FREUNDE, DIE KEINE SIND. Suman Lederer
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Pardhan kam aus einem anderen Teil Indiens und war für das Studium nach Bengaluru gezogen. Er sprach nicht viel, nahm aber alles sehr wohl auf, manchmal stellten ihm die anderen einfach so Fragen, um zu sehen, ob er wirklich zugehört hatte, ja, er hatte zugehört. Normalerweise hatte er einen ernsten Gesichtsausdruck. Nichtsdestotrotz war er immer freundlich, auch wenn er nicht immer ein Lächeln im Gesicht hatte. Wenn er nach etwas Konkretem gefragt wurde, bot er auf jeden Fall seine Hilfe an.
Harshwardhan, kurz Harsh, wie er von allen genannt wurde, war auf seine Art lustig, manchmal blickte er sogar in lustigen Situationen ernst, Suwarna war nie sicher, ob er den Witz in der Situation überhaupt verstanden hatte oder ob der Witz unter seinem angedachten Niveau war. Er kam, wie Pardhan, aus einem anderen Teil Indiens, und war ebenso für das Studium nach Bengaluru gekommen.
Dann war da noch Shehnaz – sie war aus Bengaluru und wohnte mit ihren Eltern, ihrem verheirateten Bruder, ihrer Schwägerin und ihrer anderthalbjährigen Nichte zusammen. Im Grunde war sie sehr redselig, aber nur mit Leuten, mit denen sie es wollte. Sie konnte viel und sehr herzlich lachen. Einige Jahre später, nach der Hochzeit von Shehnaz würde Suwarna den Kontakt zu Shehnaz verlieren. Sie wird sie später jahrelang in den sozialen Netzwerken und über Freunde suchen, aber leider nicht finden.
Suwarna war ebenfalls nicht aus Bengaluru und wohnte in einer Pension in der Nähe der Uni.
So kam es, dass Suwarna, Prabhakar, Pardhan, Harshwardhan und Shehnaz eine Clique wurden. Sie verbrachten die Mittagspausen zusammen, gingen in eines der zwei Bistros außerhalb des Campus zum Frühstücken, wenn die Vorlesungen später anfingen, oder spätestens für das Mittagessen. Wie es bei jungen Leuten normal wäre, fanden sie immer irgendein Thema zu besprechen, um sich darüber aufzuregen meistens über die Professoren, über etwas herzuziehen, und so weiter. Sie waren alle sehr redselig, außer Pardhan, er hörte immer zu und antwortete, zwar nicht mit vielen Worten, aber dennoch, war immer interessiert, nahm nur nicht viel aktiv teil, aber das störte niemanden, die Gespräche gingen wild gestikulierend weiter. Sie verbrachten viel Zeit unter der Woche zusammen – essen gehen, viel plaudern, manchmal ins Kino gehen, alle fünf hatten einfach eine tolle Zeit zusammen.
Suwarna kam aus der Großstadt Mumbai und war zu Selbstständigkeit und Unabhängigkeit erzogen; sie hatte die Gesellschaftsregeln, die in Indien so wichtig waren, nie richtig verstanden und noch weniger gemocht. Sie verstand nicht, warum sie sich mit Jungen nicht viel unterhalten sollte, warum sie mit Jungen nicht herumhängen sollte, warum sie mit ihnen nicht ausgehen sollte.
Es waren lediglich zwei Mädchen aus Mumbai auf der Uni, und als eine davon wurde Suwarna schnell bekannt. Mit ihren langen schwarzen Haaren, ihrem Lächeln über beide Ohren, ihrer Bereitschaft zu plaudern, war sie ein gern gesehener Gesprächspartner bei den jungen Herren. Alle wollten sie kennenlernen und sich mit ihr unterhalten. Viele hielten Ausschau nach ihr, warteten auf dem Weg von ihrer Pension zur Uni, um sie unterwegs abzufangen. Außerdem bekam sie, wie es normal für ihr Alter war, nämlich achtzehn, fast täglich von unterschiedlichen Jungen Anfragen, um mit ihnen auszugehen. Sie genoss diese Aufmerksamkeit.
Bis zu ihrem fünfzehnten Lebensjahr hatte sie ziemlich wie ein Junge ausgesehen, mit den Jungen aus ihrer Nachbarschaft gespielt, war mit den Jungen in ihrer Schule befreundet und wurde aus ihrer Sicht wie ein Junge behandelt. Umso mehr genoss sie die Aufmerksamkeit, die sie als junge Frau bekam. Sie fand es toll. Wenn ihr die Jungs Komplimente über ihr Aussehen machten, war sie nicht wirklich verlegen, sondern lachte herzlich und flirtete gern mit ihnen. An der Uni war sie tagsüber sehr gern mit ihren Freunden unterwegs, am Abend ging sie öfter gern mit einigen Jungen aus. Ihre Freunde sagten ihr des Öfteren, sie solle bitte vor diesen anderen Jungen aufpassen, aber sie hatte keine Angst vor ihnen. Das Leben war toll!
An der Uni lernte sie Mahinder kennen. Sie verabredeten sich zum Kaffeetrinken und beschlossen anschließend, sich noch mal zu treffen. Sie stellten fest, dass sie gern Zeit miteinander verbrachten und fingen an, sich regelmäßig zu treffen, fast alle zwei Tage. Es waren die normalen Dinge, die Teenager gern machten, Teetrinken gehen, ein bisschen mit dem Motorrad herumfahren, manchmal sogar außerhalb der Stadt, Essen gehen, ins Kino gehen, und dergleichen.
Eines Abends brachte er sie zu ihrer Wohngemeinschaft zurück, in die sie vor einiger Zeit von der Pension umgezogen war. Sie hielten eine Straße vorher bereits an, standen dort und unterhielten sich noch eine Weile. Aus den Augenwinkeln sah Suwarna ein paar Männer in ihre Richtung laufen, sie dachte sich nichts dabei, denn es war nicht unüblich, dass Jungen miteinander herumscherzen und herumlaufen. Als sie etwas näher waren, fragte sie sich für einen Moment, ob irgendetwas los war, aber widmete sich dann wieder den Worten von Mahinder. Als die Männer noch näher waren, läuteten die Alarmglocken kurz in ihrem Gehirn, es war alles so schnell, einerseits schrie ein Teil ihres Gehirns, dass etwas nicht stimmte, mit einem Teil sah sie etwas Bedrohliches in ihren Händen, nahm es wahr und doch nicht richtig wahr, mit einem anderen Teil hörte sie Mahinder noch zu.
Plötzlich waren die Männer bei ihnen, es waren fünf, sie hielten Machete, Sichel und Messer in ihren Händen – zwei hielten Mahinder fest, zwei hielten sie fest, der fünfte leerte die Taschen von Mahinder und schlug ihm in den Bauch. Er solle keinen Mucks von sich geben, sonst wäre er fällig. Sie hatte bereits angefangen zu schreien, als die Männer sie festhielten. Daraufhin zeigte einer ihr das Messer und schnauzte sie an aufzuhören. Sie hörte auf. Als der fünfte Mann Mahinder noch einmal schlagen wollte, versuchte sie sogar in der Situation vernünftig mit dem Schläger zu reden. Sie sagte ihm, er könne das ganze Geld haben, das sie dabeihatte, sowie ihren Goldschmuck, aber er solle Mahinder nicht schlagen, wozu schlagen, wenn er kriegen würde, was er haben wollte! Der Schläger reagierte sogar mit Verständnis darauf. Einer von den zwei Schlägern, die sie festhielten, wollte sie dann schlagen. Wieder sah sie dem fünften Schläger direkt in die Augen und forderte ihn auf, mit dem ganzen Unsinn und Schlägen aufzuhören, da sie das Geld und das Gold bereits hatten. Ob es ihr Mut war, den sie in der Situation zeigte und somit für ihn einen Überraschungseffekt erzeugte, oder ob er es wirklich verstanden hatte, wusste sie nicht. Aber das war eigentlich egal. Er ging erneut darauf ein und sagte dem anderen Schläger, er solle aufhören. Zum Schluss gaben die Schläger Mahinder trotzdem noch einige Schläge, bedrohten ihn und Suwarna mit dem Messer und der Machete und verschwanden dann in die Nacht. Das Ganze dauerte fünf oder sechs Minuten, kam ihr aber wie eine Ewigkeit vor.
Suwarna konnte sich nicht bewegen, sie konnte nicht fassen, was gerade passiert war, waren sie gerade überfallen worden? Sie hatte mehr Geld dabei als sonst, da sie am nächsten Tag eine Kursgebühr zu zahlen hatte. Aber das war nicht so wichtig, nicht jetzt, dachte sie. Ihr Goldschmuck war weg, wie soll sie das ihrer Mutter und ihren Verwandten erklären? Aber das war in dem Moment nicht wirklich das Wichtigste. Sie waren gerade überfallen worden. Es hätte viel schlimmer ausgehen können. Sie hatten Glück gehabt, Riesenglück! Mahinder war wie erstarrt, er stand nur so da, leicht im Schock, fast am Weinen, das konnte sie ebenso nicht fassen. Er ist doch der Mann, er sollte sie trösten, dachte sie.
Sie ging die drei Schritte hinüber und nahm seine Hand: „Komm, wir gehen in meine WG.“
Sie gingen die hundertfünfzig Meter bis zu ihrer Wohngemeinschaft.
Ihre zwei Mitbewohnerinnen, die Schwestern waren, waren zu Hause, Suwarna erzählte ihnen, was passiert war, sie waren ebenfalls sprachlos. Alle schüttelten nur den Kopf und konnten es nicht fassen, dass so etwas in ihrem Viertel passiert war. Eine von ihren beiden Mitbewohnerinnen ging hinunter, erzählte dem Besitzer des Hauses alles und rief anschließend die Mitbewohner von Mahinder an.
Zwanzig Minuten später trafen zwei seiner Mitbewohner ein, alle redeten miteinander, sie waren fassungslos über das Ganze, aber es war schon passiert, man konnte die Zeit nicht zurückdrehen. Mahinders Mitbewohner nahmen