Das große Buch der Berlin-Krimis 2017 - Romane und Erzählungen auf 1000 Seiten. Alfred Bekker
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Als das Feuer aus den Sträuchern verebbte, rappelte ich mich auf. Ich stürmte los, feuerte dabei in die Richtung, aus der der Attentäter geschossen hatte und nahm dann hinter einem der ungefähr einen Meter hohen Blumenkübel Deckung, die sich rechts vom Pool befanden.
Ein Schuss peitschte knapp an mir vorbei. Wieder lautlos.
Der Killer benutzte offenbar einen Schalldämpfer.
Rudi war bereits damit beschäftigt, Verstärkung zu rufen und die Kollegen der Potsdamer Polizei zu verständigen.
In geduckter Haltung kam ich hinter dem Blumenkübel hervor, arbeitete mich über die Rasenfläche bis zu einem Gartenhaus vor, ohne, dass ich angegriffen wurde.
Der Killer schien sich auf und davongemacht zu haben.
Ich erreichte den dichten Kordon von Sträuchern und Bäumen, die den zu Roswitha Delgados Bungalow gehörenden Garten vom Nachbargrundstück abgrenzte. Vorsichtig drängte ich mich durch die Sträucher. Die Waffe hielt ich dabei mit beiden Händen.
Ich versuchte, dafür zu sorgen, dass die Sträucher sich so wenig wie möglich bewegten. Denn das würde der Killer sehen, falls er sich auf der anderen Seite dieses Sträuchergürtels noch in Sichtweite befand.
Dass er dann kompromisslos drauflos ballerte, daran hatte ich nicht den geringsten Zweifel.
Ich hatte schließlich einen freien Blick auf eine Rasenfläche, die schon seit geraumer Zeit keinen Rasenmäher mehr gesehen hatte. Das Gras stand fast knöchelhoch. Der Bungalow ähnelte dem von Roswitha Delgado und es gab auch so einen Pool – aber der enthielt kein Wasser.
Das Haus machte einen verlassenen Eindruck. Es gab keine Gardinen an den Fenstern. Wahrscheinlich stand auf der zur Straße ausgerichteten Seite ein Schild mit der Aufschrift ZU VERKAUFEN.
Der Schütze hatte sich die Tatsache, dass dieser Bungalow offensichtlich nicht bewohnt war zu nutze gemacht, um von hier aus auf Roswitha Delgado lauern zu können.
An der Hausecke sah ich eine Bewegung. Ein Schuss ging in meine Richtung. Kurz sah ich eine Gestalt in Lederjacke und Sturmhaube. Nur die Augen blieben frei. Er trug ein Gewehr und hatte offenbar das Magazin leer geschossen. Jedenfalls rannte er nun davon. Ich hetzte hinterher.
Als ich das leer stehende Haus erreichte, hörte ich bereits Reifen quietschen und einen Motor aufheulen.
Ich ahnte bereits, dass ich zu spät kommen würde.
Trotzdem setzte ich alles daran, möglichst schnell zur Straße zu gelangen und den Täter vielleicht doch noch aufzuhalten.
Ein Van mit getönten Scheiben brauste davon, als ich die Straße erreichte. Er bog gerade in eine Seitenstraße ein. Ich konnte gerade noch das Nummernschild erkennen und prägte mir das Kennzeichen ein.
Die Waffe hielt ich im Anschlag, um die Hinterreifen zu zerschießen, aber ausgerechnet in diesem Moment fuhr ein anderes Fahrzeug zwischen mir und mein Ziel.
Es war unmöglich, die Waffe einzusetzen.
„Verdammt!“, murmelte ich und senkte den Lauf. Dann griff ich zum Handy. Es war wichtig, dass die Kollegen das Kennzeichen und den Wagentyp durchgegeben bekamen, damit die Fahndung nicht ins Leere lief.
14
In der Zwischenzeit trafen sich unsere Kollegen Jürgen Carnavaro und Olli Medina mit ihrem Informanten an einem Kanal.
Ein unscheinbarer älterer Mann – schätzungsweise Mitte 60 – angelte dort.
Sein Name war Tom Abu-Khalil. Ihm gehörten ein Coffee Shop, mehrere Kioske und Tabakläden im Wedding und außerdem ein Friseursalon. Das war nämlich seine ursprüngliche Profession. Er hatte als Friseur angefangen und sich dann hochgearbeitet.
Aber inzwischen hatte er die laufenden Geschäfte längst an andere übergeben. Kinder hatte er keine. Aber mehrere Cousins, die er für tüchtig hielt.
Aber auch wenn er inzwischen niemandem mehr selbst die Haare schnitt oder einen Cappuccino zubereitete, so hatte sich doch eins in all den Jahren nicht geändert: Er war einer der bestinformiertesten Männer im Wedding und darüber hinaus. Es gab niemanden, der in der Unterwelt Berlins eine Rolle spielte, den er nicht kannte und wahrscheinlich hatte er auch selbst bei dem einen oder anderen kriminellen Geschäft mitgemischt.
Aber es war in seinem Fall nie genug zusammengekommen, um daraus eine Anklage zu machen, so dass ein Verfahren eröffnet werden konnte.
Tom Abu-Khalil tat erst so, als hätte er Jürgen und Olli gar nicht bemerkt. Olli blieb in einiger Entfernung stehen und und sah sich um, während Jürgen an den Informanten herantrat.
„Wie geht es Ihnen, Herr Abu-Khalil?“, fragte Jürgen.
„Eigentlich sollte ich so tun, als würde ich Sie nicht kennen“, sagte Abu-Khalil. „Schließlich halten Sie sich nicht an die Abmachungen.“
„Wieso?“
„Ich habe ausdrücklich gesagt, dass ich mit Ihnen sprechen will, Carnavaro!“
„Herr Medina ist mein Partner. Wir habe sowieso keine Geheimnisse voreinander. Was Sie mir erzählen, wird er ohnehin erfahren und ich dachte mir, dass es aus Sicherheitsgründen für uns beide besser ist, wenn noch jemand in der Nähe ist, und die Lage beobachtet.“
„Sehe ich aus wie ein Angsthase?“
„Angst ist manchmal nur ein anderes Wort für Vorsicht, Herr Abu-Khalil.“
„Ach was!“
„Und vorsichtig sollten Sie auf jeden Fall sein. Es sind schließlich schon zwei Menschen innerhalb sehr kurzer Zeit ums Leben gekommen, die beide mit Vladi Gruschenko in einem Zusammenhang standen.“
„Wie kommen Sie auf zwei? Ich meine, wenn Sie jetzt jeden von Dima Modestas Leuten extra zählen...“
„Ich spreche von Jochen Delgado“, schnitt Jürgen Carnavaro ihm das Wort ab.
Tom Abu-Khalil war ein kleiner, sehr hagerer Mann, mit eingefallenen Wangen und dem grauen, fahlen Teint eines Kettenrauchers. Die gelben Fingernägel passten dazu.
„Oh, den hat's inzwischen auch erwischt?“
„Sollte ich Ihnen tatsächlich mal