Das Ende ist immer nahe 1. Urs Herzog
Чтение книги онлайн.
Читать онлайн книгу Das Ende ist immer nahe 1 - Urs Herzog страница 10
***
Es dauerte dann doch nicht so lange wie Hartmann befürchtet hatte. Noch am selben Abend hatte Müller die erste Verbindung gefunden. Das erste Opfer, Johann Moser, war während 25 Jahren Lehrer an der örtlichen Schule gewesen bevor er im letzten Jahr in Pension ging.
Das dritte Opfer, Elisabeth Jansen, unterrichtete seit zwei Jahren an der gleichen Schule. Die beiden hatten sich gekannt. Aber wie gut hatten sie sich gekannt? Gab es Gemeinsamkeiten zwischen ihnen? Gleiche Interessen? Oder etwas Privates, Persönliches? Abneigung? Ein intimes Verhältnis schien unwahrscheinlich, bei dem Altersunterschied. Und doch hatten sie eines gemeinsam, ihren Mörder. Da die Motive meist im unmittelbaren Umfeld der Opfer zu finden sind, würde es nicht allzu schwer sein die Hintergründe für die Verbrechen und den Täter zu finden. Alles nur eine Frage der Zeit.
Und auch dass das zweite Opfer da nicht hineinpasste, auch das würde sich auflösen. So dachte Hartmann. Zu Beginn.
***
„Soll ich dich nach Hause begleiten?“ Der Junge strahlte das dunkelhaarige, ausnehmend hübsche Mädchen an. Mitternacht war längst vorbei und im Osten zeigte sich ein erster heller Streifen am Horizont. Die Clique hatte eben das Oasis verlassen. Im Moment war es das angesagteste Lokal der Stadt mit der besten Musik und dem bekannten DJ Dummy. Die Jungen aus Birrhausen und Umgebung trafen sich dort. Auch hier waren die Toten das Gesprächsthema des Tages. Wer hatte die drei Menschen erschossen? Viele der Jungen hatten den alten Moser gekannt, waren bei ihm zur Schule gegangen. Doch nicht alle interessierte das Thema, es gab wichtigeres. Die junge Frau lächelte ihn an und ihr Augenaufschlag liess ihn schmelzen.
„Danke, lieb von dir, aber ich finde den Weg schon allein, es sind doch nur ein paar Schritte.“ Und in die Runde sagte sie: „Kommt gut nach Hause, wir sehen uns morgen.“ Der Junge stand da mit hängenden Armen, zu keiner Reaktion fähig. Er schaute ihr nach wie sie um die nächste Ecke verschwand. Den ganzen Abend hatte er versucht ihr näher zu kommen und sie schien nichts dagegen zu haben.
Doch irgendwie hatte er es sich anders vorgestellt, mit einem anderen Ende. „He, Chris, aufwachen.“ Sein Freund Peter stiess ihn in die Rippen. „Du gehst besser nach Hause und überschläfst das Ganze noch einmal.“ Die Clique grinste. Sie hatten längst gemerkt was los war, dass sich Chris in Susanne verknallt hatte.
„Okay, schon gut“, Chris hob beschwichtigend die Hände, „dann gehe ich eben schlafen. Tschüss, bis morgen.“ Mit hängenden Schultern trottete er davon.
Hätte sie ja sagen sollen? Er hätte sie nach Hause gebracht, bis vor die Haustüre. Chris ist ein sehr sympathischer Typ, dachte sie bei sich, und vielleicht kann noch etwas daraus werden. „Nur nichts überstürzen, Susanne, nur nichts überstürzen“, sagte sie laut zu sich selbst und lächelte. Sie freute sich den Jungen morgen wieder zu sehen und wusste, dass er sie vorher bestimmt anrufen würde.
Beschwingt schlenderte sie durch die Hauptstrasse und bog dann in die Schmiedengasse ein. Noch ein paar Schritte und sie war Zuhause.
Er wusste er würde nicht schlafen können. Zu aufgewühlt war sein Innerstes, waren seine Gefühle durcheinander geraten. Er wollte nicht nach Hause gehen und so lief er ziellos durch die Gassen der Stadt. Als er im Oasis Susanne begegnete, war ihm als würde ihn ein riesiger, schwerer Hammer treffen. Seit dem Kindergarten kannte er sie. Sie waren zusammen in die Schule gegangen, waren zusammen aufgewachsen. Doch sie war nicht mehr das Mädchen vergangener Tage, sie war zu einer wunderschönen Frau geworden. Vom hässlichen Entlein zum stolzen Schwan. Ihre helle, warme Stimme und ihr bezauberndes Lächeln gingen ihm unter die Haut.
Ihre schlanke, tolle Figur, die langen Beine, die kleinen wohlgeformten Brüste, ihr Gesicht einem Engel gleich, umrahmt von schwarzen Locken und dann die meerblauen Augen die so unschuldig, so liebevoll, so zärtlich zu ihm aufsahen. So sah er sie vor sich und glaubte den Verstand zu verlieren. Wie von einem anderen Stern, eine neue, unbekannte und faszinierende Susanne. Hinreissend. Noch nie hatte er ein Mädchen gefragt ob er sie nach Hause bringen soll. Doch heute hatte er es getan. Dafür musste er seinen ganzen Mut zusammennehmen. Und was war dann geschehen?
Er hatte da gestanden wie versteinert, hatte keinen Ton mehr herausgebracht, war wie paralysiert. Was war er doch für ein Hornochse, wohnten sie doch so nahe beieinander, nur wenige Häuser lagen dazwischen, in der gleichen Gasse.
„Chris, Chris, du bist ein Idiot, ein hirnverbrannter, verblödeter Idiot“, schimpfte er mit sich selbst und schüttelte den Kopf.
Dann drehte er sich abrupt um. Nun kannte er sein Ziel. Erst wenige Minuten waren vergangen seit sie sich getrennt hatten und schon sehnte er sich nach ihrer Nähe, wusste, dass er bis zum Wiedersehen keine ruhige Minute mehr haben würde. Alle seine Gedanken drehten sich nur noch um Susanne. Seine wunderbare Susanne. Er war hoffnungslos und unsterblich verliebt. Das beflügelte seinen Schritt und er rannte so schnell, dass er glaubte zu fliegen.
Als er in die Schmiedengasse einbog blieb sein Herz stehen. Sein Gehirn konnte nicht akzeptieren was seine Augen sahen. Er konnte sich nicht bewegen. Alles in ihm weigerte sich, blockierte ihn.
So traf es ihn und er stürzte neben Susanne auf das graue, harte Pflaster.
Der Tod vereinte die beiden jungen Menschen, noch bevor sie im Leben zueinander gefunden hatten.
***
Schon frühmorgens überspannte ein wolkenloser Himmel das Firmament. Die Sonne glich einer goldenen Scheibe die langsam gegen den Zenit wanderte. Die Schwalben segelten durch die Luft auf der Jagd nach Insekten und die Amseln auf den Dächern liessen ihren Gesang ertönen. Ein wunderschöner Tag kündigte sich an.
Hartmann drückte ein weiteres Mal auf den Knopf an seiner chromglänzenden, vollautomatischen Espressomaschine. So ein Automat war doch eine wunderbare Sache. Nach Gebrauch die Maschine kurz abwischen und gelegentlich frische Kaffeebohnen nachfüllen. Der Kaffeesatz fiel in eine Plastiktüte in einem speziellen Behälter, welchen er einmal die Woche entleeren musste. Wasser musste er auch nicht nachfüllen, denn er hatte einen festen Anschluss installieren lassen.
Seine Küche war nicht gross. Neben den normalen Einbaumöbeln mit gelber Oberfläche und der Abdeckung aus schwarzem Marmor, hatte noch ein kleiner Tisch mit zwei Stühlen Platz. So klein die Küche auch war, er hatte sie mit den ausgeklügeltsten Apparaten und Maschinen ausstatten lassen.
Nebst dem Kaffeeautomaten gab es noch den Herd mit Sensorsteuerung und automatischen Kochprogrammen. So konnte nie etwas überkochen oder anbrennen. Der Heissluft-Backofen mit Grill und Fleischthermometer und der Dampfgarer, waren auf Augenhöhe eingebaut. Eine Brotschneidemaschine welche auch Fleisch und Wurst schneiden konnte, verschwand nach Gebrauch wie durch Zauberhand unter der Küchenabdeckung.
Daneben stand ein mächtiger, dunkelblauer Kühlschrank mir zwei Türen. In der einen Tür war eine Eiswürfelmaschine eingebaut.
Alles Apparate die ihm eine Menge Arbeit abnahmen, der Traum einer jeden Hausfrau.
Hätte es eine Maschine gegeben die alle Mahlzeiten seiner Wahl zubereitet, seinen Tisch gedeckt, alles wieder abgeräumt, gewaschen, geputzt und wieder eingeräumt hätte, in Hartmanns Küche wäre sie zu finden gewesen. Er legte die Zeitung beiseite und gönnte sich einen weiteren Espresso aus frisch gemahlenen, dunkel gerösteten Arabicabohnen.
Das Wichtigste hatte er gelesen. Die drei Morde standen auf der Titelseite als Schlagzeile, die weiteren Informationen waren dann aber auf den Lokalteil verbannt worden, weil ein Spionageskandal das Land erschütterte und hohe Politiker darin verwickelt