Das Ende ist immer nahe 1. Urs Herzog
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„Ich gehe hinüber zu Anna, ich muss kurz nach ihr sehen, vielleicht kann ich etwas für sie tun. Schliesslich muss sich doch jemand um sie kümmern und wofür hat man sonst seine Freunde. Schau du nur weiter Fußball, uns Frauen interessieren andere Dinge. Wenn du Hunger hast, das Abendessen steht im Kühlschrank, du musst es nur aufwärmen.“
Käthi Dürrer griff nach Ihrer Strickjacke, legte sie um ihre Schultern und war zur Wohnung hinaus, noch bevor er Gelegenheit zu einer Antwort hatte. Sie stieg die Treppen hinunter und wollte aus dem Haus. Plötzlich donnerte etwas von aussen gegen die Tür, dann kratzte es daran und dann war wieder Stille. Sie war stehen geblieben. Was mochte das sein? Entschlossen öffnete sie die Tür und meinte im selben Augenblick, ihr Herz müsse stehen bleiben. Sie konnte sich nicht rühren. Sie starrte auf die junge Lehrerin die vor ihren Füssen lag. In ihrem Rücken steckte ein schwarzer Pfeil. Unvermittelte begann Käthi Dürrer zu schreien, laut und schrill. Rundum flogen Türen und Fenster auf, von allen Seiten stürzten die Leute herbei.
Schockiert, aber auch fasziniert, starrten sie Alle wie gebannt auf das Opfer. Niemand versuchte Hilfe zu leisten. Niemand schaute nach, ob die junge Frau noch lebte. Sie standen nur da, gafften.
Auch Albert Dürrer hörte die Schreie und stürzte die Treppen hinunter. Er hatte grosse Angst seiner Frau könnte Schlimmes zugestoßen sein. So hatte er seine Käthi noch nie schreien gehört. Er rannte zu seiner Frau hin, die bleich und zitternd an der Hauswand lehnte und unverwandt auf den Boden starrte. Er packte sie bei den Schultern und zog sie schützend an sich.
Dann folgten seine Augen ihrem Blick, sahen die junge Frau auf dem Boden liegen, sahen den schwarzen Pfeil in ihrem Rücken stecken.
„Mein Gott, wie bei Johann – genau gleich wie bei Johann“, entfuhr es ihm. Dann drehte er seine zitternde Käthi herum und sie vergrub ihr Gesicht in seiner Schulter.
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Innert weniger Minuten hatte die Polizei die Schmiedengasse abgeriegelt, die Leute zurückgedrängt und den Tatort mit weissrotem Band abgesperrt. So wie sie es heute Morgen schon einmal getan hatte. Von den Umstehenden wurden die Personalien aufgenommen und eine erste Befragung fand noch vor Ort statt. Doch niemand konnte den Tathergang schildern, niemand hatte das Verbrechen gesehen, oder sie standen noch so sehr unter dem Eindruck des Geschehens, dass sie zu vernünftigen Antworten nicht fähig waren.
„Du bist spät daran, Medizinmann“, sagte Hartmann
„Ich kann meine Arbeit nicht einfach stehen und liegen lassen, da hätte ich innert kürzester Zeit keine Patienten mehr. Oder fändest du es toll, wenn ich dich mit heruntergelassener Hose stehen lassen würde?“ Hartmann brummte etwas. „Was hast du hier, Hans, schon wieder eine Leiche?“
Es war ihm anzusehen, dass er auf diese Frage eigentlich keine Antwort wollte, und wenn, dann am liebsten ein, nein, gehört hätte.
„Komm mit und sieh es dir an.“ Sie gingen über die Gasse zum Hauseingang. Von Au beugte sich über das Opfer, tastete nach dem nicht mehr vorhandenen Pulsschlag, schüttelte den Kopf und stand langsam auf. Er schaute auf die Tote hinunter und bemerkte das Lächeln in ihrem Gesicht, den glücklichen Ausdruck der langsam von ihrem Antlitz verschwand. „Es sieht fast so aus, als wäre sie friedlich gestorben.“ Wieder schüttelte er den Kopf.
„Was hast du gesagt, Herbert?“ Es schien als käme Von Au aus einer anderen Dimension zurück, sein Kopf ruckte herum.
„Wieder mit einem Pfeil, wie die beiden heute Morgen.“
„Ja, wie heute Morgen, und ich glaube, dass du das Gleiche denkst wie ich.“
„Das Gleiche wie du, Hans, genau das Gleiche.“ Von Au zückte sein kleines, schwarzes Notizbuch.
„Was hast du für Angaben über die Tote? Was schreibe ich auf den Totenschein?“
„Die Frau heisst Jansen Elisabeth, 28 Jahre. Lehrerin, wohnte hier im Haus, Schmiedengasse 15, oben in der Dachwohnung.“ Hartmann zeigte nach oben und Von Au blickte automatisch hoch unters Dach.
„Wann ist es geschehen?“
„Vor etwa einer halben Stunde, schreibe 18.15 Uhr, Todesursache: -, das machst du schon.“ Von Au machte sich Notizen.
„Hans, kannst du die Tote möglichst schnell in die Pathologie bringen lassen? Ich möchte sie noch heute untersuchen und mit den ersten Toten vergleichen. Morgen früh hast du dann den Bericht über die drei Opfer.“
„Wenn die Spurensicherung fertig ist bringen wir sie.“
„In Ordnung.“ Von Au ging ein Paar Schritt, hielt inne und drehte sich zu Hartmann um.
„Hans, für heute sind es genug.“ Dann drehte er sich wieder um und ging die Gasse hinunter.
Nachdenklich schaute ihm Hartmann nach. Dann wandte er sich an die Spurensucher. „Hast du schon etwas für mich, Georg?“
„Nein, nichts was dir weiterhelfen wird. Wir haben bisher keine Hinweise auf den möglichen Täter, wir wissen auch noch nicht von welchem Standort aus der Pfeil abgeschossen wurde und haben deshalb auch noch keine Spuren. Der einzige Anhaltspunkt ist der Pfeil. Der sieht aus wie die von heute Morgen und an denen haben wir bis jetzt noch nichts Spezielles gefunden, ausser dem Blut der Opfer. Noch eine Frage, Hans?“ Hartmann hob beschwichtigend seine Hände.
„Schon gut, ich verstehe, danke Georg.“ Dann liess er die Spurensucher weiter arbeiten und ging auf Anton Müller zu, Polizeiwachtmeister und Chef der uniformierten Polizei. „Anton, hast du etwas für mich?“
„Nein, nichts Konkretes. Niemand hat etwas gesehen, obwohl viele Leute unterwegs waren. Die Meisten haben erst auf das Schreien von Käthi Dürrer reagiert. Keiner hat etwas Aussergewöhnliches gesehen oder kann sich an etwas Ungewöhnliches erinnern. Nein, bis jetzt haben wir nichts Brauchbares.“
„Also auch hier keine Zeugen, wie heute Morgen.“ Nun war es an Hartmann, den Kopf zu schütteln.
„Vielleicht ergibt sich doch noch etwas, du musst Geduld haben“, versuchte es Müller. Hartmann schüttelte wieder den Kopf.
„Lass es gut sein, Anton, gib mir einfach was du hast.“
***
Hartmann hatte ein Problem. Drei Morde an einem Tag und alle Opfer waren mit einem Pfeil erschossen worden. Moser und Meier am frühen Morgen, Jansen am späten Nachmittag. Warum wurden sie getötet? Rache? Hass? Liebe? Geld?
Die Pfeile deuteten auf denselben Täter hin. Was hatten ein Rentner von 66 Jahren, ein Familienvater von 42 Jahren und eine 28 jährige Lehrerin gemeinsam? Wo lag da eine mögliche Verbindung?
Was konnte das Motiv sein? Zufall? Nein, an diese Art von Zufall glaubte er nicht. Noch blickte er nicht durch. Noch fehlten ihm die Fakten. Diese musste er erst zusammentragen, musste Leute befragen, das Umfeld der Opfer unter die Lupe nehmen, ihr Leben durchforsten. Das konnte mühsam werden. Eine schnelle Antwort würde es nicht geben, er würde Zeit brauchen. Und -, wer schoss mit Pfeilen? Nach einem Amateur sah das nicht aus. Gab es in der näheren Umgebung einen Bogenschützenverein, oder wie das auch immer hiess? Er wusste es nicht.
„Müller,