MONTE. Eveline Keller
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Iris, erklärte mir Dora kopfschüttelnd, sei naiv gewesen, eine Träumerin, untypisch für eine Schweizerin. Sie schien nicht von dieser Welt. Selten habe sie jemanden getroffen, der sich im realen Leben so wenig zurechtfand wie Iris. Sie sei ein tragischer Fall, von Anfang bis Ende. Die Männer habe sie angezogen wie Motten das Licht, schließlich habe sie Kevin, dieses Frettchen, geheiratet und sein Kind bekommen, nachdem er längst wieder verschwunden war. Wahrscheinlich, weil es nicht seins war. Ihr könne man da nichts vormachen, stellte Dora fest. Und als er wieder auftauchte, habe sie noch ein Kind auf die Welt gebracht – nur um sich anschließend scheiden zu lassen. Die Männer seien ihr doch alle verfallen gewesen, eine Nymphomanin eben.
„Du musst es ja wissen“, murrte Robin.
„Sicher!“, Dora rollte mit den Augen. „Sie hat ihre Liebhaber gewechselt wie andere ihre Unterwäsche.“
„Neidisch?“
„Hör mal, ich weiß, wovon ich rede.“ Nachdenklicher setzte sie hinzu: „Entschuldige – vielleicht trauerst du ja noch um sie.“
„Halt dein Schandmaul“, schnappte Markus. „So redet man nicht über eine Tote. Ich verbitte mir das. Aus dir spricht die pure Eifersucht.“
„Du hast mir gar nichts zu verbieten. Also wirklich! Die Zeiten, in denen Männer Machtworte gesprochen haben, sind vorbei.“ Dora sah die anderen an. „Ich habe es mit eigenen Augen gesehen. Benni zum Beispiel, der Betreibungsbeamte, der war dauernd bei ihr.“
„Dürfte einen eher monetären als einen emotionalen Grund gehabt haben. Ihr flatterten täglich Pfändungsandrohungen ins Haus“, brummte Robin.
Dora blieb dabei, Benni sei dem Charme der zarten Frau erlegen und habe nur deshalb die Fristen verlängert. Markus schüttelte den Kopf, kramte ein Foto von Iris hervor und zeigte es mir.
Typisch, allen habe sie den Kopf verdreht, wie man sehe, ließ sich Dora vernehmen. Und nicht nur Benni, vor ihm sei der Lindenwirt regelmäßig bei Iris gewesen, exakt nachdem ihm seine Frau davongelaufen sei.
„Bevor du noch mehr Affären erfindest: Die Frau des Wirtes ist mit ihrem Kurschatten abgehauen. Das hatte nichts mit Iris zu tun“, trug Uschi bei.
„Wenn du meinst? “ Dora klang nicht überzeugt. „Ich sage euch, die Männer gaben sich bei ihr die Klinke in die Hand. Ich habe ihren Hauseingang genau im Blickfeld. Und dir, Robin, wurde das Hin und Her bei ihr auch zu viel, gell? Sogar Markus.“
„Verschone uns mit deiner Einfühlungsgabe“, bemerkte Robin angewidert. „Überhaupt: Was willst du damit sagen? War sie ein Mensch zweiter Klasse, weil sie viele Männer, aber kein Glück im Leben hatte?“
„Nein, aber wäre sie weniger flatterhaft gewesen, müssten wir nicht aufwendig nach den Kindern forschen, die sie in die Welt gesetzt hat.“
Dieses blöde Gerede müsse er sich nicht länger anhören, erklärte Markus. Am Ende sei Iris noch schuld, dass ein anderer mit dem Auto in sie reingefahren sei.
Wenn sie geregelte Verhältnisse gehabt hätte, müsste sich die Behörde jetzt nicht über ihren Fall beugen, beharrte Dora.
„Wenn der Hund nicht geschissen hätte, hätte er die Katze erwischt“, bemerkte ich trocken. „Der an mich übergebene Fall weist einige Lücken auf. Du hast dich mit Nachforschungen nicht gerade überanstrengt, obwohl du doch der Familie gegenüber so kritisch bist, Dora.“
„Was? Das muss ich mir nicht sagen lassen. Nach allem, was ich für diese Gemeinde getan habe! Ich habe immer alle informiert. Schon lange vor deiner Zeit.“
„Fasse es mir doch bitte kurz zusammen“, bat ich.
„Spinnst du! Ich werde mich dazu jetzt nicht rechtfertigen! Das ist nun dein Fall, jetzt bist du dran. Zeig uns, was du draufhast.“
Mit Unschuldsmine fragte Markus: „Erzähl uns doch mal Dora, wie das mit dir und Peter begann, deinem späteren Mann und ehemaligen Lebenspartner von Iris.“
Die Wende, die das Thema jetzt nahm, ging Robin wohl zu weit. Er klopfte auf den Tisch und stellte ebenfalls einen Ordnungsantrag: „Was wird hier eigentlich diskutiert? Alle Liebhaber von Iris Furrer? Das bringt uns nicht weiter bei der Suche nach dem Aufenthaltsort von Furrers Enkelinnen.“
Ich warf ein, dass die Hintergründe wichtig seien.
„Eben, Janet, aber nicht so. Noch einmal zum Mitschreiben: Wir sind keine Detektei! Wir sind ein Kollegium. Kapiert! Sonst bist du hier fehl am Platz“, bremste mich Markus.
Uschi fuhr dazwischen: „Markus, auch wenn es dir schwerfällt, aber du bestimmst nicht, wer hier fehl am Platz ist, das macht immer noch der Souverän.“
Danke, Uschi, dachte ich. Wenn nur deine Stimme nicht dauernd in diesen weinerlichen Ton kippen würde – man würde dich eher ernst nehmen.
„Janet - forsche, wo du willst, aber wir sind tabu. Hast du verstanden?“
Ich verdrehte die Augen.
„Wo waren wir? Der Brief ist uns bekannt. Was hast du dazu herausgefunden?“ Uschi sah mich auffordernd an.
Ich erklärte, Hans Furrer befürchte, Iris’ Ex-Mann Kevin sei ins Ausland verreist. Seit ihrem Verschwinden aus Berwil habe er nie mehr etwas von ihnen gehört. Alle seine Briefe seien mit dem Vermerk „Adresse unbekannt“ zurückgekommen. „Das Verhältnis zwischen Iris’ Eltern und dem Schwiegersohn war nie gut. Ich glaube, wenn eine Person, die einem nahesteht, stirbt, auch wenn es die Ex-Frau ist, kann man zu einer Kurzschlusshandlung neigen aus Trauer und Schmerz“, schloss ich.
„Ja, ich sehe Kevin geradezu vor mir, wie er weint, weil ihm die Geldquelle versiegt. Muss ein wahrer Schicksalsschlag für ihn gewesen sein“, frotzelte Markus.
„Mensch, wer weiß, was einen in so einem Moment bewegt“, sagte Robin. „Es ist nicht an uns, über ihn zu urteilen.“
„Amen“, beschloss ich seine Worte. Da der Fall schon länger pendent war, glaubte ich insgeheim nicht, dass er als besonders dringend galt. Uschi beauftragte mich, dranzubleiben. Sie hielt es für wahrscheinlich, dass sich Kevin bei Hans Furrer von selbst melden und sich das Ganze erledigen würde.
Es war inzwischen nach zweiundzwanzig Uhr. Markus gähnte ungeniert. Auch die anderen waren müde, Dora ließ ihre Mundwinkel hängen und sogar Robin vergaß, etwas einzuwenden. Kurz darauf wurde die Sitzung beendet.
Danach schlossen sich die folgenschweren Mojitos in der „Linde“ an, bei deren Genuss ich noch ein paar weitere Details über den Fall Furrer erfahren sollte – natürlich nicht ahnend, welche Wendung das Ganze noch nehmen würde. Fälle wie dieser erledigten sich eben nie von selbst, wie meine lieben Teamkollegen mir glauben machen wollten.
4.
Andrea hockte im Loch in der Dunkelheit. Selbst wenn sie sich die Hand vor die Augen hielt, konnte sie keine Veränderung feststellen, es war stockdunkel. Mara fehlte ihr. Kein Geräusch drang von draußen zu ihr. Zur Abwechslung hielt sie sich die Hände auf die Ohren, jetzt konnte sie ihr Blut rauschen hören. Dann lauschte sie ihrem eigenen Atem oder spürte nach, wie ihr Herz klopfte. Es roch nach Metall, abgestandener Luft und nach ihr. Die Zeit zog sich endlos