Das Ende ist immer nahe 1. Urs Herzog
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Nun klappte sie den Deckel zu. Johann wartete. Ihr Mann hatte sich in der letzten Zeit sehr verändert. Zum Guten verändert. Nach seiner Pensionierung hatte er wochenlang nur herum gesessen. Davor hatte sie sich im Voraus gefürchtet. Er hatte alles und jeden kritisiert und sie konnte ihm nichts recht machen. Johann wusste nichts mit sich und der Zeit anzufangen.
Es war die erste grosse Krise nach über dreissig Ehejahren. Deswegen floh sie tagelang aus der sonst so gemütlichen Wohnung, sie konnte es nicht mehr ertragen.
Doch allmählich fing sich Johann wieder auf. „Zum Glück hat er seine Freunde und seinen Garten. Wäre es weiter so gelaufen, ich hätte durchgedreht“, vertraute sie ihrer besten Freundin an.
Doch das Leben hatte wieder seine geordneten Bahnen eingeschlagen und Normalität war wieder angesagt.
Sie griff nach der Strickjacke, - morgens konnte es noch immer sehr kühl sein -, zog sie über, packte den Korb und verliess die kleine Wohnung an der Schmiedengasse Nummer Sieben.
Zielstrebig steuerte sie aus dem Städtchen hinaus auf die Schrebergärten zu. Es war wirklich noch kühl und sie zog die Jacke enger um sich. Die Sonne warf die ersten, warmen Strahlen auf ihr Gesicht und sie blinzelte ins Licht. Kein Wölkchen zeigte sich am Himmel, es würde wieder ein wunderschöner Tag werden. Am Nachmittag wollte sie spazieren gehen, die Sonne, die Wärme, den Frühling geniessen.
So früh waren noch nicht viele Menschen unterwegs. Den Einen oder Anderen grüsste sie in Vorübergehen. Man kannte sich in Birrhausen. Für einen Schwatz hatte sie keine Zeit, denn ihr Johann würde bestimmt schon nach ihr Ausschau halten.
***
Wenn es eine Person gab der man das Attribut seriös zugestehen musste, dann war dies zweifelsohne Thomas Meier. Er war seiner Frau ein liebender und treuer Ehemann und den beiden Kindern ein fürsorglicher Vater. Überall beliebt und respektiert, seit Jahren ein gewissenhafter und sehr geschätzter Mitarbeiter der örtlichen Sparkasse, Abteilung Kreditwesen. Sein Tenor machte ihn zur Stütze im Gesangsverein und im Sportverein spielte er in der Volleyball-Mannschaft. Gut aussehend und sportlich mit gutem Einkommen, ein Mann ohne Fehl und Tadel, der Traum aller Schwiegermütter. Morgens stand er immer als Erster auf, bereitete das Morgenessen für seine Familie und hatte noch genügend Zeit einen ersten Blick in die Tageszeitung zu werfen bevor er seine Familie weckte.
So wie jeden Tag, von Montag bis Freitag. Das Frühstück stand auf dem Tisch, helles und dunkles Brot, Butter und Konfitüre, herrlich duftender Kaffee. Er schaute auf die Uhr. Noch eine Viertelstunde blieb ihm, dann musste er seine Frau und die Kinder wecken. Zeit für die Morgenlektüre.
Er trat aus dem Haus in der Schmiedengasse und blinzelte in die helle Sonne. Einen kurzen Moment war er geblendet. Dann wandte er sich dem Briefkasten zu, öffnete ihn, holte die Tageszeitung heraus und faltete sie auseinander. Er las die Schlagzeile welche die erste halbe Seite mit ihren dicken, schwarzen Lettern in Anspruch nahm: Sexorgien in der Armee.
***
Immer wieder rammte Moser den Spaten in den Boden, hob die schwarze Erde an, drehte den Spaten und liess die Erde zurückfallen. Immer wieder, ohne Unterlass.
Er vernahm ein leises Sirren und gleichzeitig traf ein heftiger Schlag seinen Rücken, liess ihn nach vorne stolpern. Was war das. Er fing sich auf und wollte sich umdrehen. Der Schmerz durchfuhr ihn wie glühendes Eisen, breitete sich in seinem Rücken und in seiner Brust aus, frass sich in seinen Kopf und liess seinen Atem stocken. Die Welt um ihn herum begann sich zu drehen und ein Schleier wie aus zartem, weissem Tüll legte sich vor seine Augen. Er verstand nicht was mit ihm geschah. Der Versuch sich irgendwo festzuhalten schlug fehl, da war nichts an das er sich hätte klammern können. Der Spaten glitt aus seinen Händen und die Beine gaben nach, als könnten sie sein Gewicht nicht mehr tragen. Und dann fiel er, fiel in ein grosses, schwarzes Loch. Hart prallte er auf der schwarzen Erde auf, doch das spürte er nicht mehr.
***
„Guten Morgen Anna, du bist aber früh auf den Beinen.“ Sie kannte die Stimme. Sie drehte sich nicht um, sondern ging ruhig weiter. Augenblicke später hatte er sie eingeholt. „Jetzt kennen wir uns schon über fünfzig Jahre und noch immer laufe ich dir hinterher.“ Sie drehte ihm ihr Gesicht zu und lächelte ihn an.
„Guten Morgen Albert, was machst du so früh hier? Hat dich Susanne rausgeschmissen?“
„Halb so schlimm, Susanne ist schon früh los um ihre Schwester zu besuchen. So habe ich Zeit mich um den Garten zu kümmern und die grössten Kürbisse zu ziehen.“ Er schaute auf den Korb und hob neugierig den Deckel an. „Was hast du da Feines drin?“
„Ja was wohl“, sie stiess seine Hand weg, „Johanns Frühstück natürlich, was denn sonst.“ Sie drehte den Korb leicht zur Seite, so dass er den Deckel nicht wieder anheben konnte.
„So möchte ich auch einmal verwöhnt werden“, seufzte Albert und liess theatralisch die Schultern sinken. Anna schaute ihn lächelnd an.
„Du änderst dich nie, komm in einer Viertelstunde vorbei, es ist genug da. Ich kann dich doch nicht verhungern lassen, Susanne würde mir das nie verzeihen.“
„Du bist ein wahrer Engel.“ Schmachtend schaute er sie an.
„Dann bis nachher, du armer Kerl“, lachte sie. Sie hatten die Gärten erreicht und Anna wandte sich nach links, Albert nach rechts. Ihre Gärten lagen nur wenige Schritte auseinander.
Anna schaute über den Zaun, konnte aber ihren Johann nicht entdecken. Sie wunderte sich. Wahrscheinlich ist er hinter dem Häuschen und gräbt dort den Garten um, dachte sie, öffnete das hölzerne Türchen und zog es hinter sich wieder zu. Sie ging auf das Häuschen zu.
„Das müssen wir dieses Jahr neu streichen und die Pergola kann auch etwas Farbe vertragen“, sprach sie vor sich hin. Dann ging sie am kleinen Häuschen vorbei und – blieb wie angewurzelt stehen.
Der Korb fiel zu Boden. Sie stand da und konnte sich nicht bewegen, -und nicht begreifen was sie sah.
Johann lag mit dem Gesicht nach unten auf der frischen, schwarzen Erde. Regungslos. In seinem Rücken steckte ein langer, schwarzer Pfeil.
Albert Dürrer öffnete sein Gartenhäuschen. In Gedanken war er schon eine Viertelstunde weiter, bei Annas Kaffee, dem frischen Brot, der feinen Wurst und dem würzigen Käse. Ein zweites Frühstück mit seinen Freunden, darauf freute er sich.
Er hörte die Schreie und es dauerte einen Augenblick bis er die Stimme erkannte, - Anna. „Mein Gott, das ist Anna“, rief er laut. Es musste etwas Schreckliches geschehen sein und er rannte los so schnell er konnte. Er spürte nicht wie ihm die Äste ins Gesicht schlugen, als er quer durch den Garten lief.
Er fand die beiden hinter dem Gartenhäuschen. Johann lag auf der Erde und Anna hatte sich über ihn geworfen.
Sie schrie und schüttelte immer wieder ihren Mann. „Johann, Johann“, immer wieder, „Johann.“ Tränen liefen über ihr Gesicht. Albert kniete sich neben die Beiden, nahm Johanns Arm und suchte den Puls zu fühlen. Nichts. Johann war tot.
Er fasste