Arkadien und Cornetti. Barbara Horvatits-Ebner

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Arkadien und Cornetti - Barbara Horvatits-Ebner

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Tagen und der spontanen Wanderung jetzt aber so was von verdient! Während ich an meinem Glas nippe, verrät mir meine schlaue Öffi-App, dass ich ganz unkompliziert und günstig mit dem Bus nach Malcesine komme. Na also, geht doch!

      Malcesine

      „Wie ich mir vorgenommen hatte, ging ich morgens beizeiten in das alte Schloß, welches ohne Tor, ohne Verwahrung und Bewachung jedermann zugänglich ist. Im Schloßhofe setzte ich mich dem alten auf und in den Felsen gebauten Turm gegenüber; hier hatte ich zum Zeichnen ein sehr bequemes Plätzchen gefunden.“

      Nach einem unspektakulären Abend mit Kuschelsocken im Hotelzimmer und einem ausgesprochen ausgiebigen Frühstück vom Buffet steige ich am Vormittag in den Bus nach Malcesine. Ich habe die Strecke zwischen den beiden Orten nicht als so lange in Erinnerung und bin überrascht, dass die Busfahrt doch fünfundzwanzig Minuten dauert – nachdem der Bus etwa fünfzehn Minuten zu spät dran war. Nun, dass die Italiener nicht für ihre Pünktlichkeit bekannt sind, ist mir nicht neu, daran verschwendete ich keinen Funken Ärger.

      Was mich allerdings etwas nervt, ist die Tatsache, dass ich mein Zimmer in der Unterkunft in Malcesine, wo ich das erste Mal zwei Nächte Station mache, erst um sechzehn Uhr beziehen kann. Ich versuche also, die Zeit mit sinnvollen Dingen totzuschlagen und kümmere mich um organisatorischen Kram von zu Hause. Dass das meinen Ärger nur steigert, konnte ich leider nicht voraussehen, sonst hätte ich es vermutlich gelassen. So streite ich nun mitten in Malcesine mit einer furchtbar unhöflichen Dame an der Hotline einer Buchungsplattform, die mir mein Geld einer Flugstornierung nicht zurück zahlen will und die mich dann kurzerhand abwürgt. Genau das braucht man auf so einer Reise … nicht!

      Weil ich vorläufig nichts tun kann, um dieses ärgerliche Chaos zu lösen, beschließe ich, einen kleinen Spaziergang entlang der Seepromenade in Richtung Norden zu machen. Der Anblick des Sees ist wunderschön, doch irgendwann wird mir mein Rucksack zu schwer und ich marschiere retour. Eine Bank in der Sonne kommt mir gerade wie gerufen und ich nehme dieses Geschenk des Himmels – so erscheint es mir im Moment – gerne an. Vor mir liegt ein kleines, blaues Boot im Wasser, das auf den Wellen, die der Wind produziert, gemächlich dahinschaukelt. Das Boot gefällt mir, es hat etwas Beruhigendes nach dem ganzen Ärger. Ich will hier einfach sitzen bleiben.

      Plötzlich fällt mir ein, dass ich noch meine Unterkunft für Venedig buchen sollte und ich zücke das Handy. Eigentlich wollte ich mich durch die vielen Angebote scrollen, stelle jedoch fest, dass die mögliche Auswahl gar nicht mehr so groß ist! Mir bleibt kurz mein Herz stehen, als ich merke, dass es in meiner Preisklasse nur mehr gemischte Hostelzimmer gibt. Dass ich ab und an in einem Hostel schlafen würde, war mir im Vorhinein klar. Damit habe ich auch kein Problem. Sofern ein versperrbarer Schrank vorhanden ist, soll mir ein Hostel recht sein. Aber ein Zimmer mit fremden Männern teilen? Mir kommen verschiedenste Horrorszenarien in den Sinn. Zu allem Übel fällt mir noch die Geschichte einer Frau ein, die erst kürzlich in einer Facebookgruppe für alleinreisende Frauen von einem gewaltsamen Übergriff durch einen Hostelmitbewohner berichtete. Danke liebes Hirn, danke für nichts!

      Ich lege das Handy weg, atme tief durch und blicke auf das Boot. Es schaukelt noch immer. Es ist aber gut am Steg festgebunden. Die Sonne scheint strahlend und warm vom Himmel, das Wasser glitzert und plätschert leise, der Wind weht den Schnee von der Spitze des Monte Baldo wie Puderzucker hinunter. Ich erinnere mich an die abenteuerliche Wanderung, die ich fast zweieinhalb Jahre zuvor mit Harry dort hinauf unternommen habe. Nachdem unser erster Versuch vor vielen Jahren von Malcesine aus durch ein Gewitter kolportiert wurde und auch der zweite ein Jahr danach von San Zeno aus nicht klappte, schafften wir es beim dritten Mal, indem wir von der Hinterseite dieses mächtigen Gebirges hinauf stiegen. Die Geschichte, wie wir uns dann verliefen, uns über Felsen und durch Latschenkiefern quälten, nur um festzustellen, dass wir nicht am Gipfel, sondern dreihundert Meter entfernt stehen, wäre wohl ein eigenes Buch wert. Ich lächle und schicke dem Cima Valdritta, dem höchsten Gipfel des 2.218 Meter hohen Berges, schöne Grüße hinauf und drehe mich wieder um zum See.

      Ich habe also schon weit größere Strapazen hinter mich gebracht als ein paar Nächte in einem gemischten Hostel. Das blaue Boot vor mir kann auch kein Wind erschüttern, weil es fest angebunden ist und mit dem Motor hinten oben auch sicher stark, wenn es darauf ankommt. „Babsi, sei das Boot da“, sage ich mir. Also entschließe ich mich, wieder einmal über meinen Schatten zu springen, und beginne, die Hostels bezüglich Bewertungen und Lage zu vergleichen. Die Unterkunftsauswahl vertage ich aber auf morgen, für heute habe ich mir genug Stress gemacht. Ich sitze noch ein wenig am See, genieße seine sedierende Wirkung auf mich, nehme Kontakt mit zu Hause auf und mache mich dann schön langsam auf den Weg ins B&B.

      Dort erst fällt mir auf, wie erschöpft ich eigentlich bin. Die Wanderung gestern und der Ärger und Stress des heutigen Tages zehren ordentlich. Ich lasse mich schwer auf das Bett fallen, starre einfach nur doof auf das Handy und mache erst mal gar nichts. Natürlich überkommt mich sofort das schlechte Gewissen. Jetzt bin ich in jenem Städtchen, in dem Goethe fast verhaftet worden wäre, als er in der Burg zeichnete, und liege nun faul im Zimmer herum. Klar, ich kenne Malcesine schon von vorherigen Aufenthalten und weiß, dass es eigentlich nichts Neues mehr für mich zu entdecken gibt, aber ich mag den Ort doch gerne. Wie kann ich jetzt nur so uninteressiert sein?

      Ich krame den Laptop hervor und beginne, Fotos zu bearbeiten und meinen Blogartikel über die gestrige Wanderung zu schreiben, damit ich wenigstens etwas Produktives zustande bringe. Als es immer später und draußen bereits dunkel wird, will ich mir nach all den Strapazen, die ich mir selbst mit meinen Aktionen und Gedanken heute zu verdanken habe, ein richtig leckeres Abendessen gönnen. Normalerweise muss man ja gerade in typischen Ferienregionen, die im Sommer von deutschen und österreichischen Urlaubern überschwemmt werden, sehr vorsichtig damit sein, wohin man essen geht. Die Auswahl an „Touristenrestaurants“ am Gardasee ist groß und was man dort bekommt, qualitativ nicht so gut, dafür aber teuer. Aber Ende März, wenn hier noch lange nicht Saison ist, haben viele dieser Lokale noch geschlossen. Die Trattorien, in denen die Einheimischen auch zu Abend essen, sind aber geöffnet. Ich finde also eine nette kleine Osteria mit einer überschaubaren Speisekarte – für mich DAS Zeichen von guter Qualität –, wo die Mamma noch in der Küche steht und die Familie mithilft. Ausgezeichnete Pasta, ein Gläschen Wein – mehr brauche ich zum Glücklichsein gerade nicht. So schließe ich mit diesem Tag mithilfe der italienischen Küche doch noch meinen Frieden.

      Am nächsten Tag kann ich es kaum glauben: Ich muss meinen Rucksack nach dem Aufstehen nicht packen! Ich finde großen Gefallen daran, zwei Nächte an einem Ort zu bleiben, denn so habe ich nicht nur wunderbar Zeit für alles, was ich machen will, sondern auch mal Pause vom schweren Schleppen.

      Ich spaziere zur berühmten Burg von Malcesine. Obwohl ich sie schon einmal besichtigt habe und der Eintritt mit acht Euro nicht günstig ist, will ich nochmal hinein. Ich weiß nämlich, was – oder besser gesagt wer – mich darin erwartet! Die Casa di Goethe, also das Goethe-Museum in Rom, richtete in der Burg eine kleine Ausstellung ein. Vor deren Eingang wacht eine Büste des deutschen Dichters. Wie schon vier Jahre zuvor schieße ich ein Foto mit Goethes Abbild und freue mich wie irre, dass es diesmal auf so einer besonderen Reise entsteht. Ich gehe durch den kleinen Ausstellungsraum, in dem sich auch gerade ein deutsches Pärchen befindet. Sie sind ziemlich erstaunt darüber, dass Goethe hier war. Ihrem Ausruf „Boah, der hat ja fast ganz Italien bereist!“ kann ich nur ein stilles Lächeln hinzufügen. Ja, das hat er, und ich reise ihm nach, denke ich für mich und bin wieder einmal richtig froh, diesen Traum gerade in die Realität umzusetzen.

      Auch das kleine Museum über den Gardasee sehe ich mir zum wiederholten Male an und stelle erschreckenderweise fest, dass ich so viel schon wieder vergessen habe. Nach einigen Stufen hoch zum zweiten Stockwerk der Burg gelange ich zu einer weiteren kleinen Ausstellung über die Schifffahrt am See. Hier erlebe ich, was es bedeutet, geschichtliche Informationen in seine Erfahrungen zu integrieren: Die Galeere, die auf jenem Weg hinabtransportiert wurde, den ich vor zwei Tagen noch

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