Das Wolfskind und der König. Bettina Szrama

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Das Wolfskind und der König - Bettina Szrama

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der mit den Plänen zum Bau der Schleuse auf dem Werder betraut war, an dem Wehr anzutreffen. Er hatte Glück. Der Beamte überwachte gerade die beginnenden Erdarbeiten zu der neuen Schleusenkammer. Aristide traf den Vogt auf der Brücke in der Gesellschaft des Hamelner Sägemüllers, dessen untrügliches Erkennungszeichen ein lautes Mundwerk, lange Lederstiefel, sowie sein weiter Mantel und der große dunkle Hut waren. Die beiden Männer inspizierten die erste von vierundzwanzig imposanten Pumpen, die von zwölf Pferden über die Brücke gezogen wurde.

      „Nun, Sägemüller. Wie es aussieht, wird es wohl bald ernst. Mir ist zu Ohren gekommen, dass Ihr den Bau leiten werdet“, begrüßte ihn Burchardy.

      „Ach, Aristide. Das kann sich noch ein paar Jahre hinziehen. Der Premierminister des Königs hat die Pläne und Kosten leider immer noch nicht bewilligt. Aber es ist gut, dass Ihr kommt.“

      „Meint Ihr den Premierminister des Königs oder des Prince of Wales, unseres Möchtegernkönigs?“ Burchady grinste zweideutig.

      „Wie konnte ich sie nur vergessen, die Streitigkeiten zwischen Vater und Sohn. Da vergisst man schon mal, wer regiert“, lachte der Sägemüller zurück. „Aber wir geben die Hoffnung nicht auf, dass König Georg Ludwig und sein Sohn Georg August sich irgendwann wenigstens in dieser Angelegenheit einig werden. Schließlich wollen sie doch beide die Schleuse.“

      „Ihr kommt wegen des Vorfalls?“, fragte der etwas dickliche, unter seiner Perücke schwitzende Vogt mit einem mürrischen Seitenblick auf den hochgewachsenen Kommissar.

      „Ja, Euer Ehren, die Streitigkeiten unter dem Arbeitsvolk gehören in meinen Ermittlungsbereich.“

      „Ihr könnt dem Geheimen Rat in Hannover mitteilen, die Angelegenheit hat sich von allein erledigt. Sie liegt jetzt in den Händen der städtischen Polizei. Diesmal ging es nur um ein Weib und zwei Hitzköpfe. Keine Ränkespiele, keine Intrige!“

      Burchardy deutete eine kurze Verbeugung an und sagte: „Das zu erfahren wird der kurfürstlichen Regierung eine Freude sein.“

      Im Angesicht der neuerlichen Umstände auf keine weiteren Gespräche eingestellt, lüftete er grüßend den Hut und schickte sich an, die Brücke wieder zu verlassen, als der Sägemüller wie beiläufig in seinem Rücken fragte: „Ermittelt Ihr auch im Fall des wilden Knaben? Ich habe Euch gesehen, am Wehr bei den Mühlrädern.“

      Burchardy kam noch einmal zurück und drehte ihm interessiert das Gesicht zu. „Nein, ich war eigentlich nur ein zufälliger Beobachter. Warum fragt Ihr?“

      „Unter den Leuten in der Stadt kursieren ja allerlei Gerüchte um das wilde Kind. Habt Ihr eine Vermutung, woher es kommen könnte?“

      „Nein!“ Burchardy schüttelte den Kopf. „Aber als fürstlicher Beamter sollte ich dem vielleicht nachgehen.“

      „Da kann ich Euch gleich einen gut gemeinten Hinweis geben. Am Westufer des Sollings, in einem alleinstehenden Wirtshaus in Lüchtringen, da wo die Schiffer auf dem Weserstrom ihre Ablagen und Ruhestunden halten, hat der Wirt zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen gehabt. Sie sollen dumm, stumm und ungebärdig gewesen sein, wie der Wilde. Der Junge ist dann irgendwann in den Wald entlaufen. Einer meiner Schiffer will im Vorjahr, im Sommer, den Knaben nackt am Flussufer unterhalb von Polle gesehen und ihn mit Brot beschenkt haben.“

      „Ihr haltet den Wilden also für einen entlaufenen Irren?“ Burchardy war nicht anzusehen, was hinter seiner Stirn vorging. Er lächelte zweifelnd. „Dann handelt es sich bei dem Jungen sicher nicht um den von Müller gefundenen Knaben. Denn der Wilde verweigert Brot und scheint mir sehr intelligent beim Ausbrechen. Aber ich danke Euch für den Rat. Vielleicht ist an der Sache ja etwas dran. Allerdings“, fügte er hinzu und konnte nicht umhin, hinter vorgeschürzter Hand ein wenig vor ihm anzugeben, „vermute ich hinter dem Auftauchen des Knaben einen viel bedeutenderen Hintergrund. Einen, der eventuell in die höchsten Kreise reicht. Sollten sich meine Vermutungen bestätigen, gäbe das einen Skandal nie gekannten Ausmaßes.“

      Der Sägemüller bekam große Augen. „Was meint Ihr mit ‚höchste Kreise‘? Den königlichen Hof? Tragt Ihr da nicht ein bisschen dick auf? An was denkt Ihr? An des Königs Mätressen? Die britischen Zeitungen schreiben ja tagtäglich über die beiden Damen und das nicht gerade sehr rühmlich. Jetzt behaupten sie sogar, der König teile sein Bett mit seiner Halbschwester. Die andere, die Melusine, nennt man eine hässliche Schlampe. Ihre Kinder werden als ‚königliche Bastarde‘ betitelt. Seine Geschiedene, die Prinzessin von Ahlden, wird dagegen wie eine Heilige verehrt. Sie sei von ihrem Gatten gnadenlos in die Verbannung geschickt worden, damit er ungehemmt seine Geliebten besteigen könne. Lasst mich raten – Ihr wollt denen diesen wilden Bastard unterjubeln. Einen, den sie in aller Heimlichkeit haben verschwinden lassen. Aber wenn es nicht stimmt, könnte Euch das auch den Kopf kosten.“

      „Wie ich höre, lest Ihr die britischen Zeitungen?“ Burchardy zeigte sich nicht erstaunt und grinste spöttisch.

      „Natürlich nicht. Ich kann ja kein Englisch. Aber mittlerweile gibt es auch bei uns genügend Übersetzungen und namhafte Schriftsteller, die sich dieser Schmiertexte angenommen haben. Neulich habe ich gelesen, die Briten bezeichnen Georg als ‚deutschen Rattenkönig‘. Seit seiner Krönung zum englischen König im Jahre 1714 würde er das britische Land ausplündern. Er wäre in Gedanken nur in Hannover, führe Eroberungskriege auf unsere Kosten und seine beiden Gespielinnen wären noch schlimmer als er selbst. Sie würden sich die Landsitze einen nach dem anderen unter den Nagel reißen. Wer beim König eine Audienz will, muss erst an ihnen vorbei, und das geht nicht ohne ein gehöriges Bestechungsgeld.“

      „Ihr seid ja recht gut informiert“, sagte Burchardy jetzt mit zweifelnder Miene. „Habt Ihr denn schon mal versucht, vorgelassen zu werden?“

      „Ihr beliebt wohl zu scherzen. Leute wie uns beachtet dieser eingebildete Hof erst gar nicht. Aber zum Bezahlen ihres höfischen Protzes sind wir gut genug. Ich würde es begrüßen, wenn der Wilde diesen eitlen, verschrobenen Adel mal richtig aufmischen würde.“

      Vor den kritischen Augen des Vogtes, der das Gespräch schon geraume Zeit heimlich mitverfolgte, begann Aristide die Schwatzhaftigkeit des Sägemüllers zusehends peinlich zu werden. In Gedanken suchte er nach einem Grund, sich aus der Affäre zu ziehen. Letztendlich sparte er sich eine angemessene Antwort und versuchte den Reden des Sägemüllers zu entkommen. Doch dieser war jetzt in seinem Element und ließ ihn nicht so schnell des Weges ziehen.

      „Die Zeitungen schreiben ja auch, dass dieser intrigante König den Geliebten seiner Gattin hinterrücks ermorden lassen haben soll. Ein Brief, der angeblich spurlos verschwunden ist, soll das belegen können. Kein Wunder, dass sich Vater und Sohn seit Jahren an die Gurgel gehen. Der königliche Schurke soll ihn und sein hübsches Weib sogar aus dem Palast geworfen haben. Sein eigene Bagage, einfach so auf die Straße gesetzt. Was sagt Ihr dazu? Da fehlen einem doch glatt die Worte.“

      Aristide wurde immer unruhiger, zudem sich nun der Vogt, neugierig geworden, dazugesellte und zu den letzten Worten sagte: „Wer weiß denn, warum er seinen Sohn aus dem Haus gejagt hat? Der Prince of Wales soll ja auch kein Unschuldsknabe sein. Ich habe gehört, dass er ein grober, jähzorniger und verletzender Choleriker ist, der es seinem Vater nicht immer leicht gemacht hat. Er nutzt seinen Platz und seine Verbindungen zu den Whigs, um gegen seinen Vater zu intrigieren. Er soll einmal gesagt haben, dass er nur auf den Tod des Vaters warte, um an seiner Stelle den Thron zu besteigen. Macht so etwas etwa ein guter Sohn? Der König ist nur von Schmeichlern, Blendern und Speichelleckern umgeben. Habt Ihr, während Ihr den Monarchen durch den Schmutz zieht, auch nur einmal daran gedacht, wie schwer es ein Deutscher auf dem britischen Thron hat, welche Verantwortung auf seinen Schultern lastet? Na und so verschwenderisch wie die Franzosen ist er ja nun wahrlich nicht.“

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