Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht

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Italiener-Wochenende - Kathi Albrecht

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Arzt wiegte den Kopf hin und her. Er schien mehr zu wissen als er sagen wollte. „Möglich. Sowas in der Art jedenfalls … Wir haben Blut abgenommen und die Kollegin im Labor schaut sich das gerade genauer an.“

      „Mal ganz ehrlich“, murmelte Jule. „Dieses hyperaktive Gehampel und das Gerenne vorhin, das ist doch typisch Lorenzo. Dafür braucht der doch keine Drogen …“

      Sie bemerkte ein amüsiertes Zucken um Dr. Russos Mund. Er war sichtlich bemüht, sich nichts anmerken zu lassen und studierte eingehend das Krankenblatt, das er selbst mitgebracht hatte. Dann richtete er sich auf, legte Jule die Hand auf den Arm und sagte lächelnd: „Keine Sorge, er wird ja wieder! Morgen in der Früh, wenn Sie ihn abholen, ist er wieder ganz der Alte und“, er grinste, „dann sind die Pupillen immer noch so schön groß und schwarz …“

      Jule war verwirrt. Was sollte das jetzt?

      „Juli, das ist die Wirkung von dem Zeugs, das der geschluckt hat. Pupillenerweiterung, das hält sich ein bisschen. Kann übrigens ziemlich attraktiv aussehen!“

      Immer noch lächelnd wandte sie sich wieder Dr. Plüschauge zu: „So ein Wochenenddienst zur Wiesn-Zeit ist ja nicht besonders lustig. Hat man da noch Lust, selbst hinzugehen und ein Bier zu trinken?“.

      „Ach, das macht mir nichts aus, ich war schon auf der Wiesn dieses Jahr und wenn ich jetzt noch zwei Nächte Dienst mache, muss ich an Weihnachten nicht ran.“

      „Oh, morgen auch noch mal! Sie Ärmster!“ Vero zerfloss ja förmlich!

      Und Jule ergänzte im Geiste: Ich Ärmste, ich arme Veronika kann Sie morgen früh gar nicht wiedersehen … Was machen wir denn da?

      4

      „Wann bist du eigentlich aufgestanden?“ Jule war noch nicht einmal richtig wach, da stand Vero schon bei ihr in der Küche, war dabei die Kaffeemaschine anzuwerfen – und hatte sogar frische Brötchen mitgebracht! Sensationell. Nur die Aussicht auf Kaffee hatte dafür gesorgt, dass sie nicht direkt wieder ins Bett gestiegen war, nachdem sie ihrer Cousine die Tür geöffnet hatte, sondern sich ohne großen Umweg über das Badezimmer gleich an den Tisch setzte.

      Vero starrte sie an. „Willst du damit etwa sagen, dass du nicht wach geworden bist, als dein Telefon geklingelt hat?“

      „Welches Telefon?“ Jule fingerte nach ihrem Handy.

      „Lautlos?“ Vero zeigt auf den Apparat. „War meine Mutter, deine Tante. Sie hat dann auch noch bei mir angerufen … Schöne Grüße und wir haben die Dirndl-Kleider hängen lassen.“

      „Oh, Mann! Hab ich total vergessen in der Aufregung gestern … “

      „Hab ich ihr auch erzählt, und die Geschichte mit Lorenzo kannte sie noch gar nicht. Sie war einigermaßen verwirrt, hat panisch aufgelegt und wollte erstmal rüber zu Enzo.“

      „Kann dein Vater uns nicht vielleicht die Kleider bringen? Der steht doch immer so früh auf! Wenn wir da erst … Och nee!“

      „Juli, das war ja der Plan, aber der Papa hat die Tasche mit den Dirndln stehen lassen und dafür das Altpapier ins Auto geladen und ist zum Einkaufen gefahren und dann weiter zum Andi. So: Weil ich aber schon mal wach war, bin ich aufgestanden und zum Bäcker gegangen.“

      „Oh, das ist aber lieb.“ Jule setzte sich noch im Schlafanzug an den Tisch und goss Kaffee ein. Sie knabberte gerade genüsslich an einer dick mit Nutella bestrichenen Brötchenhälfte, als das Handy schon wieder klingelte. Wieder Tante Christine. Inzwischen hatte sie mit der halben Nachbarschaft telefoniert und war auf dem neuesten Stand. Das gesamte neu erworbene Wissen gab sie gleich an Jule weiter. Irgendwer hatte übrigens dann auch noch behauptet, ein gewisser Hubert, der im Mai einen Herzinfarkt erlitten hatte und daran gestorben war, der hätte vorher auch so einen Tanz aufgeführt wie Lorenzo gestern. Aber natürlich wollte sich da mal wieder jemand wichtigmachen, fand Christine, und Hubert sei ja schließlich Kettenraucher gewesen und war schon 78 gewesen und überhaupt.

      „Wie geht es Lorenzo eigentlich?“, unterbrach Jule ihre Tante.

      „Ach, Schatz, so genau weiß ich das gar nicht. Ganz gut, glaube ich. Mit Enzo habe ich nur kurz gesprochen. Aber soll ich euch nochmal Danke sagen und er will Lorenzo gerne abholen, aber Wolfgang ist doch jetzt mit dem Auto unterwegs zum Andi, weil unsere kleine Franzi doch … “

      „Enzo hat jetzt also ein Transportproblem?“ fragte sie – nur leicht genervt.

      „Ja,“ gestand Tante Christine. „Ist ihm sehr peinlich, aber könnt ihr noch einmal zum Krankenhaus fahren, mit ihm? Ich meine, wenn ihr sowieso hier vorbeikommt wegen der Kleider und dann zur Veronika …“

      „Ja, dann liegt das Krankenhaus fast auf dem Weg.“ Jule nickte ergeben.

      Mit Enzo auf dem Rücksitz und daneben Christines Trachtenkollektion der letzten fünf Jahrzehnte machten sie sich noch einmal auf in Richtung Krankenhaus. Enzo war schrecklich aufgedreht und redete ununterbrochen. Auch nüchtern war er anstrengend. Er hoffte, alles richtig zu machen und war glücklich, dass sein Neffe den Besuch in München zumindest überlebt hatte. Er würde sich keine Vorwürfe machen müssen, sein Bruder in Italien war auch recht zuversichtlich, seine Schwägerin – übrigens Lorenzos Mutter – hatte ihm per SMS mindestens 200 wertvolle Tipps zur Nachbehandlung übermittelt, und Enzo betete sie alle noch einmal herunter. Vermutlich war er einfach nur froh, jemanden zum Reden zu haben.

      Jule schaltete auf Durchzug, schließlich musste sie sich aufs Fahren konzentrieren und hoffte inständig, dass sie Enzo wenigstens an diesem Morgen einfach an der Krankenhauspforte abgeben konnten. Italiener-Wochenende hin oder her, Enzo und Lorenzo gingen ihr schon ein wenig auf die Nerven, sie war doch kein Taxi! Damit nämlich, hatte Enzo ihnen versprochen, würde er mit seinem Schützling wieder heimfahren.

      Und noch einmal hatte sie die Rechnung ohne ihre Cousine gemacht. Das wurde langsam zur Gewohnheit. Vero nämlich versprach Enzo gerade, ihn zu seinem Neffen zu begleiten, um ihn persönlich zu begrüßen und um herauszufinden, ob man vielleicht einen Laborbefund des Patienten hatte. Ob sie es heute wohl zur Wiesn schaffen würden?

      ***

      Vor Lorenzos Zimmertür erwartete sie dann noch eine weitere Überraschung. Von der anderen Seite des Gangs kam ihnen Dr. Russo entgegen. Enzo stürzte gleich auf ihn zu, nahm sein Gesicht in beide Hände und überschüttete ihn mit einem Wortschwall. Ein Messias konnte nicht überschwänglicher begrüßt werden. Als Dr. Russo endlich dazu kam, zu antworten, ließ Enzo dankenswerterweise von ihm ab, stoppte seinen Redefluss aber nicht. Den Arzt schien das nicht zu stören, er hörte einfach nicht mehr hin, sondern begrüßte Vero und Jule mit Handschlag sowie einem müden Blick.

      „Mein Gott, sind Sie schon wieder hier?!“, rutschte es Vero heraus.

      „Nicht schon wieder, sondern immer noch …“, grinste Dr. Russo mühsam.

      „Ach, Sie Ärmster!“

      Er lächelte und winkte ab. „Danke, danke. So schlimm war es aber nicht, ich habe ja nicht durchgearbeitet. Ich hatte noch einen Notfall bis dreiviertel vier, danach habe ich mich hingelegt und die Kollegen haben mich netterweise bis sechs schlafen lassen. Jetzt wollte ich nach Lorenzo schauen und fahre dann heim. Wenn Sie nicht drauf bestehen, kann ich die beiden auch heimfahren. Passt das?“

      „Oh, ja! Passt sehr gut. Wir wollen noch Dirndlkleider probieren und müssen ein paar Dinge erledigen. Das

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