Wer auf dich wartet. Gytha Lodge

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Wer auf dich wartet - Gytha Lodge Detective Chief Inspector Sheens ermittelt

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stellte sein Rad in dem kleinen Hinterhof des Cafés ab, genervt vom Knirschen der Pedale. Das ging jetzt schon seit Wochen so und wurde immer schlimmer. Aber er dachte nur daran, es reparieren zu lassen, wenn er gerade damit fuhr. Außerdem war das Rad sowieso Schrott. Er überlegte, es zu verticken und sich ein neues zu kaufen.

      Er öffnete den Personaleingang auf der Rückseite und nickte Mieke zu, die in der engen Vorratskammer des Lokals Kisten hin und her schob.

      »Hey, Victor. Hältst du das mal eben?«, fragte sie und drückte ihm eine in Plastik eingewickelte Palette Kaffeebohnen in die Arme. »Ich muss nur kurz …«

      Er stand da, während sie diverse Objekte hin und her rückte.

      »Das reinste Chaos«, sagte sie gereizt. »Und ich hatte heute Morgen keine Zeit für Chaos.«

      »War es sehr voll?«, fragte Victor und verlagerte das Gewicht der Kaffeebohnen in seinen Armen, die wegen der rutschigen Verpackung schwer zu halten waren.

      »Nicht übermäßig voll, aber ich war allein«, sagte Mieke. »Hast du irgendwas von Luca gehört? Zoe ist nicht gekommen.«

      Victor war plötzlich unbehaglich zumute. »Ist sie krank?«, fragte er heiser.

      »Uns hat sie jedenfalls nichts davon gesagt«, antwortete seine Kollegin, nahm ihm endlich die Kaffeebohnen ab und legte sie auf einen Stapel Kisten. »Sie ist einfach nicht gekommen und geht auch nicht ans Telefon. Ich dachte, Lucas hätte dich gebeten, früher zu kommen.«

      »Er hat nichts gesagt«, erwiderte Victor und räusperte sich. »Ich schicke Zoe eine SMS. Das sieht ihr gar nicht ähnlich.«

      »Findest du? Wenn ich mich recht erinnere, kam das letztes Jahr ständig vor, als ihr neuer Typ sie um den Schlaf gebracht hat.«

      Grummelnd schloss Mieke die Vorratskammer ab. Victor wollte Zoe verteidigen, doch er hatte diese Zeit selbst gehasst. Die Vorstellung, dass sie überhaupt mit jemandem zusammen war, hatte ihn … was? Erzürnt? Verletzt? Sein Herz gebrochen?

      All das, dachte er, als er seine Tasche vom Rücken auf den Bauch schwang und sein Handy herauszog. All das.

      Was er seinen Studenten hier lieferte, war quälend schlecht, das wusste Aidan. Aber er konnte sich einfach nicht konzentrieren. Drei- oder viermal hatte er sich dabei ertappt, wie er in dem Lehrbuch geblättert hatte ohne eine Ahnung, was er suchte oder sagen wollte. Als er aufblickte, merkte er, dass seine Studenten ihn mit unterschiedlichen Mienen ansahen. Einige schienen besorgt. Andere gaben sich sichtlich Mühe, nicht zu lachen.

      »Tut mir leid«, sagte er schließlich. »Ich habe mörderische Kopfschmerzen. Ich bin offen für alle Beiträge, die die Diskussion in eine fruchtbarere Richtung lenken.«

      Das löste Gelächter aus, und dann fragte Leena, eine seiner Lieblingsstudentinnen, mitfühlend: »Möchten Sie eine Nurofen?«

      »Ist schon okay …«, sagte er und merkte, dass er klang wie die Leute, die er hasste. Die über Kopfschmerzen klagten, dann aber erklärten, sie würden »keine Schmerztabletten nehmen«. Was sie seinetwegen auch gerne lassen konnten, solange sie einräumten, dass sie damit jedes Recht auf Gejammer verwirkt hatten. »Nein, ähm, das wäre ehrlich gesagt super«, verbesserte er sich, ohne zu wissen, warum es ihn überhaupt kümmerte, welchen Eindruck er heute machte. Er wartete, während Leena die Tabletten aus ihrer Tasche kramte und sie geräuschvoll aus der Plastikverpackung in seine Hand drückte.

      Sie lächelte schüchtern, und er bedankte sich mit einem Nicken.

      »Okay«, sagte er, als sie sich wieder gesetzt hatte. »Ideen. Mal sehen, wer heute besser ist als ich.«

      Dann summte sein Telefon, und Angst stieg in ihm auf. Er zog es aus der Tasche, bemüht, die roten Kapseln, die er immer noch nicht geschluckt hatte, nicht fallen zu lassen. Auf dem Display leuchtete eine Nummer, die er nicht kannte.

      »Entschuldigen Sie, da muss ich kurz rangehen«, wandte er sich an die Studenten, die ihn unsicher musterten. In einer einzigen Bewegung stand er auf und nahm das Gespräch an. »Hallo?«

      Er war auf dem Weg zur Tür, als eine Männerstimme fragte: »Spreche ich mit Aidan Poole?«

      »Ja«, sagte er, ging hinaus und zog die Tür hinter sich zu, während er weiter das Gefühl hatte, seine Beine und Arme würden in zäher Flüssigkeit treiben.

      »Hier ist DCI Jonah Sheens, Hampshire Constabulary. Sie haben gemeldet, dass Sie Zeuge einer Gewalttat an Ihrer Freundin Zoe Swardadine waren?«

      Einen Moment lang war er unsicher, was er sagen, unsicher, ob er es leugnen sollte. Aber sie hatten ihn angerufen. Sie wussten, wer er war.

      »Ja«, antwortete er. »Das stimmt. Ist sie …?«

      »Es tut mir leid, Ihnen mitteilen zu müssen, dass Zoe unter ungeklärten Umständen zu Tode gekommen ist«, erklärte der Mann ruhig. »Ich weiß, das ist bestimmt eine erschütternde Nachricht.«

      »Ja«, sagte er noch einmal und klang selbst in seinen eigenen Ohren wie ein dämliches Echo. »Ja, ich …«

      Er wusste nicht, was er sonst sagen sollte, doch der Polizist redete weiter. Er bat ihn, ins Kommissariat zu kommen.

      »Okay«, sagte er. »Ich unterrichte bis … ich schätze, ich könnte um sechs Uhr dort sein, wenn …«

      Und er meinte: Wenn ich das ertrage.

      »Sechs passt gut«, sagte der Polizist. »Vielen Dank, Mr Poole.«

      Dann war er mit dem Rauschen des Blutes in seinen Ohren wieder allein. Sein Blick fiel auf die bonbonroten Nurofen in seiner Hand, und er schluckte sie in der irrationalen Hoffnung, sie könnten ihm helfen.

      Anschließend ging er langsam zurück in den Seminarraum und setzte sich auf seinen Stuhl vor die Studenten. Er hatte Mühe, sie anzusehen. Oder eigentlich, seinen Blick auf irgendetwas zu fokussieren.

      »Gut. Ich werde tun, was ich schon früher hätte tun sollen, und das Seminar an einem Tag wiederholen, an dem mehr mit mir anzufangen ist.« Wieder gab es Gelächter, und er sagte: »Sie hören von mir. Genießen Sie die vierzig Minuten unvermuteter Freiheit. Und nutzen Sie sie gut.«

      Hal und einige der anderen eher arbeitsscheuen Studenten waren sofort verschwunden, die meisten anderen folgten zügig. Leena nahm sich mehr Zeit, ihre Sachen einzupacken, und sagte: »Ich hoffe, Sie fühlen sich schon besser.«

      »Danke«, erwiderte Aidan und nickte ihr zu. Er brachte es nicht über sich, sie wie sonst anzulächeln. Sie lief dann meistens rot an, und er fand es herzerwärmend, dass er diese Wirkung auf eine hübsche Neunzehnjährige hatte.

      Sie ging, und eine Minute lang herrschte in dem Seminarraum vollkommene Stille. Er lauschte den leiser werdenden Gesprächen der Studenten auf dem Flur.

      Dann beugte er sich auf seinem Stuhl vor, bis sein Kopf fast die Knie berührte, sackte weiter in sich zusammen, sodass sein ganzer Körper zur Seite kippte, rutschte tiefer und tiefer und brach in Tränen aus.

      »Und wie lautet unser Matchplan?«, fragte Hanson, nachdem Jonah das Gespräch mit Aidan Poole beendet hatte. Sie standen immer noch herum, während das Team der Spurensicherung seine Arbeit fortsetzte.

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