Arkadien und Cornetti. Barbara Horvatits-Ebner

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Arkadien und Cornetti - Barbara Horvatits-Ebner

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zeigen. Seine rassistischen Äußerungen kommentiere ich zwar freundlich mit Gegenargumenten, aber da mir klar ist, dass ich ihn nicht in einer zwanzigminütigen Busfahrt von einer differenzierten politischen Sichtweise überzeugen werde können, belasse ich es bei: „Ach wissen Sie, ich bin da ganz anderer Meinung“. Ich bin ihm trotzdem dankbar, dass er neben mir sitzt, denn sonst hätte ich vielleicht nicht mitbekommen, dass ich an einer Haltestelle in Nago den Bus wechseln muss. Der Buschauffeur schreit das zwar durch den Gang, aber für Nuscheln gepaart mit Dialekt reichen meine Italienischkenntnisse leider nicht aus. Der alte Mann weiß, dass ich nach Torbole will, übersetzt den Ruf vom Buschauffeur und weist ihn gleichzeitig an, noch kurz auf mich zu warten. Ich verabschiede mich von meiner kurzen Bekanntschaft und muss im nächsten Bus noch über diese seltsame, aber interessante Begegnung lachen.

      Torbole

       „Wenn man hinabkommt, liegt ein Örtchen am nördlichen Ende des Sees und ist ein kleiner Hafen oder vielmehr Anfahrt daselbst, es heißt Torbole. Die Feigenbäume hatten mich schon den Weg herauf häufig begleitet, und indem ich in das Felsenamphitheater hinabstieg, fand ich die ersten Ölbäume voll Oliven.“

      Die Busfahrt nach Torbole ist kurz, aber spektakulär. Wäre ich Autorin eines Reiseführers für den Gardasee, würde ich vermerken, dass es sich auszahlt, mit dem Bus nach Nago hinauf und von dort wieder hinunter zu fahren. Man kann so nämlich nicht nur die Aussicht auf den See bewundern, ohne sich auf das Selberfahren konzentrieren zu müssen; es ist ein wahres Erlebnis, wenn sich der Bus gekonnt die enge Haarnadelkurve hinunterschlängelt, während man hinten auf den Sitzen das Gefühl hat, dass er gleich durch die Leitplanke kracht und den Abgrund hinuntersaust.

      Natürlich bringt mich der Buschauffeur sicher an das Wunschziel und ich begebe mich gleich ins Hotel. Das soll tatsächlich das einzige Mal auf dieser Reise sein, dass ich in einer Unterkunft übernachte, für welche die Bezeichnung „Hotel“ passt, auch wenn es sich als B&B deklariert. Jedenfalls werde ich nicht nur herzlich begrüßt, sondern bekomme auch für mein holpriges Italienisch, das ich zwar schlecht, aber mit Freude spreche, von der netten Besitzerin der Unterkunft großartigen Zuspruch: „Complimenti, parli bene!“. Das ist Balsam für die Seele! Natürlich ist mir klar, dass meine Sprachkenntnisse alles andere als rühmlich sind, doch allein den Willen und das Bemühen meinerseits, ihre Muttersprache zu sprechen, honoriert sie freundlichst.

      Nach einer netten, kurzen Konversation treibt es mich aber schon wieder hinaus. Ich will unbedingt an den See, meinen See. Der Gardasee eroberte nämlich bereits fünf Jahre zuvor mein Herz im Sturm. Damals ging Harrys und mein erster gemeinsamer Urlaub hierher, seitdem kehren wir immer wieder mal zurück. Ich stehe nun also vor dem Wasser, der Wind pfeift mir mächtig um die Ohren – wie im Norden des Sees üblich – und ich verspüre genau jene Zufriedenheit, die sich mir hier jedes Mal offenbart. Ich spaziere ein wenig an der Promenade entlang, versuche, mich mit geöffneter Jacke gegen den Wind zu stemmen, und schaffe es tatsächlich, von ihm gestützt zu werden.

      Irgendwann wird es mir am windigen Seeufer zu ungemütlich und ich marschiere am alten Hafen und ehemaligen Zollhäuschen vorbei ins Zentrum. Dort stehe ich dann ganz unerwartet auf einem Platz, der den Namen Piazza Goethe trägt. Sogleich sehe ich auch ein Kupferabbild des Dichters, das an der Säule des Durchgangs in Richtung See angebracht ist. Die darunterhängende Tafel klärt darüber auf, dass Goethe im Jahr 1786 im Haus über dem Durchgang unterkam, und auch das Zitat „Heute hab ich an der Iphigenie gearbeitet. Es ist im Angesichte des Sees gut von statten gegangen.“ fand darauf noch Platz. Ich freue mich, wieder eine Spur von Goethe entdeckt zu haben und setze meinen Spaziergang fort.

      Zuerst marschiere ich zur Kirche San Andrea, danach zum Belvedere, einer kleinen Aussichtsplattform mit einem schönen Blick über Torbole und den Gardasee. Den seltsamen Monte Brione hat man hier gut sichtbar zur Rechten. Ich male mir aus, wie ein solcher Berg nur entstehen kann. Er teilt den Norden des Sees in zwei Hälften, auf der einen Seite Torbole, auf der anderen Riva. Dabei sieht es sieht aus, als hätte jemand die Erde an einer Stelle hochgehievt, sodass eine Wand steil aus dem Boden ragt, während die andere Seite waldig abfällt. Jedes Mal wenn ich den Monte Brione sehe, taucht in mir das Bild eines Keils auf, den hier jemand zwischen die zwei Ortschaften trieb.

      Ich mache kehrt, gehe aber nicht wieder ins Zentrum hinunter, sondern weiter bergauf. Mein Ziel ist die Via di Santa Lucia, von der ich weiß, dass sie eine geschichtsträchtige Straße ist. Goethe kam damals auf dem Weg zum Gardasee an ihr herunter, aber auch Dante, sowie römische und später österreichische Kaiser benutzten sie als Weg ins Etschtal. Die spektakulärste Aktion spielte sich allerdings 1439 hier ab, als das venezianische Heer eine Galeere über diese schmale, römische Straße transportierte, um gegen die Mailänder am Gardasee zu kämpfen. Da Verona den Lombarden gehörte, war dies der einzig mögliche Seezugang für die Venezianer und die Überraschung war groß, als sie dieses wahnsinnige Unterfangen tatsächlich meisterten. Trotzdem wurde die Galeere der Venezianer von den Mailändern versenkt und das Wrack jahrhundertelang nicht gefunden.

      Heute ist diese Straße nicht mehr befahrbar, aber dafür eine wunderschöne Wanderstrecke zwischen Nago und Torbole. An einem herrlichen Aussichtspunkt steht eine Parkbank, die ich für eine kleine Rast nutze und von der aus ich den Blick über „meinen“ See schweifen lassen kann. Und da ist es auf einmal wieder: das Kribbeln des Glücks. Ich bin so überwältigt von der Schönheit, die sich vor mir auftut und von der Tatsache, dass ich gerade am gleichen Weg wie einst Goethe unterwegs bin, dass es mir beinahe Tränen in die Augen drückt. Dessen nicht genug, habe ich auf einmal auch noch das Gefühl, dass es das Leben wirklich gut mit mir meint und mich so wunderbar leitet. Heute, am 20. März, wird weithin der „Tag des Glücks“ gefeiert. Welches Gefühl hätte da passender sein können? Einzig die Tatsache, dass ich diesen herrlichen Moment mit niemandem teilen kann, stimmt mich sogleich ein wenig traurig. Doch da fällt mir ein, dass ich sehr wohl Menschen an meinem Glück teilhaben lassen kann. Ich hole meine Kamera heraus und drehe ein kurzes Video, in dem ich den Ausblick hinter mir zeige und ein paar Worte dazu sage. Das ist für mich sehr seltsam, da ich zwar sehr gerne rede, aber nicht in eine Kamera. Trotzdem teile ich das Video auf meiner Facebookseite und fühle mich so irgendwie besser, weil ich nicht mehr das Gefühl habe, komplett allein zu sein.

      Ich setze meinen Marsch bergauf fort, vorbei an Weingärten und einigen Häusern, ehe der Weg wieder in den Wald abzweigt. Im Nu bin ich ganz oben – am Castel Penede. Diese alte Burgruine steht – gut sichtbar von der Wanderstraße aus – an der Felsenkante des Hügels, der sich von Nago hinunter Richtung See zieht. Diese einst wehrhafte Burg besteht heute nur mehr aus einigen Mauern mit Gucklöchern, einzig ein kellerartiger Raum ist noch erhalten und ein halber Turm. Anhand der Schautafeln, die überall angebracht sind, kann man sich die damalige Größe und Bedeutung vorstellen. Doch abgesehen von der Information, dass Dante im Jahr 1315 der Burg einen Besuch abstattete und sich davon ein paar Zeilen in seiner „Göttlichen Komödie“ wiederfinden, interessiert mich die Geschichte der Ruine nicht so brennend. Die Aussicht ist einfach zu verlockend. Ich stehe also ganz vorne an der Brüstung, der Wind pfeift mit gefühlt hundert km/h übers Gesicht und unter mir erstreckt sich die Talsenke, in der es sich der Gardasee recht gemütlich gemacht hat. Beinahe komme ich mir vor wie eine Gräfin, die liebevoll auf ihr Land und Wasser hinunterblickt.

      Der Wind vertreibt mich jedoch bald und die Realität kehrt zurück: Mir ist kalt und ich bin durstig. Ich steige also durch das Valle di Santa Lucia wieder ab. Allein die Vorstellung, dass Goethe damals diesen steilen, uneben gepflasterten Weg mit der Kutsche hinunterrumpelte, bereitet mir furchtbare Kreuzschmerzen. Wie die Venezianer aber ihre Galeere um die engen Kurven bekommen haben, ist mir ein Rätsel.

      Unten angekommen, gehe ich noch schnell zum Bootssteg, um mich zu informieren, wann das Schiff nach Malcesine morgen geht. Kaum dort, werde ich eines Besseren belehrt: Der Steg wird von fleißigen Händen gerade renoviert und daher ist der Schiffsverkehr für Torbole eine Weile lang eingestellt. Etwas genervt spaziere ich am Ufer zurück und kehre in eine kleine Bar ein. Das erste Mal

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