MONTE. Eveline Keller

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MONTE - Eveline Keller

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Sie hätte mit ihr Lieder gesungen, ihr Geschichten erzählt. Mit Mara wäre es erträglicher.

      Durch winzige Risse im Deckel drangen minimale Lichtstreifen. Sie wusste, dass sie nicht genug Kraft hatte, um ihn zu öffnen. Sie wusste es, weil sie es schon oft versucht hatte, bis zur Verzweiflung. Selbst Mara schaffte es nicht von unten, und sie war zwei Jahre älter und kräftiger.

      Manchmal sagte Mara Sachen wie: „Tremonti gibt uns absichtlich wenig zu essen, damit wir klein und schwach bleiben.“

      Doch Andrea war nicht sicher, ob das stimmte. Immerhin beklagte er sich darüber, dass das Essen für sie viel zu viel kostete. Darum sollten sie sich anstrengen, sich ihren Teil durch Arbeit auf dem Hof zu verdienen. Sie musste zum Beispiel den Futterkessel für die Hunde schleppen. Der war so schwer, dass sie ihn über den Boden schleifen musste und der Inhalt überschwappte. Zur Strafe bekam sie kein Abendessen. Wenn sie Strohballen zu den Tierställen bringen sollte, riss sie immer Stücke davon heraus, weil die Ballen zu groß und zu schwer für sie waren. Sie musste zehnmal hin und her laufen, bis genug davon drüben war. Tremonti tobte. Sie konnte es ihm nie recht machen. Sie war nicht sehr stark und ihre Hände waren zu klein, um viel halten zu können, und so fiel ihr oft etwas herunter. Tremonti wütete dann: „Ihr nichtsnutziges Gezücht. Wird es bald oder muss ich euch Beine machen? Los, das muss schneller gehen. Bewegt eure Knochengestelle oder ich verfüttere euch an die Hunde. Los – los!“

      Ein anderes Mal hatte sie Holzscheite schleppen müssen. Obwohl sie todmüde war, zwang sie ihre Arme und Beine, weiterzuarbeiten. Sie hastete vor Tremonti her, stolperte prompt und fiel ihm mitsamt den Holzscheiten direkt vor die Füsse.

      „Du ungeschickter Trampel. Pass doch auf!“ Er hob sie am Arm hoch und schüttelte sie. „Oder willst du Lobos Abendessen werden?“

      Vor Schreck war ihr die Nässe an den Beinen heruntergelaufen.

      „Ah, jetzt pisst die auch noch!“

      Andrea heulte vor Angst.

      „Reiz mich nicht!“, angewidert ließ Tremonti sie fallen.

      Wann würde sie endlich kapieren, dass sie in solchen Situationen still bleiben musste? Er hatte ihr eine Ohrfeige gegeben, und als das nichts nützte noch eine und noch eine, bis sich Mara dazwischenwarf. Manchmal fragte Andrea sich, was bloß mit ihr los war, dass sie ihn immer wütend machte. Wäre sie doch nur so klug wie Mara.

      Nun saß sie hier, konnte nicht stehen, nur hocken und hatte ihre Arme um die Knie geschlungen.

      Vorletzte Nacht, als sie nicht hatte schlafen können, weil ihr Magen knurrte, hatte sie mit Mara Träume gesponnen, wie es sein würde, wenn Papa käme. Zusammen hatten sie die Geschenke aufgezählt, die er mitbringen würde. Andrea wünschte sich ein langes, glänzendes Kleid und eine Puppe. Mara wünschte sich für beide einen Geburtstagskuchen. Auf ihre Frage, was ein Geburtstagskuchen sei, hatte Mara erklärt: „Das ist ein Kuchen aus fein gebackenem Biskuit, mit rosaroter Verzierung und mit deinem Namen in Zuckerguss darauf geschrieben. Mmm, das ist lecker. Es stecken so viele Kerzen wie man Jahre alt wird darauf.“

      Andrea war das Wasser im Mund zusammengelaufen.

      „Leider weiß ich nicht, wie man einen Kuchen kocht – und stell dir vor, wie Tremonti schimpfen würde: ‚Eine Verschwendung! Was glaubt ihr, wer ihr seid. Fresst mir noch das letzte Haar vom Kopf‘“, hatte Mara ihn nachgeäfft. Darauf hatten sie sich gekugelt vor Lachen.

      „Ich will nicht auch noch für seine Haare verantwortlich sein. Das waren schon so wenige, als wir hierherkamen. Aber ich würde gerne einen Geburtstagskuchen kochen für dich.“ Dabei hatte Mara mit ihren Armen einen großen Kreis gezeigt. „So gross würde er werden. So viel könntest nicht mal du alleine essen. Würdest du mir auch ein Stück geben?“

      Andrea hatte genickt. „Aber Tremonti kriegt nichts!“

      „Nein, und er darf nichts merken. Den Hunden und den Hühnern würde ich ein Stück geben. Mögen Schafe Kuchen?“

      Mit der Vorstellung vom wundervollsten Kuchen auf der ganzen Welt war sie neben Mara eingeschlafen.

      Da. Andrea spürte ein Krabbeln zwischen ihren Füssen. Waren das Ameisen oder war es vielleicht eine Maus? Freudig und ohne Furcht tastete sie vorsichtig danach. Sie spürte, wie sich eine neugierige Schnauze an ihren Fingern bewegte, offensichtlich wirklich eine Maus. Da, ein Quietschen, als sie sie fassen wollte.

      „Komm, kleines Mäuschen.“ Andrea machte die quietschenden Geräusche nach, aber das Tier blieb verschwunden. Hatte es ein winziges Loch gefunden?

      Mit piepsender Stimme flüsterte sie: „Wie heißt du, Maus? Hm? Los, sag schon.“

      Keine Antwort.

      „Na gut, dann sage ich, du heißt ab jetzt, ähm, Nelly, wie meine Grossmutter. Na, wie gefällt dir das? Oder bist du ein Männchen?“

      Stille. „Hör mal.“ Ihr Magen knurrte. „Der ist leer. Ach, hätte ich doch nur ein schönes Stück Kuchen. Mmh“, die Maus huschte wieder über ihren Fuß.

      „Ah, du hättest auch gerne was davon. Tja, ich weiß nicht, ob da ein Krümchen abfallen würde, dafür müsstest du mir schon die Füsse küssen“, kicherte Andrea.

      5.

      Nachdem Uschi die Montagssitzung geschlossen hatte, räumte ich auf, schob meine Notizen in die Handtasche und sperrte das Sitzungszimmer zu, um zum Restaurant Linde zu gehen, wo der Team-Wochenend-Anlass geplant werden sollte. So eine verordnete Teamförderung mutete mir immer an wie ein Besuch bei der Dentalhygienikerin. Man brachte es hinter sich, um einem größeren Übel vorzubeugen. In diesem Fall, um ein offenes Zerwürfnis der Behördenmitglieder zu vermeiden.

      Selbst zu dieser späten Stunde war es schwül, die Luft ähnelte einer klebrigen Suppe. Spontan entschied ich mich, den Weg unten herum durchs Dorf einzuschlagen. Das war ruhiger als an der Hauptstraße entlang und ich würde um die zwanzig Kalorien zusätzlich verbrauchen. Ich sog den Duft von blühenden Rosenbüschen ein und schlenderte die Gasse hinunter. Da und dort grüßten Berwiler aus ihren Gärten, viele waren beim Gießen ihrer Pflanzen.

      Die Dämmerung stahl sich in die Nacht hinüber und die Luft erschien mir geschwängert von der Sehnsucht nach Küssen und Liebesschwüren. Ein seltsames Ziehen in der Herzgegend wies mich auf den verwaisten Platz an meiner Seite hin.

      Als Single war ich eines jener bedauernswerten Individuen, das seine bessere Hälfte noch nicht gefunden hatte, herum driftete und vorgab, alles locker zu sehen, während die biologische Uhr immer lauter tickte. Doch wie, bitte schön, sollte ich den Zukünftigen kennenlernen? Beim Zu-Hause-Herumsitzen würde ich nie Mister Perfect begegnen. Wenigstens ein paar Qualitäten müsste er aufweisen. Jeden würde ich nicht nehmen.

      Erstens müsste er Verständnis für Frauen haben, feinfühlig sein, sensibel, aber kein Weichei. Nein, er sollte ein Mann durch und durch sein. Einer mit Muskeln, mit Sixpack wäre schön. Ich mühte mich schließlich auch ab, keinen Riesenarsch zu haben. Und wie. Er sollte auf sein Äußeres achten, müsste aber schon zum Anfassen sein. Er sollte belesen sein, Humor haben, gute Laune verströmen, auch mal Fünfe gerade sein lassen und wenn er kochen könnte, umso besser. Außerdem müsste er etwas von Technik verstehen, zum Beispiel ein Fahrrad reparieren können. Obwohl ich gar nicht Fahrrad fuhr, es ging ums Prinzip. Und er sollte heiß aussehen, allerdings nicht zu gut, nicht so, dass ihn mir gleich alle unverheirateten Freundinnen ausspannen würden.

      So

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