Private Ermittler - 2000 Seiten, 16 Krimis in einer Sammlung. Alfred Bekker
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"Wir müssen reden, Tom!"
Sie sahen sich an. Rena studierte einige Augenblicke lang seine Gesichtszüge, versuchte vergeblich darin zu lesen. Tom Tjaden war Geschäftsmann. Ihm gehörten mehrere Bars und Diskotheken in Leer, Emden, Aurich, Wilhelmshaven und auf Borkum.
Außerdem spekulierte er mit Immobilien. Böse Zungen (und Staatsanwälte) behaupteten immer wieder, dass Tjaden Verbindungen zum organisierten Verbrechen hatte und es sich bei seinen 'Läden' mehr oder weniger um Geldwaschanlagen handelte. Aber bislang hatte Tjaden noch jedes juristische Kreuzfeuer abwehren können und war dabei ökonomisch gesehen immer größer geworden.
Rena hatte ihn am Strand von Borkum kennen gelernt. Mehr als ein Jahr war das her. Ubbo war über ein Wochenende mit den Jungs zur BOOT nach Düsseldorf gefahren. Schließlich musste der Junior-Chef des Sluiter'schen Geschäfts sich auf der größten Messe für Boots- und Segelbedarf in Europa auf dem Laufenden halten.
Rena hatte das Wochenende für einen Trip zu dem Ferienhaus auf Borkum genutzt, das die Sluiters besaßen.
"Am Telefon klang es so, als wäre es ziemlich dringend!", murmelte er. Er drängte sich an sie heran. "Ist es bei mir auch."
"Tom, es geht um die Boutique..."
Sie schob ihn sanft von sich. Auf Borkum hatten sie eine heftige Affäre gehabt und sich dort auch später noch ab und zu getroffen. Sie hatte einfach nicht widerstehen können. Ubbo war grundsolide, ein biederer Krämer. Tom Tjaden war das genaue Gegenteil. Eine Aura des Verruchten umgab ihn. Ein Hauch von dem, was Rena sich insgeheim immer unter 'großem Leben' vorgestellt hatte. Irgendwann hatte er dann von der Boutique erzählt, die er aufgekauft hatte. Ein Ladenlokal in günstiger Lage, mitten in Emden, gleich neben dem großen Kaufhaus-Gebäude, in dem früher Hertie, danach eine Filiale der Kaufhalle und heute der Schuh-Discounter Reno beheimatet war. Ein Schnäppchen, wie Tom Tjaden betont hatte. Ihm war die Boutique bei einer Zwangsversteigerung in die Hände gefallen. Natürlich dachte er daran, sie mit möglichst großem Gewinn weiter zu veräußern.
"Hör mal, Schätzchen, es wird langsam ein bisschen knapp!", meinte Tom. "Ich habe ein paar wirklich interessierte Leute, die das Ladenlokal gerne haben möchten. Und wenn dein Mann nicht in die Puschen kommt, dann tut's mir Leid für dich. Dann wird nix draus! Weißt du, sonst steh ich nachher da und habe es mir mit allen verscherzt, die so ein Ding kaufen könnten."
Rena atmete tief durch.
"Ich brauche einfach noch ein bisschen Zeit."
"Ist es wirklich so schwer, deinen Alten 'rumzukriegen?"
"Tom!"
"Du hast doch einiges drauf, um dir diese steife Mumie etwas gefügiger zu machen!" Tom Tjaden lachte dreckig.
"Ubbo ist nicht das Problem."
"Ach, nein?"
"Seine Mutter!"
"Verstehe." Er schüttelte den Kopf, kratzte sich dabei am Hinterkopf. "Wie konnte eine Klasse-Frau wie du nur an so ein Muttersöhnchen geraten?"
"Was willst du eigentlich? Mich niedermachen?"
"So war das nicht gemeint!"
"Tom, ich brauche noch etwas Zeit, dann..."
"...dann kriegst du die alte Sluiter so weit, dass sie ihre Meinung ändert?"
"Traust du mir das nicht zu?"
Tom Tjaden grinste schief. "Wenn sie ein Mann wäre - ohne weiteres!"
"Seit dem Tod meines Schwiegervaters ist halt alles etwas schwieriger geworden."
"Ich habe davon gehört. Die Zeitungen haben ja ausführlich darüber berichtet. Echt tragisch - so ein Unfall beim Segeln." Er grinste erneut, drückte sich an Rena heran und strich ihr Haar zurück. Dann flüsterte er ihr ins Ohr: "Eigentlich hast du doch gedacht, dass deine Probleme durch den Tod des Alten erst mal erledigt sind. Die akuten Probleme zumindest!"
"Es ist nun mal aber anders gekommen."
"Ja, ja..."
"Außerdem..." Sie zögerte, sprach zunächst nicht weiter und ließ sich stattdessen gefallen, dass Tom Tjaden ihr zärtlich auf das Ohr küsste. Stoß ihn besser nicht so vor den Kopf, schließlich braucht du seine Hilfe vielleicht noch einmal!, ging es ihr durch den Kopf.
"Außerdem was?", hakte Tom nach. "Es nervt, wenn du Sätze nicht zu Ende sprichst."
"Bernhardine Sluiter glaubt nicht, dass der Tod ihres Mannes ein Unfall war."
"Ach, was!"
"Sie hat einen Privatdetektiv engagiert, der der Polizei Beine machen soll!"
Tom ließ von ihrem Ohr ab. Seine Augenbrauen zogen sich zu einer Schlangenlinie zusammen.
"Wie heißt der Typ?"
"Lorant."
"Lorant? Und mit Vornamen?"
"Keine Ahnung. Ist ein Auswärtiger."
"Nun mach dir mal keinen Kopf. Der kocht auch nur mit Wasser."
"Ich hasse diese Schnüffelei trotzdem. Aber auch davon ist Bernhardine nicht abzubringen. Richtig starrsinnig ist sie geworden."
Tom Tjaden entfernte sich zwei Schritte, sah sich das Schafblutgemälde an, berührte es mit dem Zeigefinger der rechten Hand, obwohl das strengstens verboten war. Dann sah er sich die Fingerkuppe an und wischte sich an seinem Taschentuch ab. Offenbar war Bradecke nicht hundertprozentig farbecht. "Sauerei", knurrte er.
"Bis Ende nächster Woche könnte ich die Interessenten vertrösten", sagte Tom Tjaden. "Aber spätestens dann ist die Boutique weg. Schaffst du das?"
"Wenn ich nur Ubbo überzeugen müsste, wäre es leichter."
"Rena, ich finde, wir haben uns schon viel zu lange nicht mehr getroffen!"
"Tom!"
"Keine Lust auf 'ne schnelle Nummer?"
Er drängte sich wieder an sie. Seine Hand wanderte über ihre Schulter, dann tiefer. "Blöd, dass du einen BH trägst!"
"Komm, lass das!"
"Draußen steht mein Ferarri. Setz dich rein, und wir sind innerhalb von null komma nix in Leer."
In Leer besaß Tom Tjaden eine großzügige Villa im Stil der Jahrhundertwende. Er hatte sie aufwändig restaurieren lassen. Rena war einmal dort gewesen. Tom war schon schon auf dem großen Teppich in der Eingangshalle über sie hergefallen.
Aber im Moment stand ihr einfach nicht der Sinn danach.
"Ich muss pünktlich zu Hause sein."
"Wieso?"