IMMUN. Sebastian Weis
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T-Zellen tragen auf zweierlei Weise zur Immunabwehr bei: Einige lenken und regulieren die Immunantwort durch die Freisetzung von Zytokinen, andere greifen infizierte oder krebsartige Zellen direkt an. Weil sie nicht den Krankheitserreger direkt angreifen, sondern körpereigene, erkrankte Zellen, dürfen ihnen keine Fehler unterlaufen. Sie müssen fehlerfrei infizierte Zellen von gesunden Zellen unterscheiden können. Infizierte Zellen, die z. B. von einem Virus befallen sind, zeigen das an ihrer Zelloberfläche mit speziellen Molekülen an. Auf diese Antigene reagieren die T-Lymphozyten. Auch Krebszellen haben eine veränderte Oberflächenstruktur. Daher forscht man intensiv daran, wie man das körpereigene Immunsystem im Kampf gegen den Krebs unterstützen kann.
Damit die T-Lymphozyten fehlerfrei erkennen, welche Zellen gesund sind und welche nicht, erhalten sie im Gegensatz zu den B-Lymphozyten eine spezielle Ausbildung. Diese findet in der Kindheit und Jugend im Thymus statt, später weiterhin in den Lymphknoten, der Milz und den Mandeln. T-Zellen, die auf gesunde Zellen reagieren würden, werden hier direkt aussortiert und eliminiert. Die erfolgreich ausgebildeten T-Zellen zirkulieren im Blut oder wandern ins Gewebe, wo sie eine Art Wächterfunktion übernehmen. Wenn T-Zellen aktiviert werden, treten sie direkt mit ihrer Spezialisierung in Aktion:
• T-Helferzellen schütten Zytokine aus und aktivieren andere Immunzellen.
• Zytotoxische T-Zellen lösen mithilfe von Enzymen ein Stück der Zellmembran der betroffenen Zellen auf und geben Gifte in die Zellen ab, welche die Selbstzerstörung einleiten.
• Natürliche Killer T-Zellen docken an den Zielzellen an und aktivieren ebenfalls die Selbstauflösung.
• Regulatorische T-Zellen regulieren bzw. unterdrücken die Immunantwort nach getaner Arbeit.
Bestimmte T-Zellen sind an der Gewebeentwicklung bei Kindern beteiligt.xxxviii Bestandteile des Immunsystems übernehmen also auch andere Aufgaben im Körper. Umgekehrt gibt es Zellen, von denen man bis vor kurzem gar nicht wusste, dass sie bei der Immunabwehr eine Rolle spielen: die Blutplättchen.
Blutplättchen – die Sentinels
Blutplättchen (Thrombozyten) spielen eine zentrale Rolle bei der Blutgerinnung und bei der Sicherung der Gefäßwände. Sie sind die zweithäufigsten Blutzellen und in etwa so groß wie Darmbakterien. Zusätzlich zu ihrer extrem hohen Anzahl sind sie in der Lage, eine Vielzahl von Wirksubstanzen zu speichern und freizusetzen. Scheinbar können sie gezielt auf verschiedene Arten von Gewebeschäden oder -bedrohungen zu reagieren. Sie fungieren wie Sentinels (engl. = Wächter), die bei Bedarf das Immunsystem aktivieren. Es gibt neuere Belege dafür, dass Thrombozyten beteiligt sind
• an der Verteidigung gegen mikrobielle Bedrohungen
• an der Rekrutierung und Förderung der Zellen des unspezifischen Immunsystems
• an der Verstärkung spezifischer Immunantworten.
Blutplättchen scheinen ein wenig wie ein Dirigent in der Immunabwehr zu wirken.xxxix Forscher der Uni Bonn konnten zeigen, dass Blutplättchen die Makrophagen und andere Zellen zur Bildung von Entzündungsstoffen anregen.xl
Wir sehen an diesem Beispiel, wie wenig wir noch über die Funktionsweise des Immunsystems wissen. Viele Zellen scheinen mehr Aufgaben wahrzunehmen als bisher bekannt. Muskeln schütten Botenstoffe aus, Fettgewebe steuert Entzündungsprozesse, Darmbakterien produzieren Neurotransmitter. Wenn wir das Bild der Kuckucksuhr wieder heranziehen: es ist so, als ob jedes Zahnrad nicht nur ein weiteres Rad in Bewegung versetzt, sondern gleich mehrere. Es entsteht ein multidimensionales Geflecht, das kaum zu durchschauen ist. Es gibt noch viele andere Zellen des Immunsystems. Für uns soll dieser Ausschnitt hier reichen.
Malaria und die Entstehung der Blutgruppen
Das Immunsystem des Menschen hat sich immer im Wechselspiel mit Krankheitserregern weiterentwickelt. Malaria wird von Forschern als "die stärkste bekannte Kraft für die evolutionäre Selektion in der jüngsten Geschichte des menschlichen Genoms" bezeichnet.xli Der Name leitet sich ab von mal aria (ital. = schlechte Luft). Noch heute infizieren sich jedes Jahr ca. 200 Mio. Menschen, 1 bis 2 Millionen davon sterben daran, vor allem Kinder.
Die Erreger befallen die die roten Blutkörperchen und zerstören diese. Es kommt zu Durchblutungsstörungen und einer Unterversorgung von Geweben mit Sauerstoff und Nährstoffen. Vor allem im Gehirn ist dies fatal.
Die roten Blutkörperlichen (Erythrozyten) haben wie jede Zelle im Körper eine Oberfläche: die Zellmembran. Diese zeigt je nach Blutgruppe unterschiedliche Strukturen (Antigene). Wenn Antigene mit Substanzen in Kontakt kommen, die Ihrem Körper unbekannt sind, lösen sie eine Reaktion des Immunsystems aus. Sie können aber auch zum Nachteil werden, wenn sie als Andockstellen für Mikroorganismen, Parasiten und Viren dienen. Genau das passiert bei Malaria. Über die Jahrtausende entstanden Mutationen dieser Zellmembranen und so verschiedene Blutgruppen. Am bekanntesten sind die vier Gruppen A, B, AB und O. Gegenwärtig gibt es über 30 anerkannte menschliche Blutgruppen und Hunderte von individuellen Blutgruppenantigenen. Diese können die Anfälligkeit des Wirts für Infektionen erhöhen oder verringern. Menschen mit der Blutgruppe 0 scheinen seltener an Malaria zu erkranken.
Die Malaria-Erreger gibt es seit über 200 Millionen Jahren. Zum Vergleich: unsere Evolution, die Entwicklung der Hominiden, der menschenartigen Affen, datiert zurück auf ca. 10 Millionen Jahre. Der moderne Mensch, der Homo sapiens, entstand vor etwa 200.000 Jahren in Afrika. Er entwickelte sich zeitlich überlappend mit dem Malaria-Erreger Plasmodium falciparum in seiner heutigen genetischen Form.xlii Die Gene unserer Vorfahren mussten sich anpassen, um unser Überleben zu sichern.
Bild: Eigenbearbeitung in Anlehnung an Cserti / Dzik (Fußnote 45)
Menschen der Blutgruppe A, B oder AB haben ein höheres Risiko für Herzkreislauf-Erkrankungen, Bluthochdruck, Demenz und Krebs.xliii
Entsprechend gibt es einen Zusammenhang zwischen der Blutgruppe und dem Darm-Mikrobiom.xliv Aus diesem Grund ist es aus meiner Sicht ohne Untersuchung nicht empfehlenswert, Präparate mit vielen Probiotika-Stämmen einzunehmen.
Ich empfehle bei Probiotika eine Mischung mit nur wenigen Stämmen, die idealerweise der natürlichen Besiedlung des kindlichen Darms entsprechen. Auf diesem Fundament kann sich bei einer gesunden Ernährung das individuelle Gesamtmikrobiom optimal entwickeln. Bei medizinischer Verwendung sollte immer eine Voruntersuchung stattfinden.
Die Blutgruppen spielen auch eine Rolle beim Blutspenden. Am besten sind natürlich Bluttransfusionen, die blutgruppengleich durchgeführt werden. Im Notfall zählt jedoch oftmals jede Minute, daher kommen in solchen Situationen Blutkonserven mit der Blutgruppe Null negativ zum Einsatz. Sie werden von Patienten aller Blutgruppen vertragen (Die Erythrozyten werden dafür vom Plasma mit den Antikörpern getrennt.) Der Bedarf an der universal helfenden Blutgruppe O- ist besonders hoch.xlv
Bild: Shutterstock 623908520 © Incomible