Das Monster Krimi Paket Februar 2019 - 1300 Seiten Spannung. Alfred Bekker
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Читать онлайн книгу Das Monster Krimi Paket Februar 2019 - 1300 Seiten Spannung - Alfred Bekker страница 62
„Guten Morgen“, sagte Katharina. „Ich bin auf der Suche nach Herbert Paschke.“
Der Wirt musterte sie kurz und schüttelte dann den Kopf. „Ist nicht da.“
„Ich dachte, er wäre hier Stammgast.“
„Ja.“
„Wann kommt er für gewöhnlich?“
„So um zehn.“
Katharina blickte auf ihre Armbanduhr. „Es ist bereits halb elf.“
„Ja.“
„Und warum ist er dann noch nicht hier?“
„Er kommt nicht mehr.“
Katharina verlor allmählich die Geduld. „Warum nicht?“
„Er hat eine neue Leidenschaft: Alkohol“, sagte der Wirt. „Schnaps, Whisky, Cognac – er trinkt alles. Manchmal schüttet er sich dermaßen zu, das er kaum noch den Weg nach Hause findet. Das hindert ihn auch daran, pünktlich zu sein.“ Er musterte Katharina mit gerunzelter Stirn. „Vielleicht sollten Sie später wiederkommen.“
„Ja, vielleicht.“
Sie verließ die Kneipe, stieg wieder in ihren Wagen und startete den Motor. Sie hatten schon seit einigen Wochen keinen Kontakt mehr zu Herbert gehabt, trotzdem fand sie es merkwürdig, dass er von Drogen auf Alkohol umgestiegen war. Was mochte ihn dazu veranlasst haben?
Sie stoppte an einer Telefonzelle, steckte eine Münze in den Schlitz und wählte eine Nummer. Es läutete, doch niemand nahm ab. Nach dem zwanzigsten Klingeln hängte sie ein und starrte gedankenverloren auf den Apparat. Sie fand es merkwürdig, dass er sich nicht meldete. Wenn er nicht in der Kneipe saß, hielt er sich meistens zuhause auf. Vielleicht war ihm etwas zugestoßen. Dann erinnerte sie sich daran, dass er davon gesprochen hatte, Berlin zu verlassen, weil ihm das Klima hier zu ungesund erschien. Aber dann hätte er vermutlich das Telefon abgemeldet.
Katharina verließ die Telefonzelle, stieg in ihren Wagen, startete den Motor und fädelte sich in den fließenden Verkehr ein. Zehn Minuten später erreichte sie die Kurfürstenstraße im Stadtteil Schöneberg. Die Gegend gehörte nicht gerade zu den besten in Berlin. Obwohl es noch recht früh am Tag war, gingen die Prostituierten bereits ihrer Tätigkeit nach. Zigaretten rauchend und in greller Kleidung standen sie neben den Hoteleingängen und warteten auf Kundschaft.
An den Tischen der Cafés saßen die Zuhälter in teuren Maßanzügen, die so viel gekostet hatten, wie eine sechsköpfige Familie brauchte, um ein Jahr zu leben. Aber Verderbtheit und Verbrechen hatten sich allzeit besser bezahlt gemacht, als harte Arbeit. Und es gab keine Art von Laster und Begierde, die man mit Geld in Berlin nicht hätte befriedigen können. Hier war selbst die oft besungene Berliner Luft erfüllt vom Gestank moralischer Verkommenheit.
Während Katharina unter den gleichgültigen, abschätzigen oder verächtlichen Blicken der Frauen die Straße entlangging, kamen ihr unwillkürlich die Worte des ehemaligen Bürgermeisters von Berlin und Bundespräsidenten Richard von Weizäcker in den Sinn: „Zu den Zierden Deutschlands gehören seine Städte. Unter ihnen ist Berlin weder die Älteste noch die Schönste. Unerreicht aber ist ihre Lebendigkeit.“
Katharina bog in eine Seitenstraße ein, die in die Kurfürstenstraße mündete. Nach einigem Suchen fand sie die richtige Hausnummer. Das Gebäude sah heruntergekommen aus. Verputz und Farbe waren abgebröckelt, und ließen das nackte Mauerwerk sehen. Große Teile der Stuckverzierung rund um die Eingangstür waren heruntergebrochen. Das Haus bot einen idealen Unterschlupf für Ratten und Ungeziefer. Katharina stieg die schmutzige Steintreppe hinauf bis in das dritte Stockwerk. Dort läutete sie an einer Tür. Nichts rührte sich. Sie läutete noch einmal. Wieder nichts. Sie drückte gegen die Tür. Sie schwang nach innen auf. Von einem kurzen Korridor zweigten mehrere Türen ab. Hinter einer ertönte das Gemurmel von Stimmen. Katharina öffnete und trat über die Schwelle. Im nächsten Augenblick saß ihr der kalte Stahl einer Pistolenmündung im Genick.
„Keine Bewegung, oder du bist tot“, sagte eine Männerstimme. Dann fügte sie hinzu: „Bist du‘s, Katharina? Verdammt noch mal, komm nie wieder unangemeldet in einen Raum, in dem ich mich befinde. Fast hätte ich dir eine Kugel durch den Kopf gejagt. Ich habe viele Feinde in Berlin. Ich bin nur deshalb noch am Leben, weil ich schlauer bin als meine Gegner.“
Die Fensterläden waren halb geschlossen. In dem Raum herrschte graues Zwielicht. Der Druck der Pistolenmündung verschwand aus Katharinas Nacken. Herbert Paschke trat in ihr Blickfeld. Er musste hinter der Tür gestanden haben, als die Detektivin über die Schwelle trat – ein Zeichen dafür, dass er immer auf der Hut war, weil er offenbar um ihr Leben fürchtete.
„Einige Typen sind ziemlich sauer auf mich, weil ich sie angeblich an die Polizei verraten habe. Deswegen haben sie Leute auf mich angesetzt, die mir die Knochen brechen sollen.“
Herbert warf die Pistole auf den Tisch und griff nach einer Flasche Schnaps, die dort stand. Er sah Katharina fragend an, doch diese schüttelte nur den Kopf. Herbert zuckte daraufhin geringschätzig mit den Mundwinkeln, füllte ein Glas bis zum Rand und stürzte den Schnaps hinunter. Auf dem Tisch stand noch ein zweites Glas, dessen Rand dick mit Lippenstift beschmiert war. Das machte Katharina auf einmal klar, dass sie und Herbert nicht allein in dem Raum waren.
Sie wandte den Kopf und sah, dass eine junge Frau auf dem Rand des Bettes saß. Sie war eine von den hübschen Frauen, die auf der Kurfürstenstraße ihrem Gewerbe nachgingen – und sie war vollkommen nackt. Träge zog sie ihre Jeans an. Sie hatte ein klassisch schönes Profil, langes, haselnussbraunes Haar, das offen über ihre Schultern fiel, und eine sonnengebräunte Haut.
„Das ist meine neue Art zu leben“, sagte Herbert, als Katharina unwillkürlich den Blick abwandte. Er füllte sein Glas abermals mit Schnaps. „Fühlst du dich dadurch etwa beleidigt?“
„Ich bin nicht so schnell zu beleidigen“, entgegnete Katharina. „Wenn es dich glücklich macht.“
Das Glas, das eben noch in Herberts Hand gewesen war, ging an einer Wand zu Bruch. Trotz des herrschenden Zwielichts konnte die Detektivin erkennen, dass sein Gesicht bleich war.
„Ja, es macht mich glücklich.“
Katharina spürte sofort, dass mit dem kleinen Mann seit ihrer letzten Begegnung eine Veränderung vorgegangen war. Im Gegensatz zu früher benahm er sich jetzt weitaus aggressiver. Allerdings vermochte sie nicht zu sagen, ob dieses Verhalten auf den Alkoholkonsum zurückzuführen war, auf die Drogen, die er vermutlich immer noch regelmäßig nahm, oder ob es eine andere Ursache hatte. Herbert starrte sie mit zusammengepressten Lippen an. Plötzlich wandte er Katharina den Rücken zu.
„Raus!“, schnauzte er die Prostituierte an. „Los, raus mit dir! Zieh dich im Badezimmer an!“
Sie