwarze Silhouette wirkte riesig vor dem hell erleuchteten Flur. Er schaltete das Licht an, blieb aber neben der Tür stehen, in der Hand einen Strauß Blumen. »Nima für dich!« Freudestrahlend hielt er ihr den Strauß entgegen, ließ ihn aber sofort sinken, als er Ninas verweintes Gesicht sah.

      »Um Himmels willen was ist denn mit dir? Ist irgendwas passiert?« Max kam näher und legte die Blumen auf ein Tischchen. Sein entsetzter Blick ließ sie nicht los. »Wo ist Michi? Nina, was ist los?«

      »Ach, nichts, Maxi … du … du kannst nichts dafür.« Wieder schluchzte Nina.

      »Aber Du weinst ja! Hat dich jemand geärgert? Glaub mir, den mache fertig, und zwar krankenhausreif.« Sofort ballte Max die Fäuste, aber dann lockerte er sie wieder und umfasste vorsichtig ihre Schultern. »Oder … Nina, hast du wegen dem Klavier geweint?«

      »Nein, Max, du darfst niemand prügeln. Es ist …« Ihre Stimme versagte.

      »Doch wegen dem Klavier, hab ich recht?«

      Nina umarmte ihn. Max war wesentlich größer als seine Schwester, stämmig und durch sein jahrelanges Boxtraining hatte er breite muskulöse Schultern und Arme. Die schwarzen, sehr kurz geschorenen Haare und tief liegende, dunkle Augen verliehen ihm ein gewalttätiges Aussehen, aber in seiner einfältigen Persönlichkeit steckte ein weicher, gutmütiger Charakter. Nein, Max trägt keine Schuld, dass Michael weggegangen ist. Es war sinnlos nach einem Grund für sein Weggehen zu suchen. Die Verantwortung dafür trug sie ganz allein. Nina löste sich aus seinem Arm und gab ihm einen kleinen Schubs.

      »Nein, kleiner Bruder. Der Flügel wird bestimmt schnell wieder repariert sein. Komm, wir setzen uns jetzt erst mal. Möchtest du ein Bier?«

      »Ja, klar doch, ich mach das schon.« Max schob Nina energisch zum Sessel. In der Küche stellte er die Blumen in eine Vase und kam mit einem Glas Rotwein und einer Bierflasche zurück.

      »Maxi.« Nina sprach leise, denn jedes Wort fiel ihr schwer. »Du musst mir glauben, es hat wirklich nichts mit dir zu tun, Michael ist heute vorübergehend ausgezogen. Er braucht für seine Kompositionen etwas Ruhe und in ein paar Wochen beginnt er eine neue Stelle an einem Konservatorium in Rom. Er hat mich gebeten, ihn zu begleiten, aber ich kann hier nicht einfach alles stehen und liegen lassen. Der Job und so, weißt du? Daher ist er zunächst allein vorgefahren.«

      »Mit seinem alten Auto die ganze Strecke nach Italien? Vorgefahren?« Maxi sah sie ungläubig an. »Aber Nima! Wieso? Er kann uns doch nicht einfach zurücklassen. Und was ist mit dir? Habt ihr euch etwa gestritten? Wegen dem Flügel?«

      Nina schüttelte energisch den Kopf und sah ihn so fest wie möglich an. »Nein, Maxi! Wir haben uns nicht gestritten und wegen des Flügels schon gar nicht. Michi braucht einfach nur Zeit für sich … wegen seiner Musik. Verstehst du?«

      »Nein, das verstehe ich absolut nicht, denn ich sehe doch, wie traurig du bist.«

      »Ich bin nur ein wenig traurig, weil das alles so plötzlich gekommen ist.«

      »Das ist doch nicht richtig. Ihr liebt euch doch und da macht man sich nicht so einfach auf und davon.« Wie um seiner Aussage mehr Nachdruck zu verleihen, haute er mit der Faust auf sein Schenkel.

      »Michael ist nicht einfach auf und davon …«

      »Doch! Er ist einfach weggerannt wie Papa damals. Ich sage dir, wenn ich dem jemals begegne, breche ich ihm die Nase, bevor er auch nur Guten Tag gesagt hat.«

      »Max! Das ist kompletter Unsinn. Michi und ich … wir lieben uns und werden bestimmt einen Weg finden, damit wir wieder alle zusammen sein können.« Und mehr zu sich selbst: »Papa hingegen ist bestimmt schon lange tot und irgendwo in Südamerika begraben.«

      Max beruhigte sich etwas, aber es war ihm anzusehen, dass er ihre Worte bezweifelte. Er sah sie eine Weile nachdenklich an, dann verschwand er wortlos in die Küche. Fünf Minuten später kam er mit einem Teller belegter Brote zurück.

      »Jetzt iss erst mal etwas. Ich vermute, du hast heute mal wieder keine Zeit zum Essen gehabt.« Max’ dunkle Augen strahlten vor Freude, als sie sich auf die Brote stürzte. Er füllte Wein nach und nachdem sie alles bis auf den letzten Krümel gegessen hatte, brachte er den leeren Teller wieder in die Küche.

      Nach ein paar Minuten kam er zurück. Seine kräftige Gestalt stand verloren mitten im Zimmer. »Nima, du solltest …« Er brach ab.

      Nina lief zu ihm. »Nichts sollte ich jetzt tun, außer dir Danke zu sagen. Das hat gut getan. Max, wenn ich dich nicht hätte …«

      »Wenn du mich nicht hättest, ging es dir besser und du könntest mit Michi nach Rom gehen.« Seine dunklen Augen glänzten feucht.

      Nina atmete ein, um sofort zu widersprechen, aber sie brachte kein Wort heraus. Sie riss sich zusammen. »Max, du redest wirklich Unsinn! Michis Auszug hat überhaupt nichts mit dir zu tun. Ich kann hier nicht so einfach alles stehen und liegen lassen. Jetzt geh schlafen und mach dir keine Sorgen. Ich komme schon klar.«

      Max tappte langsam zur Tür, aber sein Blick blieb auf Nina gerichtet, bedrückt und doch verständnisvoll zugleich. »Ich geh dann mal rüber. Ruf mich ruhig, wenn du Angst hast oder etwas sein sollte.« Nina knuffte ihn im Hinauslaufen heftig auf den Arm. »Keine Bange, ich weiß, dass ich einen starken Beschützer habe.«

      Nachdem Max das Wohnzimmer verlassen hatte, nahm sie erneut das Notenblatt und las Michis Brief immer wieder, bis die Schriftzüge vor ihren Augen verschwammen. Die Stille des sonst von Klaviertönen erfüllten Raumes war fremd und das Gespräch mit Max ging ihr nicht aus dem Kopf. Könnte sie ihn tatsächlich zurücklassen und Michael nach Rom folgen? Nein, niemals. Es musste doch eine andere Lösung geben. Die Idee schien wie ein egoistischer Verrat an dem kleinen Bruder zu sein. Ihre Gedanken drehten sich im Kreis und trotz ihrer Müdigkeit war sie hellwach. Wie sollte sie Ruhe finden ohne Michis Geborgenheit? Schon allein die Vorstellung, ohne ihn einzuschlafen war unerträglich. Stundenlang saß sie regungslos im Sessel, Michis Brief in der Hand, ein weiteres Glas Rotwein in der anderen. Sie war so leer wie das Zimmer und die Flasche Wein vor ihr auf dem Tisch.

      Am

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