Italiener-Wochenende. Kathi Albrecht

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Italiener-Wochenende - Kathi Albrecht

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Tür und ließ sie eintreten.

      „Ja super!“ rief Vero. „Aber sagen Sie, gibt es inzwischen einen Laborbefund?“

      Dr. Russo-Plüschauge drehte sich in der Tür um. „Also, wir wissen ziemlich genau, welche Substanzen er im Körper hatte, aber nicht, wie er das genau zu sich genommen hat. Es gibt da mehrere Möglichkeiten.“ Entweder war er schwer gestresst und nicht besonders ausgeschlafen oder er hatte keine Lust, detaillierte Auskunft zu geben. Dachte er etwa, sie wüssten mehr?

      Vero zuckte nicht ganz überzeugt mit den Schultern und fragte: „Ist das wirklich okay, wenn Sie ihn mitnehmen?“

      „Passt schon, ich lade mich bei meiner Mutter zum Essen ein, die wohnt nicht weit von dort.“ Es folgten ein paar Sätze Italienisch, die offenbar für Enzo bestimmt waren. Ein kurzes Nicken zu Vero und Jule, dann macht er auf dem Absatz kehrt und verschwand grußlos.

      Jule schauten ihre Cousine an, aber auch Vero zuckte ratlos mit den Schultern.

      „Wenn ich mal übersetzen darf“, schaltete sich eine Stimme vom Krankenbett ein. „Der dottore holt jetzt sein Zeugl, derweil ich mi’ hier z’ammpack. Und dann treffen wir uns unten am Eingang.“

      Jule fuhr herum. Lorenzo. Oha, der war ja wach und wieder bei Sinnen! Ein bisschen müde sah auch er allerdings aus. Und unrasiert und ungekämmt. Er lächelte etwas angestrengt. „Ciao Giulia! So sieht man sich wieder. – Ich hatt’ mir das a bisserl würdevoller vorgestellt …“

      Komplett vergessen hatte er sie also nicht. Auch nicht, dass er die italienische Form ihres Namens von seinem Onkel übernommen hatte, obwohl sie ihre Mails immer mit „Jule“ unterschrieben hatte.

      „Danke, dass ihr den Krankenwagen gerufen habt.“

      „Ja. Hallo, Lorenzo, schön dich zu sehen.“ Vero fiel ihm lachend um den Hals. „Mensch, das ist ja ewig her!“

      Lorenzo küsste sie vorsichtig auf beide Wangen. „Verrronica! Ciao, come stai?“

      Statt zu antworten baute sie sich vor ihm auf und sah ihn prüfend an. „Sag mal: Was hast du gegessen?“, fragte sie streng.

      „Ist das ein Verhör?“

      „So ungefähr. Ich will wissen, was du gegessen hast.“

      Er verzog enttäuscht das Gesicht. „Ich hatte gehofft, ihr würdet euch Sorgen um mich machen … Und die Frage habe ich heute schon mal gehört, ihr seid ja nicht meine ersten Besucher. Die Polizei war auch schon bei mir. Die Sanitäter haben denen scheint’s erzählt, da hätt’ sich jemand zugedröhnt, so wie ein anderer irgendwann zuvor. Keine Ahnung. Ich weiß auch nicht, was die Polizei will oder sucht - oder wen … Jedenfalls haben’s mir ned g’laubt, dass i ned woaß woher des Zeugl isch.“

      Von unkontrollierten Dialektausbrüchen hatte der Arzt nichts erzählt. Lorenzo war in Bozen zu Hause, er hatte einen italienischen Vaer und eine südtiroler Mutter. Nach einer kurzen Pause war er wieder in der Lage einigermaßen verständlich zu sprechen. „Ich weiß es wirklich nicht. Ich habe keine Erinnerungslücken, ich weiß ganz genau, was ich gestern gemacht und gegessen und gesagt habe – und wann. Auch von dem Trip weiß ich alles. War eine spezielle Erfahrung …“

      „Warte. Nochmal Lorenzo: Was hast du gegessen und getrunken?“

      „Also, ich habe Pasta gegessen, Spaghetti alio e olio und danach Tee getrunken. Kräutertee, ja? Koa Jagatee! Ich hab keine bunten Pillen geschluckt, und nichts von Leuten genommen, die ich nicht kenne.“ Er grinste. „Ich war ganz brav. Habe ich alles aber schon Luca erzählt.“

      „Luca?“

      „Dottor Luca Russo. Der junge Mann, der grad noch im blauen G‘wand hier herumgelaufen ist.“

      „Ah, okay. Und wo hast du gegessen? Weißt du, wie das da hieß, wo das war?“

      „Am Morgen war ich auf einem Termin, da habe ich caffé getrunken und gegessen … ein cornetto – also ein Croissant. Luca sagt aber, das ist egal, das wäre zu lange her. Die pasta am Nachmittag hab ich daheim gegessen! Also bei zio Enzo.“

      „Und was war das für ein Tee?“

      „Woaß ned. So a Teemischung halt. Roch gut, da habe ich’s aufgebrüht.“

      „Beutel oder lose?“

      „Was?“

      Vero wurde ungeduldig „Lorenzo: War der Tee im Beutel, also industriell abgepackt, oder lose im Tütchen aus dem Teeladen?“

      Er sah sie an und überlegte. „Weder noch. Aber das waren lose Blätter, in so einem Beutel, wie die, wo die Tante Traudl früher immer die Weihnachtskekse drin verpackt hatt‘. Kein Aufkleber vom Teeladen, sonst hätt’ ich ja gewusst, was des für a Sort’n isch.“ Er dachte weiter nach. „Aber mit so a‘m dunklen Bandl dran, sah recht stylisch aus. Meinst, des isch wichtig?“

      „Also eher selbst gemischt. Oder umgefüllt. Vielleicht sind da Pestizide drin! Oder andere Giftstoffe!“

      Lorenzo nickte wieder artig und warf Jule einen Blick zu. Konnte er vielleicht mal woanders hingucken? Jule wusste schon nicht mehr, wo sie hinsehen sollte. Immer, wenn sie wieder zu ihm sah, traf sie seinen Blick, der mit aller Seelenruhe an ihr klebte.

      „Geht’s ihr zwei heut’ auf die Wiesn? Ich würd’ euch gern auf a Maß einladen, als Dankeschön. Vielleicht so um fünf?“

      „Darfst du denn überhaupt aufs Oktoberfest und Bier trinken?“, fragte Jule besorgt.

      „Oktoberfest ja, Bier nein. Der dottore sagt, wenn ich nicht sag, woher ich das Zeugl hab, sagns mir aa net, wie langs des dauert und obs da a Problem gäb mitm Bier. Und weil i des aa ned woaß …, also mal sehen. Ich trink halt nix, weil: ich muss nicht heute nochmal zum Sanitäter, mir hat das gereicht. Aber ihr dürft alle. – Nicht zu den Sanitätern, meine ich, sondern Bier trinken. Also, wie schaut’s aus?“

      Im Gegensatz zu Jule hatte Vero überhaupt kein Problem mit dem südtiroler Dialekt. Anders als sein Onkel Enzo, der einfach den italienischen Satzbau ins Deutsche übernahm und ansonsten verständlich sprach, war es bei Lorenzo die Aussprache und die Betonung, die Jule ins Schleudern brachten. Während sie immer noch versuchte, einzelne Worte zu erkennen, hatte Vero schon geantwortet und eine Uhrzeit ausgemacht.

      Im Rausgehen grinste Vero sie an: „Eer chattso eine-Artdie Wortean ainandertsu rai-hen – uuund wie-der aus ein-an-deeer“ Sie schüttete sich aus vor Lachen. „Ja, das klingt auch dann noch wie Italienisch, wenn er eigentlich Deutsch spricht.“

      ***

      Mit blendender Laune köpfte Vero dann in ihrer kleinen Schwabinger Wohnung erst einmal den Prosecco, den sie am Abend vorher dann doch nicht getrunken hatten. Die Wohnung war wie ihre Bewohnerin: knallbunt und voller Leben, nicht gerade penibel ordentlich, aber mit viel Herz. In der Diele standen und lagen mindestens fünfzehn Paar Schuhe, überall an Schränken und Regalen hatte Veronika ihre Trachtenkleider aufgehängt: Ein langes dunkles Dirndl, wirklich mehr für formelle Familienfeste geeignet als für die Wiesn, dann das knielange Blaue mit der hellen Schürze, das sie in der Woche zuvor getragen hatte, dazu ein knallrotes wadenlanges mit grüner Schürze und eins in lila, knielang und mit buntem Miederoberteil, eher sexy

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