Gift. Sandra Schaffer
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Gift - Sandra Schaffer страница 5
* * *
Wieder zu Hause, musste Abby sich mit den Trauergästen auseinandersetzen. Die Höflichkeit gebot es, dass sie jeden begrüßte und ein paar Worte wechselte. Dabei wollte Abby allein sein. Sie wollte all die Menschen hinauswerfen, sich in Martins Lieblingssessel verkriechen und um ihn trauern. Sie wollte sich die Seele aus dem Leib heulen. Doch so lange ihr Haus voller Menschen war, von denen sie nicht einmal die Hälfte kannte, sollte Abby die Erfüllung dieses Wunsches verwehrt bleiben.
Also ging sie in die Küche. Donna rotierte. Sie kochte gleichzeitig Kaffee, belegte Brote und verstaute all die Aufläufe, welche die Leute mitgebracht hatten, weil sie glaubten, ein Auflauf würde helfen, den Verlust besser zu verarbeiten, im Kühlschrank.
Donna weinte nicht mehr. Auch ihr blieb keine Zeit, in Ruhe zu trauern. Die Gäste wollten versorgt werden und Donna tat ihr Bestes, um es allen recht zu machen.
„Kann ich Ihnen helfen, Donna?“ Abby brauchte Ablenkung, wollte von niemandem mehr eine Anekdote aus Martins Leben hören und auch die vielen Mitleidsbekundungen überstiegen bei Weitem das, was sie im Stande war auszuhalten.
„Aber nicht doch, Abby, das ist mein Job!“
„Na und? Sie können Hilfe gebrauchen und ich jemanden, mit dem ich reden kann, ohne wie ein kleines Kind beäugt zu werden, weil man befürchtet, dass es allein nicht klarkommen wird, zu labil ist oder dergleichen. Ich habe das Gefühl, all diese Leute da draußen warten nur darauf, dass ich zusammenbreche oder verrückt werde.“
Donna nickte verstehend. Natürlich war auch ihr aufgefallen, wie Martins Freunde und Bekannte Abby ansahen.
„Kann ich sie nicht einfach hinauswerfen?“
„Es ist Ihr Haus, Abby!“
„Richtig.“ Doch anstatt die Küche zu verlassen, und die Trauergäste zu bitten, nach Hause zu gehen, fing Abby an, den Geschirrspüler einzuräumen.
Und nachdem endlich alle weg waren und Abby Donna beim Aufräumen geholfen hatte, konnte sie erschöpft zu Bett gehen. Aber sie konnte nicht schlafen. Sobald sie die Augen schloss, sah sie Martin im Obduktionssaal auf einer Bahre liegen, sein schlanker Körper bedeckt von einem Tuch. Im ersten Moment hätte man denken können, er schliefe nur, wäre da nicht die Tatsache gewesen, dass sein Gesicht grau und eingefallen war.
Abby riss die Augen auf und schaltete die Nachttischlampe ein. Ihr Herz raste! Sie atmete schwer, als sei sie gerade einen Marathon gelaufen. Sie zog die Knie an die Brust und umschlang sie mit ihren Armen und wartete darauf, dass ihr Puls sich wieder normalisierte.
Wieder kamen ihr die Tränen!
7
Das kleine Mädchen freute sich riesig. Es war ihr achter Geburtstag und ihre Mama und ihr Papa hatten eine Überraschungsparty geplant. Es sollte eine große Feier werden, weshalb sie nicht im Garten der kleinen Familie stattfand, sondern im Stadtpark. Die Eltern des kleinen Mädchens hatten eine Hüpfburg organisiert. Es gab Ponyreiten und einen Zauberer. All die Freundinnen des kleinen Mädchens waren da. Das kleine Mädchen erlebte die schönste Geburtstagsparty ihres noch jungen Lebens. Sie tobte ausgelassen durch den Park, powerte sich in der Hüpfburg aus und bewunderte den Zauberer.
„Mama, bekomme ich auch einen Zauberkasten?“, hatte sie gefragt.
Ihre Mutter hatte ihr langes blondes Haar gestreichelt und „mal sehen“ geantwortet.
Das kleine Mädchen ging immer wieder zu den Ponys, streichelte diese und fütterte sie mit Äpfeln.
Als sich der Nachmittag dem Ende neigte, half sie sogar ihren Eltern beim Zusammenräumen, worauf ihre Mutter sehr stolz war.
Dann, auf dem Weg nach Hause, geschah das Unerwartete. Ein ihnen entgegenkommendes Fahrzeug fuhr auf ihrer Spur, noch dazu viel zu schnell. Die Mutter des Mädchens schrie. Ihr Vater riss das Steuer herum und der Wagen brach aus. Der Wagen krachte gegen einen Baum. Ihre Mutter schrie nicht mehr, sie gab überhaupt kein Geräusch mehr von sich, genauso wenig wie ihr Vater. Und dann sah das kleine Mädchen das Gesicht ihres Onkels vor sich auftauchen.
„Jetzt gehörst du mir“, sagte dieser grinsend.
Natascha fuhr aus dem Schlaf hoch. Sie atmete heftig. Ihre Kleidung war durchweicht von Angstschweiß. Doch er war nicht da. Ihr Onkel war nicht da und sie war nicht mehr das kleine achtjährige Mädchen, das ihm schutzlos ausgeliefert war. Auch war er nicht mehr da, um ihr wehzutun. Dafür hatte sie selbst gesorgt, denn sie hatte sich vor zehn Jahren von ihm und seiner Familie befreit und war nach Amerika gekommen. Hier ging es Natascha gut, niemand, der sie körperlich und seelisch missbrauchte, nur Craig, der ihr das Leben gerettet hatte.
Wo war Craig?
Im Bett neben ihr lag er nicht. Im Badezimmer rechts des Bettes brannte auch kein Licht, dafür war die Sonne schon aufgegangen und ließ den orangefarbenen Vorhang leuchten wie eine Flamme. Die Tür war nur angelehnt und aus dem unteren Stockwerk drangen die Geräusche des Tages zu ihr herauf: Klimpern von Geschirr in der Küche, der Staubsauger, der über den weichen Teppichboden im Wohnzimmer fuhr, und ein Fernseher lief. Natascha konnte den Nachrichtensprecher hören, aber nicht verstehen, was er sagte.
Sie stand auf und war froh, dass Craig nicht mehr neben ihr gelegen hatte, als sie aus dem Albtraum aufgeschreckt war. Er hielt sie sowieso schon für sehr labil und hatte nach zehn Jahren immer noch Angst, dass sie sich etwas antun könnte. Wenn Craig nur ahnen würde, wie wenig sie auf ihn angewiesen war! Sie hatte oft genug heimlich das Haus verlassen und Dinge getan, für die er sie für viel zu schwach hielt. Seine Welt würde zusammenbrechen, wüsste er, zu was sie alles fähig war! Doch es war besser für alle Beteiligten, wenn er nicht von ihren Streifzügen während seiner Abwesenheit erfuhr. Schließlich konnte sie nicht einschätzen, wie er darauf reagieren würde.
Aber obwohl Natascha gelernt hat, mit dem, was ihr Onkel und ihre Cousins ihr angetan hatten, zu leben, suchten sie noch immer fast jede Nacht die Albträume heim, so als wollten sie sie daran erinnern, dass das Geschehene zwar vergangen war, aber nicht vergessen werden durfte.
Natascha ging unter die Dusche, zog sich an und trat in die Küche. Craig saß am Küchentisch, die Augen auf den Fernseher gerichtet, eine Kaffeetasse in der Hand.
„Guten Morgen, Liebes“, sagte er.
Natascha machte sich einen grünen Tee und setzte sich zu ihm. Der Nachrichtensprecher berichtet eben von einem Mord in einer Bar am anderen Ende der Stadt. Ein junger Mann war vergiftet worden, der Täter noch immer flüchtig.
„Die Polizei hat es zwar nicht bestätigt, aber aus verlässlicher Quelle haben wir erfahren, dass es sich bei der Mordwaffe um das Gift des Oleanders handeln soll“, sagte der Nachrichtensprecher.
Natascha erschrak und hätte fast ihre Tasse fallen lassen.
8
Als Abby am nächsten Morgen erwachte, hatte sie einen Entschluss gefasst. Dieser merkwürdige Traum letzte Nacht hatte ihr gezeigt, wie sie sich tief in ihrem Innern fühlte und was sie tun konnte, damit es ihr irgendwann wieder besser ging. In diesem Traum waren Buchstaben umhergeschwirrt und hatten