Wer auf dich wartet. Gytha Lodge
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Angeline spürte eine furchtbare Kälte im ganzen Körper. Sie sagte nichts, sondern stürzte nur vorwärts und drängte sich an der Polizistin vorbei, die sie scharf aufforderte, stehen zu bleiben. Beinahe wäre Angeline gegen ihren Kollegen geprallt, der der von Knistern und Knacken begleiteten Antwort aus seinem Walkie-Talkie lauschte. Seine stämmige Gestalt versperrte die Lücke zwischen Schreibtisch und Tür. Sie wollte an ihm vorbei, doch die Polizistin fasste unvermittelt ihren Oberarm.
»Es tut mir leid, aber das ist keine gute Idee«, sagte sie.
Angeline entwand sich dem Griff und rannte zum Schlafzimmer und der offenen Tür zum Bad, das direkt davon abging.
Dann wurde sie von zwei Händepaaren gepackt und entschlossen weggezerrt.
»Kommen Sie, Angeline«, sagte der stämmige Mann. »Sie können da nicht reingehen. Es tut mir leid.«
»Ich muss sie sehen! Bitte lassen sie mich zu ihr.«
Aber dann war ihre Widerstandskraft mit einem Schlag verpufft, und die Polizisten mussten sie stützen. Sie führten sie hinaus in den Flur und setzten sie auf die breite niedrige Fensterbank an dessen Ende.
»Wir besorgen Ihnen ein Glas Wasser«, sagte der stämmige Polizist sanft. »Oder einen Tee. Wie wär’s mit einer Tasse Tee?«
Sie nickte, obwohl sie ihm eigentlich ins Gesicht schreien wollte, dass Tee gar nichts besser machen würde.
»Zoe ist tot, oder?«, fragte sie. Keiner der beiden antwortete.
2. März – zwanzig Monate vorher
Es war sechs nach zwölf, als Zoe mit ihrem Augen-Make-up fertig war. Noch vierzehn Minuten, um das Haus zu verlassen und in ein Taxi zu steigen, damit sie rechtzeitig zu der Hochzeit kamen. Reichlich Zeit.
Sie steckte die Pinsel weg, rollte das Schminktäschchen aus Nylon zusammen und zog ein Fach ihrer Schmuckkassette auf. Ihre neuen silbernen Spiralohrringe funkelten, als sie sie zur Hand nahm, die perfekte Ergänzung zu ihren silbern bestäubten Lidern.
Eine Etage tiefer im ersten Stock ging die Badezimmertür auf. »Wie weit bist du, Maeve?«, rief Zoe, während sie die Ohrringe in ihr Ohrläppchen steckte.
»Fast fertig!«, antwortete Maeve, und in ihrem nordirischen Akzent schwang die leicht gehetzte Fröhlichkeit der chronisch Verspäteten mit.
»Hast du deine Kleider tatsächlich schon an?«
»Überwiegend!«, lautete die Antwort, und dann hörte man eilige Schritte, die Maeves Schlafzimmer ansteuerten.
Zoe musste lachen. Maeves Problem war, dass sie ständig versuchte, zu viele Dinge in einen Tag zu packen. Für Zoe hatte ein Taxi um zwanzig nach zwölf bedeutet, dass sie nach dem Frühstück nur eine Stunde gearbeitet und sich dann zwei Stunden genommen hatte, um sich fertig zu machen. Für Maeve hatte es bedeutet, sich erst mit einer Freundin zum Kaffee zu treffen, dann joggen zu gehen, anschließend auf der Suche nach ihren Kleidern zwanzig Minuten lang panisch ihr Zimmer auf den Kopf zu stellen und schließlich unter die Dusche zu stürzen.
»Hast du eine Strumpfhose für mich, Zoe?«, rief Maeve wenig später.
»Ja«, rief sie zurück. Sie betrachtete sich kurz im Frisierspiegel und zog dann die obere linke Schublade ihrer großen Eichenkommode auf. »Was für eine?«
»Vielleicht … hautfarben?« Maeves Stimme wurde lauter, als sie an den Treppenabsatz kam. »Oder schwarz?«
»Ich hab nur schwarze«, antwortete Zoe, weil sie dachte, dass es vielleicht nicht der beste Zeitpunkt für ein Gespräch darüber war, dass »hautfarbene« Strumpfhosen nutzlos waren, wenn man Halbkenianerin war. Sie zog drei Strumpfhosen aus der Packung, nahm ihre Schultertasche und stöckelte vorsichtig die Stufen hinab. Die Louboutins waren vielleicht die hübschesten Schuhe, die sie je besessen hatte, aber ganz bestimmt nicht ideal für Treppen. Oder unebenen Boden. Oder für längere Strecken. Zoe war sich nicht siher, ob sie im Laufe des Tages nicht doch irgendwann in ihre flachen Ballerinas wechseln musste, die sie in ihre Tasche gepackt hatte, doch sie war entschlossen, es zu versuchen.
Als Zoe die Treppe bewältigt hatte, war Maeve immerhin schon angezogen. In dem engen knappen Top und dem hochtaillierten ausgestellten Rock sah sie aus wie eine Schönheit aus den fünfziger Jahren, obwohl ihr nasses, auf ihre Schultern tropfendes Haar dem Gesamteindruck abträglich war. Ebenso wie der Mascarafleck, der beim Schminken auf ihrer Wange gelandet war.
Zoe erkannte, dass die hastigen Bewegungen ihrer Freundin nur noch größeres Chaos anrichten würden. Augen-Make-up gelang nie richtig, wenn man in Eile war.
Sie warf die Strumpfhosen aufs Bett. »Lass mich das machen«, sagte sie und streckte die Hand nach der Wimperntusche aus. »Du kannst dir dabei die Haare föhnen. Multi-Tasking.«
»Danke!«, sagte Maeve. »Eyeliner brauche ich auch noch.«
Zoe wartete, bis sie den Föhn eingeschaltet hatte, bevor sie sich mit einem Wattebausch und Make-up-Entferner an die Arbeit machte. Das Mascara ließ sich leicht auftragen, obwohl Maeve jedes Mal blinzelte, wenn sie mit dem Pinsel in die Nähe der Augen kam.
Zoe warf einen Blick auf die Leuchtanzeige des Weckers neben dem Bett, bevor sie mit dem Eyeliner begann. Sieben Minuten. Zeit genug für ein vernünftiges Styling. Maeve konnte sich die Strumpfhose anziehen, während Zoe schon zum Taxi hinunterging.
Einen Moment lang betrachtete Zoe nachdenklich Maeves hellblaue Augen, um zu entscheiden, wie sie sie am besten zur Geltung brachte. Keinen Unterstrich, dachte sie.
»Hör auf, mich so anzugucken«, sagte Maeve laut über den Föhn hinweg. »Du siehst aus, als wolltest du jeden Moment auf die Knie fallen und mir einen Heiratsantrag machen.«
»Und wenn?«, fragte Zoe grinsend. »Okay, jetzt musst du eine Weile stillhalten.« Sie arbeitete schnell und nahm zuletzt ein Haarnetz mit Glitzersteinen, um Maeves immer noch feuchte braune Locken zu bändigen.
Maeve betrachtete sich im Spiegel und lächelte ihr schmales, leicht widerwilliges Lächeln.
»Na gut. Besser als das präraffaelitische Chaos, das ich geplant hatte.«
Zoes Handy klingelte. »Das Taxi«, sagte sie, ohne aufs Display zu blicken.
»Scheiße, ich muss noch meine Schuhe finden«, sagte Maeve.
»Weiß deine Mami, dass du fluchst?«, fragte Zoe grinsend, als sie wieder in ihre Pumps schlüpfte.
»Sie hat mir all die Wörter beigebracht«, erwiderte Maeve, tauchte beinahe vollständig in ihren Kleiderschrank und zog eine Reihe nicht zueinanderpassender Schuhe heraus. »Ich bin sofort so weit, wirklich. Geh schon vor.«
Etwa elf Minuten später stürmte Maeve aus der Haustür. Trotz ihrer geröteten Wangen und des Gürtels ihrer Jacke, der über den Boden schleifte, sah sie kein bisschen weniger hinreißend aus, dachte Zoe.
Man hätte sich einen entspannteren Auftritt bei einer Hochzeit gewünscht. Der Taxifahrer hatte aus einem unerfindlichen Grund die Route durch die