"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber

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Philosophen ist es der Geist selbst, der die Natur als das Andere seiner selbst und damit sich selbst als das Andere der Natur setzt; sodann kehrt er in der Philosophie der Natur zu sich selbst zurück, erfasst sich in der Philosophie des Geistes selbst und erkennt sich als das Identische in der einen wie in der anderen Welt, in der Welt des Menschen überhaupt. Es ist also der Geist, der die Natur als Idee setzt und sie als solche als sein Anderssein begreift und ebenso sich selbst als Idee setzt und sich als solche begreift.

      In seinem erläuternden Zusatz zu seinen einleitenden Ausführungen zum Begriff des Geistes erinnert Hegel daran, dass dieser als die sich selbst wissende wirkliche Idee zu verstehen ist.61 Der Begriff des Geistes ist demnach sowohl wirklich, z. B. in einer modernen Verfassungswirklichkeit (Wirklichkeit der Freiheit), als auch sich selbst wissend, z. B. in der modernen Rechts- und Staatsphilosophie (in der ja die Wirklichkeit zur Darstellung kommt). Anders als die Natur, kann sich der Geist, so sein Begriff von der Natur, sich selbst erkennen.

      Den Begriff des Geistes habe, wie Hegel fortfährt, die Philosophie als notwendig zu erweisen, d. h. als Resultat der Entwicklung des allgemeinen Begriffs oder der logischen Idee62 zu erkennen. Dem Geist gehe aber in dieser Entwicklung nicht nur die logische Idee, sondern auch die äußere Natur voran. Denn das schon in der einfachen logischen Idee enthaltene Erkennen63 sei nur der von uns gedachte Begriff des Erkennens, nicht aber das für sich selbst vorhandene Erkennen64, nicht der wirkliche Geist, sondern bloß dessen Möglichkeit. Der wirkliche Geist, der allein in der Wissenschaft vom Geist unser Gegenstand sei, habe die äußere Natur zu seiner nächsten und die logische Idee, zu seiner ersten Voraussetzung.65 Mit dem “wirklichen Geist“ meint Hegel den Begriff des Geistes, wie er sich in der Seele, im Bewusstsein, im Denken und Wollen des Einzelnen, also im subjektiven Geist (ders.), ferner in den normativen Ordnungen, also im objektiven Geist (ders.) aktualisiert, sich sodann in der Kunst darstellt und sich in der Offenbarungsreligion vorstellt, um sich schließlich in der Philosophie zu denken; es ist der Geist der Moderne - eine konkrete Totalität.

      Zu ihrem Endresultat müssten, wie Hegel fortfährt, daher die Naturphilosophie und mittelbar die Logik den Begriff des Geistes als notwendig begründen. Die Wissenschaft vom Geist habe diesen Begriff, so wie sie ihn entwickelt, zu prüfen, ob er sich bewährt. Was man daher zu Beginn der Betrachtung des Geistes nur versichern könne, könne erst durch die ganze Philosophie wissenschaftlich bewiesen werden. Zunächst könne man nicht mehr tun, als den Begriff des Geistes bloß für die Vorstellungzu erläutern.

      Um zum Begriff des Geistes zu kommen, sei es nötig, die Bestimmtheit anzugeben, durch die die Idee Geist ist. Alle Bestimmtheit sei aber Bestimmtheit nur gegenüber einer anderen, und die Bestimmtheit des Geistes stehe zunächst der Bestimmtheit der Natur gegenüber, und jene sei zugleich mit dieser begrifflich zu erfassen. Als die unterscheidende Bestimmtheit des Begriffs des Geistes, müsse die Idealität bezeichnet werden. Dies bedeutet, dass, so Hegel, das Anderssein der Idee (die Idee als Natur66, d. Verf.) aufgehoben wird, die Idee aus ihrem Anderen in sich zurückkehrt und so als ein Zurückgekehrtes ist.67

      Auch die äußere Natur sei ebenso wie der Geist, vernünftig und göttlich, also eine Darstellung der Idee.68 Aber in der Natur erscheine die Idee im Element des Außereinanders (in Raum und Zeit, d. Verf.), sie sei nicht nur für den Geist äußerlich, sondern, weil das Wesen des Geistes in der an und für sich seienden Innerlichkeit bestehen würde, sei sie auch eben deshalb sich selber äußerlich (sie ist sich selbst weder Subjekt noch Objekt, d. Verf.). Sie wird also vom Geist nicht nur als das ihm Äußerliche gesetzt, sondern ist auch sich selber ein Äußerliches. Die Natur wird somit von Hegel, wie schon erwähnt, nicht mit dem gleichgesetzt, was uns unsere Sinnesorgane vermitteln und was unsere vor aller Erfahrung liegenden Kategorien zu Inhalten verarbeiten, sondern sie wird von ihm als eine eigenständige, auf sich beruhende Welt außerhalb des individuellen Bewusstseins, jedoch nicht als eine außerhalb der Reichweite des Geistes liegende Welt verstanden. So liegt z. B. die atomare Welt zwar jenseits des sinnlichen Bewusstseins des Einzelnen, sie liegt aber gleichwohl in der Reichweite des physikalischen und des darauf aufbauenden naturphilosophischen Denkens.69

      Die Natur, so wie sie Hegel versteht, stimmt, ihm zufolge, vollkommen mit dem wie sie die alten Griechen verstanden, aber auch mit unserer gewöhnlichen Vorstellung von ihr überein.70 So sei uns geläufig, dass das Natürliche räumlich und zeitlich ist, dass in der Natur Dieses neben Diesem besteht und Dieses Diesem folgt, kurz, dass alles Natürliche ins Unendliche außereinander ist. Ferner wüssten wir, dass die Materie, diese allgemeine Grundlage aller da seienden Gestalten der Natur, uns nicht nur Widerstand leistet und außerhalb unseres Geistes besteht, sondern gegen sich selber sich auseinanderhält, in konkrete Punkte, in materielle Atome sich trennt, aus denen sie sich zusammensetzt. Die Unterschiede, zu denen sich der Begriff der Natur 71 entfalte, seien mehr oder weniger gegeneinander selbständige Existenzen. Durch ihre ursprüngliche Einheit stünden sie zwar miteinander in Beziehung, so dass keine Existenz ohne die andere begriffen werden könne, aber diese Beziehung sei eine in einem höheren oder geringeren Maße äußerliche Beziehung. Man würde daher mit Recht sagen, dass in der Natur nicht die Freiheit, sondern die Notwendigkeit herrscht. Denn diese sei eben, in ihrer eigentlichen Bedeutung, die nur innerliche und deshalb auch nur äußerliche Beziehung von gegeneinander selbständigen Existenzen. 72 So würden z. B. das Licht und seine Bestandteile als gegeneinander selbständig erscheinen, und die Planeten, obwohl sie von der Sonne angezogen werden, hätten trotz dieses Verhältnisses zu ihrem Zentrum den Schein der Selbständigkeit gegenüber demselben.

      Im Lebendigen käme allerdings eine höhere Notwendigkeit zustande, als jene die im Bereich des Leblosen herrsche. Schon in der Pflanze zeige sich, dass sie ein in die Peripherie ergossenes Zentrum, eine Konzentration der Unterschiede ist, dass sie sich von innen heraus entwickelt, eine Einheit ist, die sich selbst differenziert und aus ihren Differenzen in der Knospe sich selbst hervorbringt und somit etwas sei, dem wir Trieb zuschreiben würden. Aber diese Einheit bleibe eine unvollständige, weil im Gliederungsprozess der Pflanze das vegetabilische Subjekt aus sich heraustrete, jeder Teil die ganze Pflanze, eine Wiederholung derselben sei, die Glieder also nicht in vollkommener Unterwürfigkeit unter der Einheit des Subjekts stünden.

      Eine noch vollständigere Überwindung der Äußerlichkeit stelle der tierische Organismus dar. In diesem erzeuge nämlich nicht nur jedes Glied das andere, sei dessen Ursache und Wirkung, Mittel und Zweck, sondern das Ganze werde von seiner Einheit so durchdrungen, dass nichts in ihm als selbständig erscheine. Jede Bestimmtheit sei zugleich eine ideelle, das Tier bleibe in jeder Bestimmtheit dasselbe, das eine Allgemeine, so dass das Außereinander am tierischen Körper sich in seiner ganzen Unwahrheit zeige. Dadurch, dass das Tier in jeder Bestimmtheit bei sich und es in und aus seiner Äußerlichkeit unmittelbar in sich reflektiert sei, sei es eine für sich seiende Subjektivität und habe Empfindung.73 Diese sei die Allgegenwart der Einheit des Tieres in allen seinen Gliedern, die jeden Eindruck unmittelbar dem einen Ganzen mitteilen, das im Tier zu werden beginne. In dieser subjektiven Innerlichkeit des Tieres liege, dass es durch sich selbst, von innen heraus, und nicht bloß von außen bestimmt ist, d. h., dass es Trieb und Instinkt hat. Die Subjektivität des Tieres enthalte einen Widerspruch und den Trieb, diesen Widerspruch aufzuheben und dadurch sich selbst zu erhalten. Selbsterhaltung sei das Vorrecht des Lebendigen und in einem noch höheren Grad des Geistes.74

      Die tierische Seele sei jedoch, so Hegel, noch nicht frei; erscheine sie doch immer als eins mit der Bestimmtheit der Empfindung oder der Erregung, als an eine Bestimmtheit gebunden. Nur in der Form der Einzelheit sei die Gattung für das Tier gegeben.75 Es empfinde nur die Gattung, aber wisse nichts von ihr. Im einzelnen Tier sei noch nicht die Seele für die Seele, das Allgemeine als solches für das Allgemeine. Durch das im Gattungsprozess stattfindende Aufheben der Besonderheit der Geschlechter komme das Tier nicht zum Erzeugen

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