Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht
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Zwei Gläser Prosecco und eine Stunde später hatten sie sich zumindest grob auf die Kleiderordnung für den Abend geeinigt.
„Super siehst aus!“ Vero kicherte. „Bloß das mit der Schürze müssen wir ändern…“
„Wo ist das Problem?“ Die Schürze war himbeerrot und lang genug war sie auch.
„Die Schleife ist in der Mitte“, grinste Vero. „Nimm’ mir nicht übel, aber das glaubt dir keiner!“
Jule sah sie fragend an.
„Juli, das würde bedeuten, dass du noch Jungfrau bist! Schleife rechts heißt, du bist verheiratet oder zumindest fest liiert. Wenn du eher Kontakt suchst, solltest du die Schleife links binden.“
„Glaubst du eigentlich wirklich, da achtet jemand drauf, wo bei meinem Kleid die Schleife ist?“
„Je nachdem, wie tief dein Ausschnitt ist, schon …“ Vero lachte. „Weil, wenn du jetzt dieses sehr traditionelle Trachtenkleid von meiner Mutter da anziehst – das da mit dem schwarzen Miederoberteil – und diese hochgeschlossene Bluse hier, dann kannst du deine Schleife so weit links binden wie du willst. Da lernst du nette alte Damen aus dem Münchner Umland kennen und feierst einen beschwingten Nachmittag mit rüstigen Senioren, die dich dann fragen, warum denn ausgerechnet du noch nicht verheiratet bist.“
„Ach, und wenn ich jetzt einen Ausschnitt bis zum Bauchnabel hab, dann schaut vielleicht auch mal jemand nach, ob er gleich was auf die Finger kriegt, wenn er mich anfasst? Verstanden.“
Trotz der Auswahl war für Jule keine passende Bluse dabei. Ihr Dekolletee war zwar nicht gerade knabenhaft, aber mit Tante Christine konnte sie es nun wirklich nicht aufnehmen. Vero brauchte ihre eigene Bluse, eine weitere hatte sie vor Wochen an eine Kollegin verliehen und das, was von Tante Christines älteren und kleineren Modellen passte, war eindeutig zu traditionell um irgendwen unter vier Promille anzulocken. Deswegen schauten sie noch beim Trachten-Second-Hand auf der Schellingstraße vorbei, wo Veronika schon diverse Schnäppchen erstanden hatte und die Besitzerin kannte.
Im Laden war es laut, eng und voll. Wie eigentlich zu erwarten. Was Jule allerdings nicht erwartet hatte, war dass der Laden so klein war. Auf knapp 25 Quadratmetern waren alle Wände und sogar das Fenster mit Hunderten von Dirndln bedeckt, in allen Größen von Baby bis Walküre, von Bodenlang bis Schambeinkurz – und in allen Farben. Und hätte das allein nicht schon gereicht, so gaben die zwölf japanischen Mädchen mit ihren Piepsstimmen Jule den Rest. Da aber Vero furchtlos hineinstürmte, musste sie wohl oder übel hinterher. Trotz Enge, Gepiepse und Blasmusik aus dem Radio. Vero hatte gleich nach Bussi links, Bussi rechts mit der Ladenbesitzerin ein intensives Gespräch begonnen, unter anderem über den Ausschnitt einer Bluse, die Vero irgendwann anprobiert, aber doch nicht gekauft hatte. Jule betrachtete mit großen Augen die vielen, vielen Dirndl. Draußen vor der Tür waren doch auch noch welche gewesen, oder? Dort war es zwar nicht leiser, weil sich eine Schlange Anwohner in Autos wortreich und hupend darüber aufregte, dass ein Lasterfahrer das Café gegenüber mit größeren Mengen Klopapier belieferte. Trotzdem, hier war wenigstens ein bisschen Platz, außerdem hingen an einer Stange ungefähr fünfzig weiße Dirndlblusen. Darüber ein Schild „Jedes Teil 10 bis 30 Euro“. Gutes Argument, da mal zu stöbern.
In Veros Schnellkurs hatte sie ja gelernt, worauf zu achten war: Nicht zu viele Knöpfe und keine hohen Rüschen, wenn man etwas erleben will. Puffärmel hatte sie schon als Kind nicht ausstehen können, weil das Gummi am Ärmel immer einschnitt. Die Auswahl der infrage kommenden Blusen reduzierte sich damit erheblich. Von den zehn übriggebliebenen sahen nur drei so aus als könnten sie passen. Eine mit Spitze, eine andere eher im Landhausstil, dann noch eine mit Schneewittchenkragen. Die Größenschilder waren entweder herausgetrennt oder unleserlich verblasst, sie musste sich auf ihr Augenmaß verlassen. Jule nahm die drei Blusen und betrat wieder den Laden. Vero führte immer noch ihr Gespräch mit der Verkäuferin fort, die sich aber nicht weiter stören ließ und nebenbei den Japanerinnen Kleider, Blusen und Schürzen in die Umkleidekabine reichte. Vero hatte sich weiter in den Laden vorgearbeitet und befingerte während des Redens Lederhosen. Ohne Inhalt.
Da überhaupt kein Mann im Laden war und die Japanerinnen zu viert die einzige Kabine mit Beschlag belegt hatten, ließ sich Jule von der Besitzerin in eine Ecke des Ladens schieben, wo diese ihr bedeutete, sie solle hier probieren.
Jule entblößte sich obenrum weitgehend, um in die Blusen einzusteigen. Das Spitzenmodell schnitt leider so erbärmlich ein, dass das Atmen problematisch wurde, die Landhausbluse saß perfekt, sah aber ein wenig langweilig aus. Und ob sie zu dem Kleid passte, was sie sich ausgesucht hatte? Die mit Schneewittchenkragen, die Jule am besten gefiel, saß irgendwie nicht hundertprozentig, fand sie und zupfte unentschlossen am Ausschnitt herum.
Gleich stand die Verkäuferin wieder vor ihr. „Gehst ja net so auf’d Wiesn. Des wird scho’ passen.“
„Ja, sicher. Ich wollte natürlich ein Kleid drüberziehen … “
„Naa, des mein i net. Wirst was G’scheits drunter ziehn. So einen …“ Beherzt packte sie Jule seitlich bei den Rippen, quetschte ihr den Busen zusammen und rief fröhlich: „So einen Push-up, gell!“
Jule blieb die Luft weg, Vero lachte schallend und die japanischen Mädchen kicherten mit roten Ohren. Die Verkäuferin ließ Jule noch immer nicht los, sondern rief: „Veronika, schau, da haben wir was gefunden!“
Wir. In der Tat. Vero kam näher und nickte. Endlich ließ die Verkäuferin von Jule ab. Die atmete erleichtert ein. Dafür beugte sich nun aber ihre Cousine sehr nah an ihren Ausschnitt und piekte mit dem Finger an ihrem Busen herum.
„Maria, schau, da ist ja so ein Fleck … Der ist beim Waschen wohl nicht rausgegangen. Direkt am Ausschnitt, das ist aber schad’ … Was magst denn haben für die Bluse …?“
Noch eine Nase beugte sich in Jules Dekolleté. „Ah ja, da, ich seh’s. Mei, die Wiesn ist halb rum und wenn das die Cousine ist … Für die Familie mach ich an Sonderpreis. Kriegst’s für an Zehner.“ Das war ein Wort. Da konnte Jule auch darüber hinwegsehen, dass das gute Stück nicht hundertprozentig passte.
MAX
Ein Menschenstrom in Krachledernen und Dirndlkleidern walzte auf die Theresienwiese zu. Ausscheren und selbstständig einen eigenen Weg zum Oktoberfest zu suchen war nicht möglich, niemand konnte aus der Masse ausbrechen, selbst wenn er gewollt hätte. Aber das wollte natürlich keiner, alle ließen sich anstecken von erwartungsvoller Feierstimmung und schlenderten durch den Haupteingang, vorbei an zwei Carabinieri, die mit bewundernswerter Engelsgeduld die wichtigen und auch die nicht ganz so wichtigen Fragen ihrer Landsleute nach Wegen, Öffnungszeiten und Biervorräten beantworteten. Es sich hatte in langer Tradition zum mittleren Oktoberfestwochenende so ergeben, dass die Italiener beinahe ausnahmslos und perfekt organisiert in großen Gruppen angekarrt wurden. Irgendwann war die Münchner Polizei dazu übergegangen, mit den italienischen Kollegen zu kooperieren, deswegen reisten parallel zu den Bussen mit Feierlustigen auch ein paar Carabinieri an, die beider Sprachen mächtig waren und so die Völkerverständigung zwischen Behörden und Besuchern erleichtern konnten. München revanchierte sich als nördlichste Stadt Italiens am Italiener-Wochenende damit, dass im Radio sogar der Verkehrshinweis auf Italienisch vorgetragen wurde. Dennoch versuchte ein Wohnmobil mit italienischem Kennzeichen in der Feuerwehrzufahrt der Theresienwiese zu parken. Es war nicht zu fassen. Der erste war bereits ausgestiegen und begann einen Campingtisch aufzubauen.
Nebenan am Wiesneingang hielten ein paar