FREUNDE, DIE KEINE SIND. Suman Lederer
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Parallel dazu ging Suwarna in das indische Goethe-Institut, das Max-Mueller-Bhavan, um sich nach Deutschkursen zu erkundigen. Es gab einen zehnwöchigen Intensivkurs für die Grundstufe, Montag bis Freitag, jeden Vormittag für drei Stunden. Der Grundkurs war wiederum aufgeteilt in drei Stufen; sie konnte nicht ein einziges Wort Deutsch, so kam sie in die erste Stufe des Grundkurses, G-I. Damals waren die Deutschkurse in die Grundstufe, mit drei Stufen innerhalb der Grundstufe, die Mittelstufe, mit drei Stufen innerhalb der Mittelstufe, und die Oberstufe, mit zwei Kursen innerhalb der Oberstufe, aufgeteilt, bis das System in das einheitliche europäische System mit insgesamt drei Stufen, A (I und II), B (I und II) und C (I und II), geändert wurde.
Mitte Mai begann der Kurs. Mit ihrem neuen Moped fuhr Suwarna strahlend zum Deutschkurs. Es waren elf weitere junge Menschen im Kurs, ein paar Jahre älter oder jünger als ihre neunzehneinhalb Jahre.
„Guten Morgen, ich heiße Aparna, wie heißen Sie?“, fing die Lehrerin an.
Nachdem sie es dreimal wiederholt hatte, verstanden die Leute, inklusive Suwarna, dass sie das wiederholen sollten. Also wiederholten alle, so gut wie es ging, den Satz. Die Lehrerin deutete an, dass die erste Reihe anfangen sollte und jeder ihn zu dem Nachbarn oder der Nachbarin sagen sollte. In der englischen Sprache gibt es den Unterschied zwischen Sie und Du nicht, aber in Hindi, der Landessprache Indiens, schon. Die Lehrerin erklärte den Unterschied und alle übten dann,
„Ich heiße Suwarna, wie heißt du?“, natürlich mit dem eigenen Namen.
Dann war es schon Zeit für die Frühstückspause. Die ganze Gruppe ging gemeinsam in das nahegelegene südindische Restaurant. Suwarnas Tante hatte ihr ein Frühstück mitgegeben, aber sie wollte die Zeit mit der Gruppe und der Lehrerin nicht verpassen, also ging sie ebenfalls mit. Alle bestellten ihr Frühstück, Idli1, Wada2 und Co. Nach der Bestellung sah sich Suwarna um, sie saßen alle draußen, im Schatten der Bäume, eine leichte Brise streichelte sanft ihr Gesicht, als ob sie ihr Mut machen und sagen wollte, es würde dir nur noch besser gehen, elf neue Leute, die alle miteinander plauderten, die sympathische junge Lehrerin, eine neue Sprache, neue Aussichten fürs Leben, und Suwarna mittendrin, mein neues Leben beginnt!
Fleißig machte sie am Nachmittag ihre Hausaufgaben, las ihrer Cousine laut Sachen vor, die sie am Vormittag im Unterricht gelernt hatte. Ihre Kusine verstand nichts, dennoch hörte sie aufmerksam zu und fragte:
„Verstehst du überhaupt, was du da sagst, oder sagst du einfach irgendwas, da ich eh nichts verstehe?“
Suwarna lachte laut: „Ich verstehe das natürlich, du Dummkopf, ich habe das heute früh im Kurs gelernt.“
Ihre Cousine war nicht überzeugt: „Jaja, mach dich nur lustig über mich, wenn du jetzt nicht ordentlich lernst, wirst du in Deutschland nichts verstehen, die Leute werden sich dann über dich lustig machen, wenn du nur dumm dastehst. Kannst du dich überhaupt mit Leuten unterhalten?“
Ach, sie hatte keine Ahnung, so schnell ging es doch nicht, Suwarna sagte nur:
„Lass mich in Ruhe, es wird schon alles gehen.“
So zogen sie übereinander her, bis ihre Tante ihre Cousine in die Küche rief. Suwarna hatte ihre Cousine sehr gern. Später würde ihre Zuneigung aber nicht vermeiden können, dass sich die Frauengruppe, über die Lehrerin, mit ihr in Verbindung setzte, und sie schnell hat überreden können, im Netzwerk mitzumachen, in der speziell für die Lehrer gegründeten Gruppe – an sich wahrscheinlich keine schlechte Idee, aber die Hinterhältigkeit und die Motivation der Frauengruppe, alle von Suwarna zu entfernen, machte alles aus. Den Grund hinter ihrer vertretenen Meinung, Suwarna sei selbst schuld, würde man natürlich nicht erfahren können, ob es der Gedanke war, selbst im Beruf weiterkommen zu können, oder ob sie auch der Meinung war, dass es Zeit war, dass es Suwarna endlich mal erwischte.
Sie übte Deutsch sehr fleißig jeden Tag, mündlich und schriftlich, aber alles in der Gegenwartsform, denn das war das, was man am Anfang in einem Sprachkurs lernte. Sie dachte sich nichts dabei, es kam ihr nicht komisch vor, das war das, was sie gelernt hatte, und das war das, was sie übte.
Am Ende der zweiten Woche träumte sie sogar in der Nacht auf Deutsch; sie träumte, dass ihre Tante und sie eine Meinungsverschiedenheit ausdiskutierten, auf Deutsch. Sie verstand selbst nichts, in ihrem Traum natürlich, was sie da sagten, da es zu schnell ging und ihre Deutschkenntnisse nicht so gut waren, aber es war auf jeden Fall Deutsch, da war sie sich sicher.
An manchen Tagen ging sie nach dem Deutschkurs in die Uni, um ihre Freunde zu treffen. Sie sagten, ohne sie sei alles nicht das Gleiche. Ja, für sie genauso!
Zwischendurch rief sie Anant an und traf sich mit ihm. Manchmal gingen sie Tee trinken, manchmal fuhren sie nach außerhalb der Stadt, nur um dort einen Tee zu trinken und sich zu unterhalten. Er fand ihre Art immer erfrischend und hörte ihr gern zu. Er sagte oft zu ihr, sie solle bitte meditieren, da sie sich manchmal über verschiedene Dinge aufregte.
„Was soll bitte Meditieren bringen? Das löst doch keine Probleme. Das ist ähnlich wie den Kopf in den Sand zu stecken“, antwortete sie immer daraufhin.
Mit Anant blieb sie danach jahrelang in Kontakt, woran sie zu dem Zeitpunkt nicht gedacht oder es geplant hatte. Wenn sie in Bengaluru war, versuchte sie ihn und seine Familie zu treffen. Selbst Jahre später, wenn sie mit Max in Bengaluru war, gingen beide Anant und seine Familie besuchen. Jedoch telefonierten sie nicht mehr so regelmäßig miteinander. Aber so geschah es im Leben; manchmal blieben Leute im Herzen, ohne dass man ein Wort sagte, eigentlich, ohne dass man auch nur ein Wort sagen musste.
Vierundzwanzig Jahre später wurde Anant auch von der Frauengruppe kontaktiert. Suwarna war sich sicher, im Herzen würde er sie nie fallen lassen. Sie würde es nur schade finden, dass die Frauengruppe es erreicht hatte, eine Verzerrung in jede ihre Verbindung hineinzubringen.
Sie konnte nicht mehr so oft überall hingehen, da sie mit dem Moped unterwegs war, der Verkehr nicht ungefährlich war und sowohl ihre Mutter als auch ihre Tante und ihr Onkel ihr gesagt hatten, sie solle vorsichtig sein, nicht viel herumfahren, denn sobald die Einreisegenehmigung da wäre, müsste sie gehen, und ein Unfall würde alles verschieben, außerdem müsste dann ihre Mutter eine neue Genehmigung beantragen, und alle Unterlagen erneut zusammenstellen. Uff! Okay! Nicht mehr so viel herumfahren, einverstanden, dachte sie. Mit so einer Erklärung konnte sie leben, das klang für Suwarna sinnvoll, aber niemals mit der Erklärung, dass sie jenes oder jenes nicht machen sollte, weil sie ein Mädchen war, die Erklärung hätte sie nie akzeptiert, sie war fast allergisch auf solche Erklärungen.
Noch in ihrer Kindheit gab es immer wieder Diskussionen mit den Großeltern und einer Tante väterlicherseits darüber, dass Suwarna viel zu vielen Aktivitäten nachgehe und dass das alles für ein Mädchen nicht gut sei. Ihr Vater war etwas konservativer, außerdem wollte er innerhalb der Familie keine Konflikte und versuchte manchmal auf die Wünsche seiner Eltern und Schwester einzugehen, indem er versuchte, Suwarna einige außerakademische Aktivitäten zu verbieten. Zum Glück sah es ihre Mutter anders; sie sah, dass Suwarna Talent hatte und etwas machen wollte und hatte immer versucht, trotz vieler Diskussionen mit ihrem Vater, dass Suwarna an Aktivitäten teilnehmen konnte.
Am Ende der dritten Woche rief ihre Mutter an und sagte, sie wäre von der Ausländerbehörde verständigt worden, dass die Einreisegenehmigung bald fertig sein würde.