Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Italiener-Wochenende - Kathi Albrecht страница 4
Und er erkannte sie offenbar auch. Aber er war irgendwie nicht imstande, verständlich oder auch nur Deutsch zu sprechen. Er sah sie an und schien zu schimpfen, wollte irgendetwas von ihr wegzerren, aber Vero drückte ihn wieder in seinen Stuhl, woraufhin er Enzo mit einem Schwall italienischer Tiraden überschüttete. Das war gespenstisch, Lorenzo schien geistig ganz woanders zu sein. Jedenfalls benahm er sich nicht so, als ob er an einem sonnigen Herbstnachmittag bei seinem Onkel im Garten säße und eine alte Bekannte, eine … nun ja, eine Art Ex-Freundin wiederträfe. Sondern ziemlich genau so, wie Jule es mal vor Jahren in einem Club erlebt hatte, als ein paar Leute zu viele Pillen eingeworfen hatten.
Als der Notarztwagen eintraf, hatte Lorenzo wieder Schaum vor dem Mund und veranstaltete erneut ein wildes Getöse.
„War, eh, normale vorher, il ragazzo“, beeilte sich Enzo immer wieder den Sanitätern zu versichern und berichtete, sein Neffe sei beruflich in der Stadt gewesen, habe dann hier etwas gegessen, als er dann in den Garten kam, war er nicht mehr zu bändigen gewesen, habe geschrien und sei durch den Garten gerannt. Die Sanitäter aber waren mehr an Veros Schilderungen interessiert. Interessant, dass es gleich nach einer ernstzunehmenden medizinischen Diagnose klang, wenn man nicht von wildem Rumrennen und irrem Geschrei redete, sondern sich ausdrückte wie sie: Erweiterte Pupillen, Desorientiertheit, Hautreaktionen, optische Halluzinationen und unklare Ursache.
Man verfrachtete Lorenzo in den Krankenwagen und fuhr ihn mit Blaulicht und Martinshorn ins Krankenhaus. Enzo wurde nicht mitgenommen, die Sanitäter hatten ihm aufgetragen, sich etwas überzuziehen und dann mit Lorenzos Ausweispapieren ins Krankenhaus nachzukommen.
Enzo war erstmal vollkommen fertig und sackte förmlich in sich zusammen. Vero stürmte ins Haus, suchte und fand als erste Hilfe eine Flasche Obstler von ihrem Vater. Damit kam sie wieder in den Garten und schütte Enzo ein kleines Glas voll. Nur Bruchteile von Sekunden späterer hielt ihr das leere Glas hin. Vero war recht großzügig und tatsächlich erholte sich der Nachbar sichtlich. So gut, dass er nach einem dritten Pinnchen Jules Auto ausborgen und zu Lorenzo ins Krankenhaus fahren wollte. Dafür erntete er ein müdes Lächeln von Vero, die ihn erst einmal ins Haus schickte, damit er endlich den Ausweis seines Neffen holte.
Für Vero war es vollkommen klar, dass sie Enzo zu seinem Neffen fahren würden. Jule war das nicht ganz so klar gewesen, sie hätte ihm eine Fahrt im Taxi durchaus alleine zugetraut. Und eigentlich hatten sie ja auch etwas vor, wobei die Planungen für den heutigen Abend eigentlich nicht einschlossen, einen alten Italiener ins Krankenhaus zu begleiten, damit dieser seinen Neffen besuchen konnte.
Was mochte Lorenzo angestellt haben? Wahrscheinlich hatte er sich nur äußerlich verändert und war derselbe Kindskopf geblieben wie mit achtzehn. Da hatte er auch allen möglichen Blödsinn gemacht. Womöglich hatte er irgendetwas gegessen, was diesen allergischen Schock ausgelöst hatte, wie Vero vermutete.
Ihre Cousine damit alleine zu lassen, war aber auch keine Option. Es würde ja wohl nicht ewig dauern, Enzo mal eben zum Krankenhaus zu fahren. Und wenn sie schon einmal unterwegs waren, würden sie wahrscheinlich auch irgendwo eine Pizza auftreiben können, für den Biergarten war es dann nämlich zu kalt.
3
Während der Autofahrt haderte Enzo aber noch einmal mit seinem Schicksal: Nachbarn nicht da, Auto nicht da, überall Blumen gießen bei diesem heißen Wetter und dann noch der Neffe mit Blaulicht im Krankenwagen. Unmittelbar vor der Abfahrt hatte er noch einen vierten Obstler gekippt, Aber immerhin war es Jule gelungen, ihn davon zu überzeugen, sich ein Hemd überzuziehen, sodass sie doch noch mit einiger Würde im Krankenhaus ankamen.
„Wo lotst du mich hin, Vero? Das Krankenhaus ist da!“ Jule zeigte auf die andere Straßenseite.
„Ja. Aber da ist der Parkplatz!“
„Ach, und ich dachte wir fahren vor und sind gleich wieder weg. Wir hatten doch noch was vor…“ Jule hatte gehofft, Enzo einfach vor dem Krankenhausportal aussetzen zu können.
„Nein Enzo, keine Sorge, wir begleiten dich hinein. Ich will ja auch wissen, ob ich mit meiner Diagnose richtig gelegen habe.“ Auf Jules Einwand ging Vero überhaupt nicht ein. Vielen Dank auch.
Enzo packte Vero, küsste sie schmatzend auf die Stirn und schob ab.
„Das wäre jetzt nun nicht nötig gewesen …“ Vero wischte sich über die Stirn und zog die Mundwinkel nach unten. „Bäh, der Kerl hat eine Fahne!“ Sie grinste Jule an. „So und jetzt will ich wissen, was Lorenzo gefressen hat!“ Und stürmte los.
Jule ergab sich in ihr Schicksal und trabte hinterher. Ob Lorenzo sie wirklich erkannt hatte? Ob er sich noch erinnerte? Unwahrscheinlich. Hoffentlich.
Enzo war bereits am Tresen der Notaufnahme angekommen und redete auf eine Krankenschwester ein. Die runzelte die Stirn und fragte: „Sind Sie der Vater? Können Sie sich ausweisen?“
„Nein, Onkel.“ Enzo kramte umständlich seinen Ausweis aus der Tasche und verkündete laut und voller Stolz. „Sogar Patenonkel.“ Die Information war offenbar nur mäßig wichtig. Nach einem Blick auf Enzos Namen ratterte die Krankenschwester auf Italienisch los.
Man schien sich tatsächlich auf das Italiener-Wochenende eingerichtet zu haben. Jule riss erstaunt die Augen auf, zuckte resigniert mit den Schultern und suchte sich seufzend einen Sitzplatz im wunderbar ungemütlichen Wartebereich der Notaufnahme, durch den gerade eine Reinigungskraft mit einer Mischung aus Golfauto und Kehrmaschine tuckerte und eine nasse Spur sowie einen Geruchsschweif aus Desinfektionsmittel hinter sich her zog. Ein leichter Grundton aus abgestandenem Alkohol und Schweiß ließ sich damit aber nicht vertreiben, sondern behauptete sich hartnäckig, kaum dass die Maschine zehn Meter entfernt war.
Vero aber wollte die Krankenschwester aber nicht einfach so davonkommen lassen. Hinsetzen und Abwarten war nicht ihr Stil. Sie stellte ein paar Fragen, die in Jules Ohren wirklich kompetent klangen, von Anaphylaxie war die Rede, von halluzinatorischem Irgendwas, dann von Dosierungen und Diagnosen. Doch die Krankenschwester bellte nur. „Habe ich Ihrem Vater schon gesagt!“
„Das ist nicht mein Vater und ich spreche, Entschuldigung, kein Italienisch. Können Sie das bitte für mich noch einmal wiederholen?“
„Wer sind Sie überhaupt, wenn Sie nicht dazugehören?“
„Ich bin die Nachbarin, ich habe die Sanitäter gerufen und über den Schock in Kenntnis gesetzt. Und dann habe ich den Onkel des Patienten mit den Ausweisen hierhergebracht.“ Vero holte mit gehobener Augenbraue tief Luft. „Und jetzt sagen Sie mir bitte, was los ist.“
Ihre Ruhe war nur äußerlich, soviel war Jule klar.
„Warten Sie. Arzt kommt.“
„Wann etwa???“
„Warten!“
Vero schloss die Augen, dreht auf dem Absatz um und setzte sich zu Jule. Ja, es gab sicherlich schönere Arbeitsplätze als die Notaufnahme zur Oktoberfestzeit, aber in Sachen Dienstleistung und Kundenfreundlichkeit konnte dieses Krankenhaus wohl noch eine Menge dazulernen.
Enzo zuckte erschrocken zusammen, als das Handy, das Jule vom Gartentisch genommen und ihm die Hand gedrückt hatte, aufleuchtete, vibrierte und klingelte. Noch ein Klingeln. Enzo hielt es von sich weg. „Iste nichte meine telefonino! Gehörte Lorenzo.“ Und wieder klingelte es.
„Wer