Arkadien und Cornetti. Barbara Horvatits-Ebner

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Arkadien und Cornetti - Barbara Horvatits-Ebner

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vom Holzschiff übrig, doch einige Teile haben sich im Schlamm erhalten und sind nun hier in der Burg ausgestellt.

      Abschließend erklimme ich noch den Turm der Burg, von dem ich weiß, dass er eine sensationelle Aussicht bietet. Ich schieße Unmengen an Fotos von Malcesine, das sich so hübsch zwischen dem Bergrücken des Monte Baldo und den Gardasee zwängt und mit seinen alten Dächern für Fotos sorgt, die auch vor achtzig Jahren entstehen hätten können. Mein Blick schweift mehrmals von Nord nach Süd, von Ost nach West. Ich versuche, die kleinen Orte am Berg vis-à-vis auszumachen und sehe den wenigen Schiffchen, die fahren, auf ihrem Weg über den See zu. Verlassen von jeglichem Zeitgefühl stehe ich hier oben und hätte mich wohl auch noch lange nicht hinunterbegeben, wenn ich nicht wüsste, dass die große Glocke neben mir irgendwann zu bimmeln beginnt. Ich sehe auf die Uhr und stelle fest, dass es tatsächlich wenige Minuten vor der vollen Stunde ist. Das laute Schlagen der Glocke muss ich mir nicht unbedingt geben und ich steige die Stufen wieder hinunter.

      Nach einem kleinen Spaziergang in der Stadt – für mich zum gefühlt zehnten Mal – bin ich plötzlich irgendwie planlos. Jetzt habe ich einen ganzen Tag Zeit und weiß nichts damit anzufangen. Ich nehme am alten Hafen Platz und lese zwei Reiseberichte über die Gegend rund um Malcesine. Das allermeiste weiß ich bereits, doch dann springt mir eine Information ins Auge, die wie für mich geschaffen ist: Ganz in der Nähe soll sich der Aril befinden, der als der kürzeste Fluss der Welt gilt. Orte, die irgendeine geografische Besonderheit aufweisen, ziehen mich magisch an. Ich stehe total darauf, mich am südlichsten Punkt von Apulien, südwestlichsten Punkt Kontinentaleuropas, in der kleinsten Stadt Österreichs oder am höchsten Berg der Steiermark zu befinden. Superlative machen mich glücklich. Also werde ich dem Aril wohl einen Besuch abstatten.

      In meinem Übereifer gehe ich erst einmal vierzig Minuten in die falsche Richtung, bis ich realisiere, dass ich nicht in Richtung Norden, sondern nach Süden marschieren muss. Das mit dem Haushalten der Energiereserven habe ich anscheinend immer noch nicht verinnerlicht. Doch ich will zum Fluss, also drehe ich um, gehe zurück ins Zentrum und dann immer weiter am See entlang südwärts. Ich komme an der Stelle vorbei, an der Harry und ich einmal eine Badepause einlegten. Ich bekomme Gänsehaut beim Gedanken daran, jetzt in den See zu springen. Ende März blühen hier zwar schon die Blumen und wenn die Sonne scheint, lässt es sich durchaus auch ohne Jacke aushalten, aber für einen Sprung ins Wasser müsste man entweder extrem abgehärtet oder verrückt sein. Zur Bestätigung meiner Hypothese über die geringe Wassertemperatur halte ich meine Hand in den See und finde, dass ich absolut recht habe.

      Nach etwa einer Stunde Fußweg, etlichen Buchten und den Blick auf zwei winzige Inseln erreiche ich Cassone. In diesem Örtchen, das zur Gemeinde Malcesine gehört, soll sich also der kürzeste Fluss der Welt befinden. Tatsächlich stehe ich plötzlich auf einer von vier Brücken, die den wirklich kurzen, aber stark strömenden 175 Meter langen Fluss überspannen. Natürlich bin ich neugierig, wo er denn das Licht der Welt erblickt, gehe an ihm entlang, überquerte die Gardesana – die Straße, die rund um den Gardasee führt – und befinde mich anschließend an einem großen, aufgestauten Wasserbecken. Seitlich von diesem rauscht der Fluss bereits dahin. Weiter nach hinten blicken kann ich nicht, denn der Fluss tritt hier offenbar unter einem Haus hervor. Nun habe ich ihn also gesehen – den kürzesten Fluss der Welt!

      Was mich aber vom Anblick her weit mehr fasziniert als der Aril, ist der kleine Hafen von Cassone mit seinem Leuchtturm und den Booten. Im warmen Licht des späten Nachmittags sieht er aus, als wäre er einem Bilderbuch entsprungen. So stellt man sich Idylle vor. Ich bemühe mich, die Stimmung mit der Kamera für alle Ewigkeit einzufangen. Danach spaziere ich entlang der Seepromenade wieder zurück ins Zentrum von Malcesine. Da ich nun Richtung Norden gehe, fallen mir die schneebedeckten Berggipfel wieder auf. Während im Tal bereits die Bäume blühen und die Margeriten die Fenster schmücken, ist hoch auf den Bergen noch Winter.

      Nach zwei Pausen, die ich aufgrund meiner schon müden Beine einlegen muss, gelange ich pünktlich zu Sonnenuntergang wieder an den alten Hafen von Malcesine. Ich setze mich hin, sauge den Anblick des warmen Lichts und das Glitzern des Wassers auf, ehe ich mich total erschöpft und müde noch schnell in den kleinen Supermarkt schleppe, um mir etwas Essbares fürs Zimmer mitzunehmen. Auf Rausgehen habe ich heute nämlich keine Lust mehr – das Bett ruft!

      Bardolino

       "Wenn man mit dem Wasser zu tun hat, kann man nicht sagen, ich werde heute da oder dort sein."

      Diesen Morgen heißt es dann wieder packen und weiterziehen. Ich verschlinge noch schnell mein Joghurt, habe dank der Kaffeemaschine in der Unterkunft auch heißen, guten Kaffee und mache mich dann auf den Weg zum Hafen, von wo aus mich das Schiff der Navigarda nach Bardolino bringen soll. Dort trete ich selbstbewusst an den Ticketschalter und bestelle „Un biglietto per Bardolino con il servizio rapido“. Mit dem Schnellboot in den Süden düsen, so habe ich mir das vorgestellt. Als mir der Ticketverkäufer dann erklärt, dass leider kein Boot nach Bardolino fährt, schaue ich ganz schön blöd aus der Wäsche. Ich erzähle ihm, dass ich doch am Plan gesehen habe, dass eines geht, schnappe mir den Folder mit den Abfahrtszeiten und zeige es ihm. Was er mir dann erklärt, lässt mich ganz kleinlaut werden: Auf dem Winterfahrplan, den ich korrekterweise in der Hand halte, steht bei meiner geplanten Verbindung ein klitzekleines B dabei, was bedeutet, dass dieses Boot nur an Samstagen fährt. Es ist aber Freitag und so habe ich keine Chance, heute über den Wasserweg nach Bardolino zu gelangen.

      Ich verabschiede mich von dem netten Herren, den ich zwar leise verfluche, der aber nichts für den Fahrplan und meine Unfähigkeit, ihn zu lesen, kann, und marschiere in die nächste Tabaccheria. Dort kaufe ich mir ein Busticket nach Bardolino und mache mich auf den Weg zur Bushaltestelle. Wie gut, dass ich nicht noch länger mit dem Mann am Hafen diskutiert oder anderweitig Zeit verschwendet habe, denn der Bus kommt wenige Sekunden nach mir. Laut Plan ist er ein wenig zu spät dran, wie man am Gemecker einer Einheimischen bemerkt. Ich bedanke mich insgeheim beim Busfahrer für seine Trödelei, denn sonst hätte ich zwei Stunden auf den nächsten Bus gewartet. So fahre ich auf der Gardesana die Ostküste südwärts. Im März ist es hier schön ruhig, nicht wie im Sommer, wenn die deutsch-österreichische Blechlawine um den See rollt. Ich tagträume ein wenig und freue mich darüber, dass ich nun mit dem Bus fahre, weil es mein Budget mächtig schont. Ich beschließe, dass ich mir für das gesparte Geld – das Schiff hätte im Gegensatz zum Bus um gut elf Euro mehr gekostet – in Bardolino ein Gläschen Wein genehmigen werde.

      Die restliche Busfahrt gleicht einem lustigen Theater: zwei deutsche Familien diskutieren mit dem Busfahrer über den Preis der Bustickets, der im Bus höher ist als bei Vorabkauf. Und sprechen mal nicht die Deutschen mit dem Herrn hinterm Steuer, so tut es eine rüstige italienische Mamma. Sie unterhalten sich so prächtig und lautstark, dass das Schild "Bitte nicht mit dem Fahrer sprechen" über seinem Kopf wie ein schlechter Scherz wirkt. Mit der Erkenntnis, dass sie sich solche Schilder in Italien wohl sparen könnten, steige ich endlich in Bardolino aus.

      „Früh um zehn Uhr landete ich in Bartolino.“ Dies steht auf einer Steintafel an der Hafenpromenade geschrieben. Man ist in Bardolino wohl stolz auf den prominenten Besuch, den das Dorf 1786 empfing. Dabei lud Goethe hier eigentlich nur sein Gepäck vom Schiff auf das Maultier um und wurde dann weiter nach Verona geleitet. Auch ich habe nicht vor, lange zu bleiben, aber ein paar Stunden muss ich hier verbringen, bevor ich den Bus nach Verona nehmen kann. Also spaziere ich am gut ausgebauten Ufer entlang, beobachte Enten und Schwäne und flaniere durch den Ort.

      Bardolino ist zwar eines der bekanntesten und beliebtesten Städtchen am Gardasee, mich reißt es aber nicht so vom Hocker. Wenngleich auch der ganze See recht touristisch angehaucht ist, so ist dies in Bardolino meinem Empfinden nach am stärksten spürbar. Abgesehen vom Stück einer alten Stadtmauer gibt es eigentlich kaum etwas anzusehen. Wenn man also keine Lust auf Shopping hat – die ich wirklich selten verspüre – und auch nicht teuer essen möchte, kann man sich Bardolino eigentlich sparen. Für ihren Wein ist die kleine Stadt allerdings bekannt. Daher werde ich mein Vorhaben

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