"ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT. Peter Schöber

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Читать онлайн книгу "ERKENNE DICH SELBST" - HEGELS THEORIE DER PERSÖNLICHKEIT - Peter Schöber страница 16

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einen Seite eine dem Gegenstand äußerliche Tätigkeit und auf der anderen ein bloß leidender Gegenstand, sondern die geistige Tätigkeit richte sich auf einen in sich selber tätigen Gegenstand, und zwar auf einen solchen, der sich zu dem, was durch jene Tätigkeit hervorgebracht werden soll, selbst heraufgearbeitet hat, so dass in der Tätigkeit und im Gegenstand ein und derselbe Inhalt vorhanden sei. So seien z. B. das Volk und die Zeit, auf die Alexander und Cäsar als auf ihren Gegenstand handelnd einwirkten, durch sich selbst zu dem fähig geworden, was beide vollbringen wollten. Die Zeit würde ebenso sehr jene Männer hervorbringen, wie sie von diesen hervorgebracht werde. Diese Männer seien ebenso die Werkzeuge des Geistes ihrer Zeit und ihres Volkes gewesen, wie umgekehrt diesen Helden ihr Volk als Werkzeug dazu gedient hätte, ihre Taten zu vollbringen.

      Ähnlich dem soeben geschilderten Verhältnis sei die Weise, wie sich der philosophierende Geist zur äußeren Naturverhält. Dieser erkenne nämlich, dass die Natur nicht bloß von uns idealisiert wird und dass das Außereinander88 derselben nicht etwas ist, was für sie selber, für ihren Begriff, durchaus unüberwindlich ist. Vielmehr bewirke die der Natur innewohnende ewige Idee, der in ihrem Inneren arbeitende an sich seiende Geist, selber die Idealisierung, die Aufhebung des Außereinander; denn diese Form seines Daseins stehe mit der Innerlichkeit seines Wesens in einem Widerspruch. Die Philosophie brauche also nur zuzusehen, wie die Natur selber ihre Äußerlichkeit aufhebt, das Sichselbstäußerliche in das Zentrum der Idee zurücknimmt oder dieses Zentrum im Äußerlichen hervortreten lässt, den in ihr verborgenen Begriff von der Decke der Äußerlichkeit befreit und damit die äußerliche Notwendigkeit 89 überwindet. Dieser Übergang von der Notwendigkeit zur Freiheit sei nicht ein einfacher, sondern ein Stufengang von vielen Momenten, der in der Naturphilosophie dargestellt werde.90 Auf der höchsten Stufe dieser Aufhebung des Außereinander, nämlich in der Empfindung (wie sie zunächst, wie schon erwähnt, in der Tierwelt, aber auch auf der Stufe eines Menschen gegeben ist, auf der dieser noch in seiner “natürlichen“ Seele (Hegel) gefangen ist, d. Verf.) komme der in der Natur gefangen gehaltene und an sich seiende Geist zum Beginn seines Fürsichseins und damit zu seiner Freiheit. Durch dieses aber noch mit der Form der Einzelheit und Äußerlichkeit, noch mit der Unfreiheit behaftete Fürsichsein werde die Natur über sich hinaus zum Geist als solchem fortgetrieben, und zwar zu dem durch das Denken in der Form der Allgemeinheit (der Sprache, d. Verf.) für sich seienden, wirklich freien Geist. Der nur empfindende Mensch ist also nach Hegel nur ein vereinzeltes Wesen, erst mit dem Erwerb der Sprache als einer Allgemeinheit und damit der Fähigkeit, zu denken und zu kommunizieren tritt er in die menschliche Gesellschaft ein.

      Nach Hegel dürfe das Hervorgehen des Geistes aus der Natur, wie schon ausgeführt, nicht in dem Sinne verstanden werden, als ob die Natur das absolut Unmittelbare, Erste, ursprünglich Setzende, während der Geist nur ein von ihr Gesetztes ist. Vielmehr sei die Natur vom Geist gesetzt, und dieser sei damit das absolut Erste. Der an und für sich seiende Geist91 sei eben nicht das bloße Resultat der Natur, sondern in Wahrheit sein eigenes Resultat. Er bringe sich selber aus den Voraussetzungen, die er sich selbst macht, aus der logischen Idee und der äußeren Natur, hervor und sei die Wahrheit sowohl jener als auch dieser Idee, d. h. die wahre Gestalt des nur in sich (logische Idee, d. Verf.) seienden und des nur außer sich seienden Geistes (Idee der Natur, d. Verf.). Der Schein, als ob der Geist durch ein Anderes vermittelt wird, werde vom Geist selber aufgehoben, weil dieser die “souveräne Undankbarkeit“ (Hegel92) habe, dasjenige, wodurch er vermittelt erscheint, aufzuheben, zu etwas herabzusetzen, das nur durch ihn besteht, um sich auf diese Weise vollkommen selbständig zu machen.

      Aus dem Gesagten gehe schon hervor, dass der Übergang der Natur zum Geist nicht ein solcher zu etwas ganz anderem, sondern nur ein Zusichselberkommen des in der Natur außer sich seienden Geistes ist. Ebenso wenig werde aber durch diesen Übergang der bestimmte Unterschied der Natur und des Geistes aufgehoben, denn der Geist gehe nicht auf natürliche Weise aus der Natur hervor. Wenn im Paragraphen § 22293 gesagt wurde, der Tod der nur unmittelbaren einzelnen Lebendigkeit sei das Hervorgehen des Geistes, so sei dieser Vorgang nicht fleischlich, sondern geistig, nicht im Sinne eines natürlichen Hervorgehens, sondern im Sinne einer Entwicklung des Begriffs zu verstehen, der die Einseitigkeit der Gattung aufhebe, die nicht zu einer angemessenen Verwirklichung komme, vielmehr im Tode sich als eine negative Macht gegenüber jener Wirklichkeit erweise.94 Zugleich hebe der Begriff die jener gegenüberstehende Einseitigkeit des an die Einzelheit gebundenen tierischen Daseins in der an und für sich allgemeinen Einzelheit auf oder, was auf dasselbe hinauslaufe, in dem auf allgemeine Weise für sich seienden Allgemeinen, das der Geist sei.95 Mit anderen Worten, der Mensch teilt mit dem Tier zwar das Schicksal, dass er Angehöriger einer natürlichen Gattung ist, die nur im Einzelnen und besonderen Menschen ihr Dasein hat, sich jedoch im Tod als die Macht über diesen erweist. Gleichwohl unterscheidet sich die menschliche von jeder tierischen Gattung, indem jene über die Sprache verfügt. Es gibt aber keine Entwicklung des Menschen von einem natürlichen Gattungswesen hin zu einem geistigen Wesen, vielmehr ist er von vornherein beides zugleich. Demgemäß leben die Menschen nicht als Vereinzelte, gleichsam wie Tiere einer bestimmten Gattung, die nur im Geschlechtsverhältnis (und in einer einfachen Arbeitsteilung) zueinander finden, sondern in einer von Sprache und normativen Ordnungen, also von einer geistigen Kultur konstituierten gesellschaftlichen Totalität (Familiengesellschaften, Stämme, Völker, Nationen, Staaten und Staatenvereine), und nur in einer solchen können sie sich individualisieren. Der Mensch, so Marx, sei im wörtlichen Sinn ein “Zoon politikon“, also nicht nur ein geselliges Tier, sondern ein Tier, das nur in der Gesellschaft sich vereinzeln kann.96

      Die Natur als solche komme, wie Hegel fortfährt, in ihrer Selbstverinnerlichung, so Hegel, nicht zu diesem Fürsichsein, zum Bewusstsein ihrer selbst. Das Tier, die vollendete Form dieser Verinnerlichung in der Natur, stelle nur die geist-lose Dialektik des Übergehen von einer einzelnen, seine ganze Seele ausfüllenden Empfindung zu einer anderen, ebenso ausschließlich in ihm herrschenden einzelnen Empfindung dar. Erst der Mensch würde sich über die Einzelheit der Empfindung zur Allgemeinheit des Gedankens erheben - durch Sprache und sprachliche Kommunikation, wie man Hegels Worte ergänzen könnte - hin zum Wissen von sich selbst, zum Erfassen seiner Subjektivität, seines Ich.97 Mit einem Wort, erst der Mensch sei der denkende Geist, und allein dadurch sei er wesentlich von der Natur unterschieden. Was der Natur als solcher angehöre, liege hinter dem Geist. Er habe zwar in sich selbst den ganzen Gehalt der Natur, aber die Naturbestimmungen seien am Geiste auf eine durchaus andere Weise als in der äußeren Natur.98 So schließt z. B. eine menschliche Handlung den natürlichen Organismus ein, das Eigentümliche und Zentrale an der Handlung sind aber Sinn, Beweggrund, Ideologie und dergleichen. Der Organismus gehört nur zur Situation, den Bedingungen des Handelns. 99 Auch bei der Hervorbringung eines Kunstwerks würde man nicht die dazu erforderlichen Materialien, die Nervenanspannung oder die physische Energie des Künstlers, sondern den Sinn als wesentlich ansehen, den dieser damit verbindet, und die allgemeine Stilrichtung als Teil der Kultur oder des “absoluten Geistes“ (Hegel).

      Wenn auch Hegel Natur und Geist als zwei einander extrem entgegen gesetzte Welten setzt, um sodann diese Entgegensetzung wieder aufzuheben, um die Welt als ein Ganzes zu denken, so gibt es, ihm zufolge, wie schon angedeutet, keine Entwicklung vom Tier hin zum Menschen, also zum Bewusstsein und zum Denken. 100 Eine Entwicklung gibt es für Hegel überhaupt nur in der Welt des Geistes, mithin der menschlichen Geschichte.

       Die Freiheit als das Wesen des Geistes

      Das Wesen des Geistes sei deswegen101, wie Hegel nach diesem Zusatz fortfährt, formal die Freiheit, die absolute Negativität des Begriffs (mit Bezug auf die Natur, d. Verf.) als Identität mit sich.102 Gemäß dieser formalen (abstrakten, d. Verf.) Bestimmung des Geistes könne dieser von allem Äußerlichen und seiner eigenen Äußerlichkeit, seinem Dasein, selbst abstrahieren. Er könne die Negation seiner individuellen Unmittelbarkeit,

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