Ich darf nichts sagen.. Johanna E. Cosack

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Ich darf nichts sagen. - Johanna E. Cosack страница 9

Ich darf nichts sagen. - Johanna E. Cosack

Скачать книгу

ins Bett gegangen war. Verwirrt öffnete sie die Tür, doch der Anblick ihres Bruders löschte die Vorstellung, dass Michi zurückgekehrt war, sofort wieder aus.

      Max hielt ihr ein Tablett mit Kaffee und frischen Brötchen entgegen.

      »Guten Morgen, Nima. Ich wollte dir nur ein Frühstück bringen.« Seine müden Augen wirkten tiefer als sonst, trotzdem versuchte er zu lächeln. »Ist alles okay? Oh je, ich glaube, ich sollte dir gleich noch ein Glas Wasser und Aspirin dazu stellen.«

      »Danke Maxi, das ist so lieb von dir. Aspirin könnte ich wirklich gut gebrauchen.« Sie nahm das Tablett entgegen und nippte kurz an dem Kaffee. »Mmm, schon viel besser.«

      Max blieb unschlüssig in der Tür stehen. »Du … ähm, kann ich irgendetwas für dich tun?«

      Nina strich ihre wirren Haare aus dem Gesicht und blickte ihn fest an. »Maxi, du tust doch schon so viel! Mach nicht so ein Theater um die Sache. Du weißt doch, dass wir bisher immer füreinander da waren, also werden wir auch die nächste Zeit überstehen. Michi wird sich bestimmt sehr bald telefonisch melden und dann sehen wir weiter. Es ist alles okay, du musst dir wirklich keine Sorgen machen.«

      Max zögerte. »Ja, vielleicht, ich weiß nicht.«

      »Ganz sicher, Kleiner! Und du musst jetzt los zu deiner Arbeit, sonst kommst du zu spät.« Nina schob ihn zur Tür hinaus mit der gesamten Kraft, die sie in diesem Moment aufbrachte. Irgendwie musste sie es schaffen, diesen Albtraum zu überleben, doch die leeren Regalfächer im Kleiderschrank versetzten ihr erneut einen Stich ins Herz. Das Gefühl allein zu sein, wenn auch nur für eine kurze Zeit, ohne Michaels Nähe war unerträglich. Seine Abwesenheit lag wie eine feste Schlinge um ihren Hals, die sie langsam zu erstickten drohte. Nicht nur Michis Weggang, vielmehr die Erkenntnis ihres eigenen Versagens, zog diese Schlinge immer fester. Nina riss das Fenster auf, aber der Dämon einer tief verankerten Einsamkeit erwachte und verhinderte, dass sie ihren Gefühlen Folge leistete.

      Von dem ausgiebigen Frühstück und zwei Kopfschmerztabletten gestärkt, rannte Nina eine Stunde später zu ihrem Wagen. Der Porsche heulte auf unter ihrer rücksichtslosen Fahrweise, und ein Radfahrer, den sie beinahe gestreift hätte, brüllte Beschimpfungen hinter ihr her. Sie krallte ihre Hände in das weiche Leder des Lenkrads und wischte immer wieder ihre Tränen ab.

      Auf ihrem Parkplatz bestätigte ein kurzer Blick in den Fahrerspiegel, dass sich ihr Aussehen von heute früh im Badezimmer kein bisschen gebessert hatte. Im Gegensatz zu ihren sonstigen Gewohnheiten schlich sie mit gesenktem Kopf vorsichtig zu ihrem Schreibtisch im ›Garten‹. Nur keine besorgten Fragen der Kollegen riskieren, denn ihr Kummer und die dunklen Augenringe ließen sich kaum wegschminken. Am liebsten wäre sie unsichtbar an diesem Morgen. Still arbeitete sie an einer Produktbroschüre und hoffte, dass ihr Verhalten niemand auffallen würde.

      Obwohl ihr Telefon Dutzende Male klingelte, hielt die Tarnung bis zum frühen Nachmittag. Dann aber wusste sie sofort, was auf sie zukam. Ein leises Bing des Mail-Eingangs ihres Macs hatte eine Katastrophe angekündigt, die jetzt in der Gestalt von Pierre auf ihren Schreibtisch zusteuerte.

      Pierre de Valois hieß eigentlich Peter de Valois, aber er legte großen Wert auf die französische Aussprache seines Namens und auf die Tatsache, dass er angeblich einem uralten Herrschergeschlecht aus der Auvergne angehörte. Er hatte eine der bedeutendsten Hochschulen in Paris besucht, die École nationale supérieure des Arts Décoratifs, und arbeitete seit vielen Jahren als Koordinator in der Kreativabteilung. Als Einziger in der Agentur trug er ausschließlich Anzüge, die ausnahmslos aus vergangenen Modeepochen stammten und – mit ungewöhnlichen Krawatten kombiniert – ihm den Ruf eingebracht hatten, ein Sonderling zu sein. Sein blasses Gesicht war stets glatt rasiert und die dunkelblonden Haare streng zu einem kurzen Zopf gebunden. Wie immer, wenn er eine positive Reaktion auf seinen Auftritt erwartete, hatte Pierre diesen siegessicheren Gesichtsausdruck und sein betont verbindliches Lächeln.

      »Nina, wie geht es dir?«

      Sie pustete eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht. »Wieso fragst du? Eigentlich ganz gut.«

      »Nun … ich hatte schon letztens den Eindruck, dass dich etwas bedrückt. Und ich hoffe, dass es nichts mit unserer Arbeit zu tun hat?«

      Sie sah zu ihm auf. »Nein! Ganz sicher nicht und ich habe auch kein Problem, weder mit unserer Arbeit noch sonst.« Nina erschrak über ihren harten Ton und fügte versöhnlicher hinzu: »Pierre, ich mache gerade etwas Feinschliff an der Produktbroschüre für Hoffmann, die Nahrungsmittelergänzungen und so. Hab heute erst die Bilder aus dem Design bekommen.«

      »Oh je, die sind wirklich nicht die Schnellsten, gut, dass du das gleich in Angriff genommen hast. Der Entwurf war ja ganz okay. Aber jetzt verstehe ich, warum du dich heute so versteckt hältst.« Nina hielt seinem forschenden Blick stand, schwieg aber und unter dem Schreibtisch trommelten ihre Füße einen wilden Takt.

      »Alles klar, ich verstehe.« Pierre hatte sich abgewandt, um wieder zu seinem Büro zurückzukehren, blieb aber abrupt stehen und sah sie erneut eindringlich an. »Ähm, Nina, ich wollte dir nur sagen, wenn du mir eine Frage stellen möchtest, kannst du das jederzeit tun.«

      »Danke, Pierre. Das ist lieb von dir und wenn ich etwas wissen möchte, weiß ich, an wen ich mich dann wenden kann.« Nina drehte ihr Gesicht ab, aber er ließ nicht locker.

      »Nina, du hast also auch keine persönlichen Fragen? Du weißt schon, dass die Kollegen gern über jemand reden.«

      »Nein, Pierre. Ganz sicher nicht.« Nina kämpfte, um ihre Stimme gelassen klingen zu lassen. Pierre warf ihr einen letzten argwöhnischen Blick zu, dann verschwand er endlich.

      Was sollte das denn jetzt sein? Ging es irgendjemand etwas an, wenn sie private Probleme hatte? Pierre wollte definitiv wissen, ob sie sein Telefonat belauscht hatte. Stand es etwa auf ihrer Stirn, dass Michi ausgezogen ist? Ihre Finger hauten auf die Enter-Taste, um die Änderungen zu speichern und das Programm zu beenden. In diesem Moment kam sie sich vor wie ihr kleiner italienischer Espressokocher: randvoll mit Koffein und unter einem enormen Druck.

      Nina nahm einen Block gelber Klebezettel, schrieb mit schwarzem Edding jeweils nur ein Wort auf einen Zettel und klebte ihn an ihren Mac. NEIN – immer wieder in dicken Lettern nur dieses eine Wort. Ihre Finger schmerzten und der Filz knickte ab, sie nahm einen neuen Stift. Wie ein unbekanntes Mantra kritzelte sie NEIN auf jeden einzelnen Zettel, bis das Klingeln ihres Handys sie unterbrach.

      »Michi! Endlich rufst du an.«

      »Nein, leider nicht dein Herzblatt, liebe Nina.«

      »Hey, Charly.« Sie stellte den Edding wieder zurück.

      »Nina, störe ich dich gerade?« Die sonst schon hohe Stimme der Freundin überschlug sich am Telefon. »Nina, wir müssen uns unbedingt treffen!«

      Der Bildschirm ihres Mac gähnte Nina an wie ein großer schwarzer Schlund mit gelben Zähnen. »So, müssen wir das? Was gibt es denn so Dringendes?«

      »Mensch, Nina, was ist denn mit dir? Seit wann fragst du, ob ich etwas Dringendes habe?«

      »Schon gut, sorry. Ich möchte dich auch gern mal wieder sehen. Bitte entschuldige. Ich bin gerade nicht so gut gelaunt und war möglicherweise etwas abweisend.«

      »Klar, verstehe. Du hast ja auch immer viel um die Ohren.« Charlotte machte eine bedeutungsvolle Pause, um noch eine Oktave höher weiterzureden. »Ich muss dir von einem unwiderstehlichen Mann berichten …«

      »Okay,

Скачать книгу