Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans. Kim Forester
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Clans von Cavallon (2). Der Fluch des Ozeans - Kim Forester страница 6
»Moment mal«, fragte Jaren. »Wie konnten die Pegasus die Waffen eigentlich benutzen? Oder sie überhaupt herstellen?« Er wedelte mit einer Hand. »Braucht man dafür nicht so was hier?«
Aquilla schnaubte. »Nicht für magische Waffen«, antwortete sie. »Obwohl du nicht ganz unrecht hast. Es waren tatsächlich Menschen, die sie hergestellt haben. Damals, als wir noch mit euch Handel getrieben haben.«
Rostro erhob die Stimme, die trotz seines hohen Alters laut und kräftig war, um gegen das Flüstern und Tuscheln anzukommen, das durch die Herde ging. »Ich denke, dass wir uns dort wohl am besten vor dem Rest von Cavallon verstecken können. Die Flügelbruchspitze ist so abgelegen, dass die anderen Clans nicht einmal wissen, dass sie existiert. Und selbst wenn sie es wüssten, hätten wir nichts zu befürchten, denn die Hänge sind so steil und tückisch, dass niemand sie erklimmen kann.«
»Aber was ist mit unserem Schwur?«, warf Odelia ein.
»Haben wir den nicht ohnehin schon gebrochen?«, erwiderte Baros. »In den Splittern haben wir schließlich auch gekämpft.«
»Das war nur zu unserer Verteidigung«, stellte Rostro klar. »Der Schwur ist noch immer gültig – nie wieder werden wir gegen Cavallons andere Clans in den Krieg ziehen. Wir werden die Waffen dort nicht anrühren.«
Aquilla spürte die Wirkung, die Rostros ruhige, besonnene Stimme auf die Herde hatte. Der Widerstand wurde schwächer und mehr und mehr waren bereit, sich den Vorschlag zumindest durch den Kopf gehen zu lassen. Doch auch, wenn Rostros Argumente durchaus schlüssig waren, wusste Aquilla, dass keinem in der Herde diese Entscheidung leichtfallen würde. Auf der Flügelbruchspitze würden sie mit schmerzhaften Erinnerungen an die Vergangenheit konfrontiert werden und einmal mehr wurde ihnen allen bewusst: Die Pegasus würden ihre Vergangenheit niemals hinter sich lassen können.
»Lassen wir die Herde darüber abstimmen«, meinte Odelia. »Sprich, Rostro, Erster der Herde, und teile uns deine Entscheidung mit. Sollen wir uns auf den Weg zur Flügelbruchspitze machen?«
»Ich stimme für Ja«, verkündete Rostro. »Sprich, Odelia, Zweite der Herde. Was sagst du?«
»Ja«, antwortete Odelia.
So gab einer nach dem anderen seine Stimme ab, vom Ältesten zum Jüngsten. Die ersten stimmten alle dafür. Zwischendurch kamen sie bei der Reihenfolge etwas durcheinander, die sich geändert hatte, seit drei von ihnen in der Schlacht in den Splittern ums Leben gekommen waren. Mit hängenden Köpfen nahmen die nachrückenden Pegasus die Plätze der Verstorbenen ein. Nachdem die Sechsundachtzigste der Herde ihre Entscheidung kundgetan hatte, ging die Reihe bei Nummer achtundachtzig weiter. Der Siebenundachtzigste wurde übersprungen – das war Aquoro, von dem immer noch jede Spur fehlte. Aquilla blinzelte ein paar Tränen weg.
Wenigstens war er nicht unter den Toten.
Soweit wir wissen.
Schließlich war sie als Dreiundneunzigste der Herde an der Reihe. »Ja«, sagte sie entschlossen. Sie war ebenfalls der Meinung, dass die Flügelbruchspitze ihre beste Chance war. Mit zitternder Stimme sprach sich schließlich auch Zadia, die Sechsundneunzigste und Jüngste der Herde, dafür aus. Als sie fertig war, sah Rostro sie erwartungsvoll an.
»Oh!«, piepste sie. »Sprich, Jaren, Siebenundneunzigster der Herde, und teile uns deine Entscheidung mit.«
»Ich? Echt?«, fragte Jaren.
Aquilla war genauso überrascht wie er, versuchte aber, es sich nicht anmerken zu lassen. Zwar hatten die Ältesten Jaren in die Herde aufgenommen, aber sie hätte nicht damit gerechnet, dass die auch für Abstimmungen galt. Offenbar ging es einigen anderen ebenso, wie die Unruhe bewies, die hier und da aufkam. Doch die Ältesten sahen Jaren weiterhin abwartend an.
Aquillas Herz schlug schneller. Die Herde konnte nichts unternehmen, wenn nicht alle einstimmig dafür waren. Dadurch besaß jede einzelne Stimme ein enormes Gewicht. Jaren war sich dessen jedoch genauso wenig bewusst wie der schrecklichen Geschichte der Flügelbruchspitze. Er wirkte einfach nur erfreut, dass er ebenfalls gefragt wurde. »Äh, also, dann sage ich wohl mal Ja, glaube ich«, stotterte er.
Aquilla und der Rest der Herde atmeten erleichtert auf.
Rostro nickte. »So sei es«, verkündete er. »Folgt mir. Obwohl es hundert Jahre her ist, kenne ich den Weg dorthin noch genau.«
Sie wandten sich nach Norden. Die Sonne ging bereits unter, als die Flügelbruchspitze vor ihnen am Horizont auftauchte. Der Name passte: Auf der einen Seite stieg der Berg gleichmäßig an, ging dann aber abrupt in eine Reihe scharf abfallender Felsspitzen über, wodurch er wie ein gebrochener Flügel aussah. Der Gipfel war vollkommen kahl und die paar Bäume, die weiter unten aus dem Hang ragten, hoben sich von dem blassgrauen Fels ab wie schwärende Wunden. Aquilla lief ein Schauder über den Rücken. Nun, da sie hier waren, hätte sie am liebsten auf der Stelle kehrtgemacht.
»Ist wahrscheinlich zu spät, um es mir noch mal anders zu überlegen, oder?«, raunte Jaren.
Rostro führte sie über eine tiefe Spalte, die den Übergang vom sanften Berghang zur schroffen, zerfurchten Ödnis markierte. »Hier«, berichtete er, »haben wir damals unsere Waffen und Rüstungen abgeworfen. Schweif-Morgensterne, eiserne Hufglocken, Helme mit Speeraufsätzen und stachelbewehrte Flügelspitzen.«
Bedrückt kreisten sie über der Spalte, die von knorrigen Pflanzen und Gestrüpp überwuchert war. Es fiel schwer zu glauben, dass die Waffen immer noch dort unten lagen, denn durch das dichte Unkraut war nicht das geringste metallische Funkeln auszumachen. Aquilla war ganz froh darüber.
Die Herde ließ sich auf der zerklüfteten Seite des Berges nieder. Zwischen den kümmerlichen Bäumen würden sie zumindest ein wenig Schutz vor dem unbarmherzigen Wind finden, der über die Hänge fegte. Im grauen Licht der Abenddämmerung machten sie sich sogleich daran, ihr Nachtlager zu errichten. Einige gruben mit den Hufen Schlafkuhlen für die Fohlen in den Boden, andere suchten die Gegend nach geeigneten Höhlen ab und wieder andere gingen im spärlichen Wald auf Futterjagd. Aquilla wandte sich ab. Mit einem unguten Gefühl im Magen ließ sie den Blick über die Berge der Umgebung schweifen, die im Dämmerlicht blasslila schimmerten. Weit, weit dahinter lagen die Felder, Wälder und Städte von Cavallon.
Jaren rutschte von ihr runter und beugte sich vor, bis er mit den Fingern seine Zehenspitzen berührte, um seinen Rücken zu dehnen und zu strecken. Der kalte Wind ließ ihn schaudern und er zog fröstelnd die Schultern hoch. Dann drehte er sich zu ihr um. »Was ist los, Aquilla?«
Ihr Seufzer stieg als kleine Wolke in die Abendluft. »Ich hätte niemals herkommen dürfen«, antwortete sie. »Nicht ohne Aquoro. Er ist verschollen und ich stehe hier in der Gegend rum!«
Ihr aufgebrachter Tonfall alarmierte die Pegasus in ihrer Nähe. Sie hielten inne und hoben beunruhigt die Köpfe.
»Vielleicht solltest du dir trotzdem etwas Ruhe gönnen«, sagte Odelia sanft. »Wenigstens eine Nacht. Aquoro ist schon seit Tagen verschwunden. Vielleicht ist er schlicht …«
»Ich kann nicht«, unterbrach Aquilla sie. Ihr Blick wanderte zurück in Richtung Cavallon. »Er ist irgendwo da draußen und nach allem, was in den Splittern passiert ist … Wenn die Zentauren, Einhörner oder Menschen ihn finden, werden sie keine Gnade walten lassen.«
Die