Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht

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Italiener-Wochenende - Kathi Albrecht

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dass er mal Bio-Lebensmittel verkaufen würde … „Ja, mit Kunstgeschichte habe ich geliebäugelt, aber dann habe ich mich doch für Grafik-Design entschieden. Ich habe in der Agentur Werbung und Slogans und Logos gestaltet. Und jetzt mache ich sowas Ähnliches in einem Buchverlag!“

      „Was für Logos?“

      „So für irgendwelche kleinen Firmen. Wenn da zum Beispiel ein Eigentümerwechsel ist. Das mache ich immer noch nebenher. Oder – sieh dir mal diesen Maßkrug an – also, wenn ein Logo einfach nicht mehr zeitgemäß ist.“ Sie seufzte. „Aus so einem Krug dürfte man gar nicht mehr trinken.“

      „Stattdessen?“

      Jule starrte Lorenzo an. „Wie: Stattdessen?“

      „Was würdest du stattdessen machen? Ich meine jetzt nicht, nach nebenan gehen und da was trinken, oder umschütten in ein anderes Glas, sondern was würdest du mit diesem Logo machen?“

      „Also ich würde – Vero, gib mal den Kuli da – wenn das im Prinzip so bleiben würde …“ Jule zeichnete die groben Umrisse auf eine Serviette und strichelte weiter. „Dann machst du hier die Schattierung kleiner und dann da was weg. Das ist alles viel zu viel Gedöns mit diesen Rähmchen und Bildchen. So. Wenn man dann jetzt hier die Farbe reinsetzt, gern ein bisschen kräftiger … Guck, dann ist das viel moderner.“

      „Wow!“ Stefano war beeindruckt. „Du kannst gut zeichnen.“

      „Danke.“ Jule lächelte ihn an. „Ist aber schon ganz hilfreich, wenn man als Gestalterin weiß, wie man den Stift in die Hand nehmen muss …“ Sie sah hoch zu Lorenzo. „Jetzt guck mich nicht so an!“

      „Das sieht so aus, als hättest du dich doch für den richtigen Job entschieden. Aber warum machst du jetzt schon wieder ganz was anderes?“

      „Hm.“ Jule schluckte. Dann holte sie tief Luft und antwortete: „Ich wollte nach München. Schon lange, falls du dich daran auch noch erinnerst.“

      Darüber hatten sie mal gesprochen. Auch, dass er ebenfalls in München studieren wollte, deswegen war er ja damals bei seinem Onkel gewesen: Um sich Stadt und Uni anzusehen. Einiges hatten sie gemeinsam angeguckt und sie hatte ja auch mal mit München als Studienort geliebäugelt. Tatsächlich hatten sie ja in ihren Mails davon geträumt, sich in München wieder zu treffen und dann …

      Lorenzo nickte bedächtig. „Aber warum bist du nicht früher nach München gekommen? Das hattest du doch vor!“

      Vero sah interessiert von einem zur anderen.

      Jule schwieg. Lorenzo war anstrengend. Unverbindliche Konversation war was anderes. Und sollte man auf dem Oktoberfest nicht vielleicht erst einmal über Belanglosigkeiten wie das Wetter, den Bierpreis oder den neuen Wiesn-Hit reden?

      „War bestimmt nicht so einfach hier den passenden Job zu finden, wenn du so lange gesucht hast“, versuchte sich Stefano an einer Erklärung.

      Jule entschloss sich, ihrerseits höflich zu sein und trotzdem zu antworten. Wahrheitsgemäß, denn neben ihr spitzte auch Vero die Ohren.

      „Ich will mich nicht groß beklagen, immerhin hab ich einen Job, da gibt es auch Leute, die dasselbe studiert haben und sich heute immer noch mit gelegentlichen Aufträgen durchschlagen. Nein, ich hatte einen super Job, aber befristet, dann war ich in diesem Start-up, länger als ich gedacht hätte. Ich mein, ich hab dann angefangen, mich nach was anderem umzugucken und dann… na ja, ich wollte ja heiraten und bin eben in Düsseldorf geblieben.“

      „Du bist verheiratet?“ Entsetzen in Stefanos Blick. Er suchte mit den Augen den Ehering an Jules Hand.

      Statt zu antworten, stopfte sich Jule eine dicke Gabel voller Kaiserschmarrn in den Mund. Nein, nein, nein. Darüber wollte sie jetzt nicht reden und auch nicht daran denken! Warum erzählte sie eigentlich so viel? Was ging die zwei das an? Außerdem war sie hier, um sich abzulenken, und nicht, um an ihren Frust zu denken. Sie war nochmal davongekommen. So sah sie es jetzt und beschloss, endgültig Frieden mit ihrer Entscheidung zu machen. Beinahe hätte sie eine Riesendummheit begangen, aber gerade noch die Kurve gekriegt. Geerntet hatte sie statt allgemeinen Beistand einen gewaltigen Shitstorm. Sowohl viral und digital als auch ganz analog Auge in Auge. Dies hatte Jule damit beendet, kurzerhand alle Social-Network-Accounts zu löschen, die Simkarte ihres Handys im Rhein zu versenken und die Flucht anzutreten. Eigentlich kein impulsiver Mensch, hatte sie endlich mal auf ihr Bauchgefühl gehört. Nun saß sie in München und war eigentlich ganz zufrieden damit. Was sollte also dieses blöde Nachbohren von Lorenzo? Überhaupt wäre ihr momentan ein Italiener, der gar kein Deutsch sprach, erheblich lieber. Dann hätte sich die Kommunikation auf das Wesentliche beschränkt: Wie heißt du? Wo kommst du her? Magst du noch ein Bier? Gehen wir tanzen, spazieren, Karussell fahren, knutschen, zu dir oder zu mir?

      Vero erbarmte sich und antwortete diplomatisch: „Nein. Sie wollte ursprünglich im Frühjahr heiraten, die beiden haben sich aber kurzfristig dagegen entschieden.“

      Stefano sah sie mit großen Augen an. Sein Blick wanderte an Jule auf und ab. Vom Gesicht über ihren Ausschnitt, tiefer und wieder zurück. Er konnte es ganz offensichtlich nicht verstehen. „Autsch… Warum? “

      Jule nahm das Kompliment, das in seinem Blick lag, gerne an. „Der Typ kriegt ein Kind mit einer Kollegin.“

      „Arschloch!“

      Lorenzo hatte die ganze Zeit über gar nichts gesagt. Jetzt zeigte er mit dem Finger auf ihr Kleid. „Ah, deshalb. Verstehe.“

      „Was verstehst du?“ Jule verstand nämlich gar nichts.

      „Ich wusst’ ja, dass du heiraten wolltest. Hatte mein Onkel mir erzählt. Und ich hab mich heut deswegen schon ein bisserl gewundert … Aber du wärst ja nicht die erste verheiratete Frau auf der Wiesn gewesen, die sich die Dirndlschleife links bindet, weil sie ein lustiges Wochenende will.“

      Jule starrte ihn an. Das konnte nicht wahr sein. „Lorenzo, heißt das, du schaust wirklich nach, wo die Schleife sitzt, wenn du eine Frau ansprichst?“

      „Ja. Natürlich schaut man. Man will doch wissen, ob es sich lohnt … “

      Er grinste sie frech an und hatte sichtlich Spaß. Er war anstrengend ehrlich, aber man konnte ihm nicht lange böse sein. – Und Jule wusste plötzlich wieder ziemlich genau, warum sie sich damals in ihn verliebt hatte.

      Bevor sie aber weiter nachdenken konnte, stand die Kellnerin wieder an ihrem Tisch. „Wenn’s ihr nix mehr trinkt, dann geht’s halt, bittschön! Dahinten da warten’s scho auf die Plätze!“

      Lorenzo drehte sich um zum Eingang, wo sich eine Truppe singender Südeuropäer mit gelben T-Shirts gerade herausdrängelte und zu ihnen hinüberwinkte.

      „Das sind nicht etwa eure Fußballjungs, oder?“, fragte Veronika.

      Ohne irgendwen zu fragen oder auch nur anzusehen, antwortete Lorenzo: „Ja. Für mich noch ein Spezi. Stefano, Helles oder Radler?“

      „Helles natürlich!“

      Vero sah erschrocken auf. „Ja. Jule, Radler? Zwei Halbe bitte!“

      Warum fragte sie überhaupt? Jule hatte nicht einmal Zeit gehabt, zu nicken. Sie besah sich die herannahenden Italiener und kicherte. „Lorenzo, sag jetzt bitte nicht, dass du auch so ein gelbes Shirt hast!“

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