Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht
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Die Krankenschwester sah bereits wenig erfreut zu ihnen hinüber.
„Pronto.“
Vom Gespräch verstanden Vero und Jule kaum ein Wort. Hin und wieder fielen Namen, dann das Wort Ospedale, ansonsten redete Enzo ebenso gestenreich als ob er diesem Stefano gegenüberstehen würde. Dann beendete er das Gespräch und ließ das Handy sinken. „Die habe gewartet auf Lorenzo, jetzt sie gehe ins Bierzelt ohne ihn.“ Das war ganz sinnvoll, denn so bald würde Lorenzo wohl nicht dazu stoßen können. „Sagte, eh, Stefano, keine Netz für telefonino auf die Wiesn. Iste gegange in pizzeria jetzt. Kann telefoniere da.“
„Da fällt mir ein: Enzo, ist der Lorenzo eigentlich verheiratet?“
„Wie kommst du denn jetzt darauf? – Und wieso willst du das wissen …?“ Jule hob die Augenbrauen und sah ihre Cousine streng an.
„Herrgott, Jule! Ich meine, ob wir irgendwen anrufen müssen! Um seine Familie zu benachrichtigen, dass er im Krankenhaus ist.“
„No, nicht verheiratet iste. Alle dachte, dann nichte, große Streit. Ah, povero! Iste gekomme wieder nach Bolzano zu mámma, zu nonna, nach Unfall mit Bruder und jetzte immer so viele Arbeite mit neue Job, dann daheim alleine.“ Er seufzte tief. „Aber Schwester hat trattoria bei Bahnhof, kann er essen da.“ Enzo nickte still. „Iste gut, das.“
Trattoria am Bahnhof klang zwar nicht sehr nahrhaft, aber tröstlich. In jeder Hinsicht, fand Jule.
„Oddio! Meine Bruder, meine Schwägerin! Oh, sie werde sein erschrocke, werde verfluche Enzo. Ah!“ Er war ein einziger Seufzer und versank augenblicklich in stiller Melancholie.
„Haben sie in dieser Familie so ein schlechtes Verhältnis zueinander?“, flüsterte Jule.
„Also eigentlich nicht – soviel ich weiß. Aber ich weiß, dass Enzo ein bisschen zur Dramatik neigt …“
Enzo blickte treuherzig zu ihnen hinüber. „Rufe an, später. Von daheim … “
Vero grinste. „Enzo, du willst dich drücken.“
„Nein! Habe Nummer nichte auswendig.“ Er deutete auf das Kartentelefon am Ende des Gangs. Er lächelte ein wenig stolz auf seinen Einfall, mit dem er sich drücken konnte.
„Enzo, du hast ein Handy in der Hand. Und das gehört Lorenzo. Da ist die Nummer von seinen Eltern gespeichert. Hundertprozentig.“
„Oddio! No! Wenn ich rufe an mit, eh, telefonino von Lorenzo – und iste nicht er, nur bin ich – was soll ich sage? Sie denke, iste schrecklich wieder!“
„Ja, ja“, meinte Veronika. „Meine Mutter würde auch einen Nervenzusammenbruch kriegen, wenn irgendwer mit meinem Handy aus dem Krankenhaus anrufen würde …“
„Hat er vielleicht eine Freundin? Dann können wir die anrufen.“
„Sara.“
„Sollen wir die anrufen? Ich schau mal nach der Nummer.“ Veronika griff sich das Handy. „Geburtstag?“
Enzo sah sie verwirrt an.
„Enzo, wir müssen das Handy entsperren. Die meisten Leute nehmen ihren Geburtstag als Pin. Also, Enzo: Wann hat Lorenzo Geburtstag?“
„Siebte Dezember.“
Stimmt, das hätte Jule auch noch gewusst. Seltsam, an was man sich erinnerte nach so vielen Jahren.
„Hmmm, nullsiebenzwölf oder zwölfnullsieben?“, murmelte Veronika und tippte. Und strahlte.
Jule sah ihr über die Schulter. „Oh, in den Kontakten sind drei Saras!“ rief sie. „Enzo, weißt du, wie die mit Nachnamen heißt?“
Er schüttelte bedauernd den Kopf, war sich offenbar immer noch nicht sicher, ob das so richtig war, was sie da machten.
„Wir gucken uns diese Saras jetzt mal an, dann kannst du uns sagen, wer es ist.“
Sara Vascotto war der klassische Italo-Vamp mit langen schwarzen Haaren, wissendem Blick und Ferrariroten Lippen. Ein echter Hingucker. So aus männlicher Perspektive … Absolut möglich, dass das die Freundin war.
Aber erstmal weiter. Sara Taschler hatte als Profilbild einen Buddha-Kopf mit qualmenden Räucherstäbchen. Nun ja. Aber andererseits: Keine Ahnung worauf Lorenzo so stand.
Die dritte Sara hatte keinen Nachnamen. Und sie war sehr, sehr süß. Sah zwar nicht viel älter aus als zwanzig, aber sie hielt einen Kussmund in die Kamera und sah ziemlich glücklich aus. Also sehr wahrscheinlich Lorenzos Freundin.
„Enzo, ist das die hier?“
„No!“ Er saß plötzlich wieder ganz gerade. „Non e la ragazza! No!“
Ach Gott, warum war er jetzt so aufgeregt?
„Nein, Giulia! Iste kleine Tochter von meine Bruder Piero!“
Jule überlegte kurz. „Also Lorenzos Cousine. Deswegen kein Nachname.“
„Certo!“
Na gut, die schied schon mal aus. „Welche von den anderen beiden?“
Achselzucken. „Habe nie gesehe …“
Jule rollte mit den Augen und Vero schlug vor: „Vielleicht rufst du dann mal besser doch mal Lorenzos Eltern an und die kann dann ja der Freundin Bescheid geben.“
„Weißt du was, Enzo“, beschloss Vero. „Nimm einfach mein Handy. Und die Nummer holen wir aus Lorenzos Telefonbuch.“ Sie schaltete es an und reichte es ihm hinüber.
„Dürfe das?“
„Enzo, das ist ein Notfall! Sieh nach unter M wie Mámma.“
Enzo tippte. „Fantástico! Da iste Nummer …“
„Wählen!“
Enzo erzählte einem gewissen Sergio, vermutlich seinem Bruder, wortreich, was passiert war, zuckte immer wieder mit den Achseln.
Vero ging vor lauter Langeweile und Bewegungsdrang ein paar Mal hin und her, blieb dann aber plötzlich wie angewurzelt stehen und blickte auf. Es öffnete sich wie von Zauberhand die Tür zu den Untersuchungsräumen. Heraus trat ein Arzt. Nicht etwa ganz in weiß, sondern in OP-blau. Er hielt in der linken Hand die OP-Mütze, die rechte hatte er lässig in die Hosentasche gesteckt, der Dreitagebart nur unwesentlich kürzer als die Haare. Plötzlich grinste der Arzt amüsiert und schlenderte auf Enzo zu. Ein Lichtblick: Dieses Krankenhaus beschäftigte nicht nur schlechtgelaunte Menschen!
Enzo steckte das Handy in die Tasche und fiel dem Arzt um den Hals, wurde aber sehr bald ein wenig auf Abstand gehalten, prüfend angesehen und dann zugetextet. Natürlich Italienisch. War ja auch nicht anders zu erwarten gewesen, dachte Jule. Hatte sie bis vorhin noch daran gezweifelt, ob sie vor lauter Lederhosen hier an